Gesellschaft

„Olés“, Wut und viel Blut: Das Comeback der Matadoren auf Mallorca – Stierkampfverbot aufgehoben

09.08.2019, Spanien, Palma de Mallorca: Ein Torero reizt einen Stier in der Stierkampfarena. Foto: Guillermo Valdes/Europapress/dpa

AKTUALISIERT – Alle Proteste waren am Ende umsonst: Erstmals seit 2017 sind auf Mallorca wieder Stiere ritualisiert getötet worden. In Spanien bleibt damit nur noch eine Region, in der eine Art Stierkampfverbot gilt.

Kurz bevor auf Mallorca das Blut von insgesamt acht Bullen unter dem Jubel von Tausenden floss, gab es Beschimpfungen, Pfiffe und auch Tränen. Auf der spanischen Ferieninsel feierte der Stierkampf am späten Freitagabend trotz wütender Proteste von Tierschützern ein umstrittenes, aber erfolgreiches Comeback.

Bei der ersten „Corrida de Toros“ nach zweijähriger Zwangspause waren die Tribünen der 11.600 Zuschauer fassenden Arena in der Inselhauptstadt Palma gut gefüllt. Knapp 9.000 Fans zahlten die stolzen Eintrittspreise von bis zu 130 Euro.

09.08.2019, Spanien, Mallorca: Tierschützer beteiligen sich an einer Demonstration in der Nähe der Stierkampfarena Coliseo Balear. Der Stierkampf hat auf Mallorca trotz der heftigen Proteste Comeback gefeiert. Foto: Clara Margais/dpa

Vor der Arena hatten sich rund 400 Menschen bereits zwei Stunden vor Beginn des Events versammelt, um lautstark gegen die blutige Show zu protestieren. Sie schlugen auf Töpfe, beschimpften knapp 30 Stierkampffans, die eine «Gegendemo» organisierten, als „Mörder“ und skandierten inbrünstig Slogans wie: „Mallorca tötet nicht, Mallorca schützt Tiere!“, „Kultur ist nicht Tortur“ und „Torero, du Feigling, wir wünschen dir einen schlechten Abend!“. Einige junge Demonstrantinnen hatten Tränen in den Augen.

Der Stimmung in dem vor 90 Jahren im Jugendstil erbauten „Coliseo Balear“, das zwischen 1999 und 2013 sechsmal Schauplatz der früheren ZDF-Show „Wetten, dass..?“ war und in dem 2016 das Finale von Heidi Klums ProSieben-Show „Germany’s Next Topmodel“ ausgerichtet wurde, taten die Proteste später aber keinen Abbruch.

Verfassungsgericht erlaubt Rückkehr der Toreros

Zu spanischer Volksmusik herrschte nur wenige Kilometer vom „Ballermann“ entfernt prächtige Laune. Immer, wenn einer der Matadoren versuchte, mit seinem Degen von oben herab das Herz des Stieres zu erreichen und dem Bullen den Todesstoß zu versetzen, brachen die Zuschauer in besonders lautem Jubel aus. „Oleeeé“ und „Bieeen“ (Guuuut) ertönte aus den Rängen fast unisono.

Nach dem Tod des ersten Stiers durch den im grünen Glitzeranzug gekleideten Star-Matador Morante de la Puebla (39), der mit seinem Degen fünf Versuche benötigte, lief ein Flitzer aus Protest in die Arena. „Corrida never again“, war auf seiner nackten Brust in schwarzen Lettern zu lesen. Unter Schimpfkanonaden der Fans wurde der junge Mann aber sehr schnell von Ordnern wieder hinausgezerrt.

10.08.2019, Spanien, Palma De Mallorca: Ein Demonstrant rennt während eines Stierkampfes in die Arena und wird von einem Mann verfolgt. Foto: Atienza/AP/dpa

Die Rückkehr der Toreros auf die Insel war vom Verfassungsgericht vor einigen Monaten ermöglicht worden. Ende 2018 kippten die Richter in Madrid in Teilen ein balearisches Gesetz aus dem Jahr 2017, das die linke Regionalregierung durchgebracht hatte und das unter anderem die Verletzung oder Tötung der Stiere untersagte.

Dieses Verbot wurde wieder aufgehoben. Die Begründung der Richter: Da der Stierkampf 2013 zum nationalen Kulturgut erklärt worden sei, könne nur der Zentralstaat über solche Verbote entscheiden. Die Regionen dürfen demnach nicht eigenmächtig solche Beschlüsse fassen. Der Tod des Stiers am Ende des Kampfes sei unabänderlicher Bestandteil des Spektakels, so die Richter. „Ich lebe 26 Jahre auf Mallorca und weiß, dass wir in Madrid protestieren müssten, das Verfassungsgericht ist schuld“, wurde ein deutscher Protestler namens Gernot Hackl von der Zeitung „Ultima Hora“ zitiert.

Einige der Beschlüsse von 2017 gelten auf Mallorca aber weiterhin. Zum Beispiel durften Minderjährige am Freitag nicht in die Arena. Es galt auch ein Alkoholverbot. Und die Stiere müssen vor ihrem Einsatz per Blutprobe auf Doping- und Beruhigungsmittel untersucht werden. Die Polizei werde über die Einhaltung dieser und anderer Vorschriften wachen, teilte die Stadtverwaltung am Donnerstag mit.

Stierkampf in Spanien ein großes Geschäft

Unter den Zuschauern, die am Freitag den Auftritt der vier Star-Toreros um Morante de la Puebla und Julián López Escobar, genannt „El Juli“, auf keinen Fall verpassen wollten, waren auch viele in Spanien bekannte Politiker der konservativen Volkspartei (PP). Wie zum Beispiel der Parlamentsabgeordnete Adolfo Suárez Illana, ein Sohn des früheren Ministerpräsidenten Adolfo Suárez González.

Die PP des damaligen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy war es auch gewesen, die die Richter in dieser Sache angerufen und gefordert hatte, dass das Tötungsverbot wieder aufgehoben wird.

09.08.2019, Spanien, Palma De Mallorca: Der Torero Morante de la Puebla hält in der Arena sein Schwert, um einen Stier zu töten. Foto: Atienza/AP/dpa

Mit Mallorca fiel eine der letzten stierkampffreien Bastionen Spaniens. Schon 2016 hatte die Justiz ein in Katalonien seit 2010 geltendes Stierkampfverbot gekippt. Die Kanaren sind die einzige Region, in der noch eine Art Stierkampfverbot gilt. Auf den Atlantikinseln gibt es aber auch keine Tradition des Spektakels, kein Interesse. Die letzte Corrida fand dort 1984 statt.

Der Stierkampf ist in Spanien ein großes Geschäft. Allein die mehr als tausend Zuchtbetriebe mit rund 70.000 Mitarbeitern erwirtschaften jährlich rund 1,5 Milliarden Euro. Das Spektakel ist aber im ganzen Land zunehmend umstritten. Vor allem unter den Jüngeren verliert er immer mehr an Attraktivität.

Nach einer Umfrage des Onlinemagazins „El Español“ von Januar sind inzwischen rund 56 Prozent der Spanier gegen das aus dem Mittelalter stammende Brauchtum. Voriges Jahr forderten bei einer Demo in Madrid 40.000 ein landesweites Verbot.

Die Zuschauerzahlen sind stark rückläufig, 2018 ging die Zahl der Stierkämpfe im Vergleich zum Rekordjahr 2007 um rund 60 Prozent auf 369 zurück. Viele Arenen wurden deshalb in den vergangenen Jahren geschlossen oder wurden, wie in Barcelona, zu Einkaufszentren umfunktioniert.

Die Verfechter der „Tauromaquia“ denken aber nicht daran, das Handtuch zu werfen. Einige fordern sogar, den Stierkampf in Spanien zum Schulfach zu machen. „So kann man dem großen Problem des Generationenwechsels begegnen“, sagte vor einiger Zeit der angesehene Universitätsprofessor und Jurist Javier López-Galiacho. (dpa)

40 Antworten auf “„Olés“, Wut und viel Blut: Das Comeback der Matadoren auf Mallorca – Stierkampfverbot aufgehoben”

  1. Absolut widerlich.
    Gehört abgeschafft.
    Ohne Mitleid für die Menschen die dort verletzt werden.
    Und ja wer dies anschaut oder das auch nur irgendwie interessant findet ist ebenso abartig und niveaulos.

  2. RaymondW

    Ich war schon sehr erleichtert, als es vor 2 Jahren hieß, „auf Mallorca keine Stierkämpfe mehr“. Es ist eine Schande, dass die Richter diese Entscheidung revidiert haben!! Eine Tradition auf die niemand stolz sein sollte!

    • Pensionierter Bauer

      Hier bin ich für einmal mit Ihnen einverstanden Herr Georg Cremer, aber das Bekämpfen von der Hypodrom auf der Eupener Kirmes fand ich schon total übertrieben seitens Ihrer Organisation. Auch das was der Herr von GAIA auf dem Anderlechter Viehmarkt sZt. veranstaltete war total übertrieben und hat uns Bauern total geschadet. Die Folge dieser Aktionen war, dass Tiere die nicht mehr eigenständig laufen können,wie zB. bei Arthrose oder Knochenbrüchen, deren Fleisch aber ohne weiteres voll genießbar wäre, jetzt auf unseren Höfen eingeschläfert werden müssen.
      Ich habe wirklich nichts gegen einen vernünftigen Tierschutz aber die Kirche muss auch hier in der Mitte des Dorfes bleiben.

      • Georg Kremer

        Als ehemaliger Landwirt müssten Sie doch eigentlich wissen, dass die skandalösen Zustände auf den Viehmärkten von Anderlecht und Ciney, die GAIA in 2002 zu Recht anpragerte alles andere als übertrieben waren und „den Bauern“ keineswegs geschadet haben. Geschadet haben sie höchstens dem Ansehens Belgiens, denn auch international gab es damals einen Sturm der Entrüstung. In der Folge hat die Regierung Maßnahmen beschlossen, um die Methoden auf den Viehmärkten abzustellen.

        Mit der „Bekämpfung des Hypodroms“ meinen Sie wahrscheinlich das Aus für das Ponykarussell auf der Eupener Kirmes. Die Stadt hat damals einer Entscheidung der Wallonischen Regierung vorgegriffen, denn ab dem 1. Januar 2023 gilt das Verbot für die ganze Wallonie wie auch für Brüssel.

        Übrigens hat das Wallonische Parlament hat im Oktober letzten Jahres quasi einstimmig das neue Wallonische Tierschutzgesetz verabschiedet. So viel zum Thema „vernünftiger Tierschutz“. Bei Interesse kann ich Sie gerne über Einzelheiten informieren.

  3. Eine schöne Tradition die auf jeden Fall weitergeführt gehört. Als ob man sich von ein paar vermurksten Geistern, die sich über sowas aufregen aber nicht mehr imstande sind sich vernünftig um Ihre Alten zu kümmern, davon abhalten lassen würde.

    • Nur so eine Frage

      @Stier

      Wären Sie so freundlich, Ihre Behauptung, nämlich:

      „Leute, die Stierkampf abartig finden, behandeln ihre Alten schlecht.“

      mit Quellen (statistischer oder sonst welcher Natur) zu belegen? Danke.

  4. Bemerkenswert

    Bemerkenswert: Einige Kommentatoren haben keinerlei Probleme, das Absaufen von Flüchtlingen zu bejubeln, aber den „armen Stier“ zu bedauern und mentale Mahnwachen und Lichterketten zu organisieren.

    Um es klar zu sagen: Wenn der Stier danach verwurstet wird, ist das Kulturgut Stierkampf 100 % ok.

  5. Nur so eine Frage

    Würde mal gerne von unseren üblichen Doppelmoralaposteln Folgendes erfahren: wenn eine mit unnötigen Qualen verbundene Tötungsart dadurch gerechtfertigt werden kann, dass das Fleisch des getöteten Tieres verzehrt wird, gilt diese Rechtfertigung dann auch für rituelle Schlachtungen gewisser Religionen?

    • Nur so eine Frage

      Ich sehe schon: keine Antwort. Wieso scheint meine Frage so peinlich zu sein?
      Ach ja, ich vergaß: in einem Fall sind es ja die „guten“ frommen christlichen Spanier; im anderen Fall jedoch…

      • Guido Scholzen

        sie haben vollkommen recht, es handelt sich hierbei um eine frage der kultur.

        die spanier haben bis dato eine kulturelle rituelle schlachtung, da wo die spanier leben.
        die muslime haben bis dato eine kulturelle rituelle schlachtung, da wo die muslime leben.

        wo es nicht erwünscht ist, sollte man es auch nicht vollführen.
        wöllten sie einen spanischen stierkampf in brüssel oder antwerpen sehen?
        oder ist eine orientalische schächtung in lüttich angenehmer?

        • Nur so eine Frage

          Dann sind Sie in Ihren Ansichten schonmal konsequent.

          Wo hört das allerdings bloß auf? Soll man z.B. auch Kannibalismus billigen, in Gegenden wo es zu den örtlichen „Stammestraditionen“ gehört?

          • Guido Scholzen

            das ist ne gute frage.
            das nennt man ’selbstbestimmungsrecht der völker.‘
            aber bei kannibalismus ist die betreffende person schon tot, und wird nicht noch rituell gefoltert und abgemurkst.
            vielleicht sollten wir besser greta fragen. dieses orakel weiss vieles, dann auch das. mit kannibalismus gibt es weinger menschen auf der erde, also ist das gut fürs klima. :-)

    • nur so eine Frage

      Stimmt, ideal sind diese beiden Arten, seine Nahrung zu töten, mit Sicherheit nicht (angenommen, es handelt sich überhaupt um Nahrung).
      Aber mit Stierkampf ist auch das immer noch nicht zu vergleichen…

  6. Hans Eichelberg

    Es handelt sich um Spanisches Kulturgut.
    Warum mischen sich da die Mitteleuropäer ein?
    Sind die nicht genügend ausgelastet mit Klimawandel, Überbevölkerung, Feinstaubplaketten, Energiewende, Beflaggung von NGO-Schiffen, Überbevölkerung, Hungersnöten, die Deutschen mit Weltklimarettung etc.?

  7. manche „Traditionen“ sind einfach nur zum kotzen…hoffentlich werden diese Idioten aufgespiesst und die Zuschauer gleich mit – Francis Cabrel hat das Leid der Tiere beschrieben in seinem Lied „La Corrida“; sollte man sich mal anhören, besonders die Tierhasser hier

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