Kultur

Mit Hubert Jenniges verliert der BRF einen seiner Pioniere

Dieses Bild entstand in den 60er Jahren in Brüssel: Hubert Jenniges (2.v.r.) mit Martha Riffon, Peter Moutschen, Rose-Anne Demaret und Irene Janetzky (von links). Alle Fotos: Buch 60 Jahre Belgischer Rundfunk

Im Alter von 77 Jahren ist am Freitag der langjährige BRF-Redakteur Hubert Jenniges in einer Genter Klinik verstorben. Mit ihm verliert der Belgische Rundfunk einen seiner Pioniere. Mehr als vier Jahrzehnte prägte Jenniges maßgeblich die Entwicklung des BRF. „Ostbelgien Direkt“ lässt einige seiner früheren Kollegen zu Wort kommen.

Der in Afst bei Manderfeld geborene Historiker und Romanist war von 1977, als der BRF nach Eupen zog, bis zu seiner Pensionierung Studioleiter in Brüssel. “Hubert Jenniges blieb seiner Heimat stets eng verbunden – unter anderem durch sein sachkundiges Engagement im Geschichtsverein ‘Zwischen Venn und Schneifel’, dessen Ehrenpräsident er zuletzt war”, hieß es in einer BRF-Meldung am Wochenende.

Seinem Wunsch entsprechend wird der Verstorbene in St.Vith beigesetzt. Auf „Ostbelgien Direkt“ rufen Hans Engels, Freddy Derwahl und Rudi Klinkenberg das Wirken und die Persönlichkeit ihres früheren Kollegen in Erinnerung.

Ein korrekter und konsequenter Journalist

Jenniges Moutschen NEU

Hubert Jenniges (rechts) mit dem ehemaligen BRF-Direktor Peter Moutschen.

Hans Engels, früherer BRF-Redakteur und BRF-Direktor: „Hubert Jenniges war einer der letzten großen Journalisten, die sich intensiv mit der belgischen Politik auseinandergesetzt haben. Er war sehr heimatverbunden. Er lebte zwar seit vielen Jahren mit seiner Frau in Kraainem, kam aber immer wieder nach Ostbelgien zurück, zur Andler Mühle. Hubert Jenniges war sehr stark im Bereich Heimatgeschichte engagiert, nicht zuletzt als Präsident des Geschichtsvereins ‚Zwischen Venn und Schneifel‘ (ZVS).

Ferner meinte Hans Engels: „Als Leiter des BRF-Studios Brüssel war er ein korrekter und konsequenter Journalist, vor allem aber auch ein guter Freund. Er hat seinen jüngeren Kollegen viel beigebracht, insbesondere was die Sorgfalt und Präzision betraf. Ich würde auch sagen, dass Hubert Jenniges eine Reihe von Entwicklungen in Ostbelgien mit beeinflusst hat, denn er hatte einen sehr guten Draht zum früheren Premierminister Leo Tindemans. Wenn Tindemans etwas über Ostbelgien wissen wollte, war Hubert Jenniges sein erster Ansprechpartner. Politisch war Jenniges, würde ich sagen, ein ‚Autonomist avant la lettre‘.“

Auf demütige Weise kompetent

Jenniges Kollegen Brüssel

Brüssel, August 1969: Hubert Jenniges (oben, 2.v.l.). Vordere Reihe seine Frau Mieke Jenniges (2.v.r.).

Freddy Derwahl, ehemaliger BRF-Journalist: „Obwohl still und leise, war Hubert Jenniges einer der Großen des Belgischen Rundfunks. Weshalb? Er war auf demütige Weise kompetent. Er verstand es, die weite Welt mit der Kapelle in Krewinkel zu verbinden. Geschichte war für ihn unverzichtbarer Tiefgang für den Zeitgeist. Obwohl politisch zunächst nicht einer Meinung, blieb er stets ein fairer Kollege, ein echter Gentleman. Als es schlecht um ihn stand, ist unsere Freundschaft noch enger geworden. Wir haben Briefe und Gedichte ausgetauscht. Ich werde alles aufbewahren. Er fehlt. Ich bin traurig.“

In all den Jahren nie den Chef herausgekehrt

Rudi Klinkenberg, früherer Kollege von Hubert Jenniges im BRF-Studio Brüssel: „Zunächst möchte ich sagen, dass die Meldung vom Tod meines früheren Kollegen für mich total überraschend kam und mich vielleicht auch deshalb besonders stark getroffen hat. Immerhin waren wir mehr als 25 Jahre lang Kollegen in der BRF-Redaktion Brüssel. Genau gesagt, war Hubert Jenniges ja mein Chef, denn er war ja Leiter der Brüsseler Redaktion, aber er hat in all den Jahren nie den Chef herausgekehrt, sondern sich immer kollegial verhalten. Wenn es Dinge zu entscheiden gab, hatte er zwar das letzte Wort, aber ich kann mich nicht erinnern, dass er je versucht hätte, der Redaktion seine Entscheidung aufzuzwingen.“

Ein fast enzyklopädisches Wissen

Nicht nur deswegen wird Hubert Jenniges seinem Kollegen Rudi Klinkenberg in Erinnerung bleiben: „Er war nicht zuletzt auch ein Mann, auf den man sich verlassen konnte. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als von vielen Sinn und Zweck der Brüsseler BRF-Redaktion in Frage gestellt wurde. Diesem Ansinnen hat er sich mit Argumenten widersetzt, deren Pertinenz viele erst viel später eingesehen haben.“

Jenniges Thomas derwahl engels NEU

Kollegen von Hubert Jenniges (v.l.n.r.): Peter Thomas, Freddy Derwahl und Hans Engels.

Erwähnen möchte Rudi Klinkenberg ebenfalls das eher zurückhaltende Wesen seines verstorbenen Kollegen: „Er hat sich nie in den Vordergrund gedrängt, obwohl er insbesondere hinsichtlich der Geschichte Ostbelgiens über ein fast enzyklopädisches Wissen verfügte. Obwohl sich seine ganze berufliche Laufbahn in der Brüsseler Inlandsredaktion abgespielt hat, hat er sich nie von seiner ostbelgischen Heimat abgewandt. Im Gegenteil, er hat immer darauf geachtet, dass Ereignisse, die aus Ostbelgien nach Brüssel hineinspielten, z.B. ins Parlament oder in den Ministerrat, von der Brüsseler Redaktion ausführlich wahrgenommen wurden, u.a. durch zahlreiche Interviews mit den wichtigsten Protagonisten.“

Ostbelgien seine große Leidenschaft

Wie schon Hans Engels, erinnert auch Rudi Klinkenberg an den engen Kontakt zwischen Hubert Jenniges und Ex-Premier Leo Tindemans: „Zu Tindemans hatte Hubert Jenniges einen besonders guten Draht. So entstand nicht nur bei mir der Eindruck, dass der verstorbene Kollege die Politik in der und für die DG nicht nur journalistisch begleitet, sondern in gewisser Hinsicht auch beeinflusst hat. Tatsache ist, dass Ostbelgien immer seine große Leidenschaft geblieben ist.“ (cre)

Eine Antwort auf “Mit Hubert Jenniges verliert der BRF einen seiner Pioniere”

  1. Beobachter

    Journalisten des damaligen Südwestfunks, mit denen der BHF im zusammenwachsenden Europa der siebziger Jahre zahlreiche kollegiale Kontakte unterhielt, verpassten Hubert Jenniges mit sympathisierender Ironie den Spitznamen „Der Prälat“. Dahinter steckte mehr, als man zunächst hätte annehmen können. Hubert Jenniges kam nicht nur in seinem äußeren Erscheinungsbild, seinem Habitus, seiner leicht gebückten Haltung einem Würdenträger der Kirche nahe, ein meist verschmitztes Lächeln lag auf seinen Lippen, das Bonhomie und Freundlichkeit ausstrahlte, vor allem aber nahm er seinen Auftrag im Dienst der Deutschsprachigen Gemeinschaft als geradezu religiöse Aufgabe wahr. Als Hubert Jenniges Mitte 1969 als ständiges Personalmitglied die kleine Mannschaft des BHF verstärkte, besaß er schon eine jahrelange Erfahrung als freier Mitarbeiter des Brüsseler Senders. Zwei junge Kollegen, an den Universitäten vollgesogen mit den erneuernden Ideen der 68er Revolte, nahmen zusammen mit ihm ihren Dienst auf. Es lag nahe, dass sie in einem Funkhaus, in dem es schon als Provokation verstanden wurde, wenn man sich auf Deutsch am Telefon meldete, für frischen Wind sorgen wollten. Flamen und Wallonen taten gerade die ersten entscheidenden Schritte zu ihrer Kulturautonomie. Da war es nicht verwunderlich, dass der BHF entsprechende Forderungen und Entscheidungen in Ostbelgien publizistisch begleitete. Das ließ sich auch nicht durch die von dem Journalisten Kurt Grünebaum eingeflüsterten parlamentarischen Anfragen der Vervierser Abgeordneten Frau Coppé-Gerbinet verhindern. Grünebaum war als Flüchtling vor dem Zugriff der NS-Schergen besonders misstrauisch, wenn es um Autonomieforderungen für die Deutschsprachigen ging, auch wenn er sich immer wieder für deren sprachlichen Sonderstatus einsetzte. Schließlich wurden die „jungen Leute“ vor den Beratenden Kulturausschuss, den Vorläufer des BRF-Verwaltungsrats, zitiert. Da sie sich uneinsichtig zeigten, rief der Präsident des Ausschusses den erfahreneren Hubert Jenniges als „weisen Begutachter“ auf. Sein Urteil: „ Ich hätte genauso gehandelt!“ kam mit vernichtender Wirkung im Saal an. Es wurde still, die Vorwürfe verliefen zunächst im Sande, auch wenn einer der „jungen Wilden“ nach seinem Probejahr entlassen wurde und eine neue Karriere im Europäischen Ministerrat begann. Der andere folgte ihm übrigens mit gehörigem Abstand ebenfalls zur EU. Nachdem im Oktober 1975 das Eupener BRF-Studio eröffnet worden war, blieb Hubert Jenniges als Leiter des Brüsseler Studios in der Hauptstadt zurück. Dort nutzte er seine Kontakte zur Politik auf Landesebene, um an die Belange der Deutschsprachigen zu erinnern und das politische Geschehen in Brüssel durch die Brille eines deutschsprachigen Bürgers zu betrachten. Von Brüssel aus ließ er den Kontakt zu seiner ostbelgischen Heimat nicht abreißen. Seine aktive Mitgliedschaft im Geschichtsverein „Zwischen Venn und Schneifel“ gab dem Hobby-Historiker immer wieder Anlass, sich in die lokale Geschichtsschreibung zu vertiefen. Ein Wochenendhaus im oberen Ourtal erleichterte ihm die Pflege dieser Kontakte. Hubert Jenniges hat sich – und das ist in diesem Fall keine Floskel – um das deutschsprachige Ostbelgien verdient gemacht. Sein Wirken hat bleibende Früchte gebracht. R.I.P.

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