AKTUALISIERT – 19.000 Fans haben dem früheren Handball-Weltmeister Joachim Deckarm in der Halbzeitpause des WM-Hauptrundenspiels Deutschland gegen Island zum 65. Geburtstag gratuliert. Die Zuschauer in der Kölner Arena stimmten am Samstagabend gemeinsam den Song „Happy Birthday“ an und feierten den Jubilar.
Joachim Deckarm galt als bester Handballer der Welt, als sich sein Leben vor 40 Jahren – am 30. März 1979 – schlagartig änderte. Die Bilder von seinem schrecklichen Sportunfall in der 23. Spielminute des Europapokalspiels des VfL Gummersbach in Tatabánya, Ungarn, sind auch vielen ostbelgischen Handballfans in Erinnerung geblieben.
Bei einem schnellen Gegenstoß knallte der damals 25-jährige Rückraumspieler nach einem unglücklichen Zusammenstoß mit Lajos Pánovics mit dem Kopf auf den Betonboden. Die Folge: ein doppelter Schädelbasisbruch, ein Gehirnhautriss und schwere Gehirnquetschungen.
Im Bruchteil einer Sekunde war das gewohnte Leben vorbei. 131 Tage lag Deckarm im Koma. Als er aufwachte, musste er praktisch alles von neuem erlernen. Seinem Gegenspieler hat der begnadete Techniker dennoch nie einen Vorwurf gemacht.
Im Gegenteil: „Wir beide wissen, dass der Zusammenprall keine absichtliche Aktion war. Dennoch hat ihn das Unglück seelisch tief getroffen“, sagte Deckarm einmal in einem Interview des Magazins „Handball Inside“.
Viele Jahre lang lebte Deckarm in Saarbrücken – erst im Elternhaus bei seiner Mutter, nach deren Tod dann in einer Betreuungseinrichtung. Seinen Lebensmut hat er durch den Schicksalsschlag aber nicht verloren. „Depressionen habe ich nie gehabt“, erklärte Deckarm einmal. Sein Lebensmotto lautete stets: „Ich will, ich kann, ich muss.“
Dieser Kampfgeist hat den ehemaligen Handball-Nationaltrainer Heiner Brand im zweiten Leben von Deckarm am meisten beeindruckt. „Er hat nie nachgelassen“, sagte der Weltmeister-Trainer von 2007. Im ersten Leben seines Freundes habe ihn begeistert, „wie er sich als Star verhalten hat. Er hatte immer großen Respekt vor seinen Mitspielern. Das ist nicht gewöhnlich bei Spielern mit besonderen Fähigkeiten“, lobte Brand.
Mit dem VfL Gummersbach wurde Deckarm dreimal deutscher Meister und zweimal Europacupsieger. In 104 Länderspielen warf er 381 Tore. Höhepunkt seiner viel zu kurzen Laufbahn war der WM-Triumph 1978 in Dänemark, der längst zum Mythos im deutschen Sport geworden ist.
“Mir war sehr schnell klar, dass wir etwas Großes erreicht hatten“, sagte Deckarm einmal über seinen größten Erfolg. 2013 wurde er in die „Hall of Fame“ des deutschen Sports aufgenommen.
Vor etwa vier Monaten ist Deckarm nach Gummersbach in ein Seniorenheim umgezogen. „Er benötigt eine intensive Betreuung, die war in Saarbrücken nicht mehr gegeben“, begründete Brand den Ortswechsel. Längst kann sich Deckarm nur noch im Rollstuhl fortbewegen, denn der körperliche Altersprozess schreite bei ihm aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen schneller voran, so Brand.
Dennoch hat der Jubilar weiter Freude am Leben. „Wir haben viel Spaß zusammen“, berichtete Brand von seinen regelmäßigen Besuchen. „Er lacht sehr viel.“ Das war auch am Samstag der Fall – erst bei einem Empfang am Vormittag in kleiner Runde und dann am Abend bei der großen Geburtstagsparty in der Kölner Arena. (dpa)