Gesellschaft

Der Fall Galeria Karstadt Kaufhof: Vom Konsumtempel zum Problemfall – Der Niedergang der Warenhäuser

06.11.2018, Nordrhein-Westfalen, Aachen: Schriftzug „Galeria Kaufhof“ an der Niederlassung in der Aachener Adalbertstraße. Foto: Shutterstock

AKTUALISIERT – Noch vor wenigen Jahrzehnten dominierten die Konsumtempel der großen Warenhäuser die deutschen Innenstädte. Dann blieben immer mehr Kunden weg. Stattdessen kamen schillernde Investoren.

Wie viele Leben hat eine Warenhauskette? Die Frage drängt sich auf, wenn man das Schicksal des letzten großen deutschen Kaufhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof verfolgt. Zum zweiten Mal innerhalb von weniger als zwei Jahren musste der Handelsriese am Montag den Weg zum Insolvenzgericht antreten und Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen. Daran konnten auch Staatshilfen von rund 680 Millionen Euro nichts ändern.

Es ist ein weiterer Tiefpunkt in dem seit rund vier Jahrzehnten andauernden Niedergang der Warenhäuser. Ihre Blütezeit erlebten die Filialen in den 70er Jahren, als sie dem Fachmagazin „Textilwirtschaft“ zufolge einen Marktanteil von etwa 15 Prozent eroberten. Vier große Ketten warben damals um die Gunst der Kunden: Karstadt, Kaufhof, Horten und Hertie.

27.01.2021, Nordrhein-Westfalen, Köln: Eine Frau geht mit Regenschirm an einer geschlossenen Kaufhof Filiale vorbei. Foto: Oliver Berg/dpa

Doch dann sorgten neue Konkurrenten wie innerstädtische Einkaufszentren, Shopping-Center auf der grünen Wiese, spezialisierte Filial- und Fachmarktketten und später auch der Onlinehandel für ein Ende des Höhenfluges der „Alles-unter-einem-Dach-Anbieter“.

Die Marktanteile schrumpften, und die ersten Anbieter verschwanden vom Markt. Im November 1993 schluckte Karstadt Hertie. Fast zeitgleich übernahm Kaufhof Horten. Die Marktbereinigung brachte nur vorübergehend Erleichterung.

Vor allem Karstadt geriet nach der Jahrtausendwende immer tiefer in die Krise. 2009 musste der Mutterkonzern Arcandor Insolvenz anmelden, und das Überleben der Tochter Karstadt hing an einem seidenen Faden.

Als Retter in letzter Minute erschien damals der Privatinvestor Nicolas Berggruen und kaufte die Warenhaus-Tochter aus der Insolvenz heraus. Es war ein ungewöhnlicher Investor: ein Milliardär ohne eigene Wohnung, der in Hotels und seinem Flugzeug lebte und es anscheinend verstand, Geldverdienen und gute Taten unter einen Hut zu bringen. Von Karstadt-Beschäftigten wurde er anfangs regelrecht bejubelt.

Doch bekam das Bild vom Wohltäter bald Risse. Denn dem Unternehmer gelang es nicht, den Konzern aus den roten Zahlen zu holen. Im Gegenteil: Eine verfehlte Marketing-Strategie vergraulte etliche Stammkunden. Vier Jahre später zog Berggruen die Notbremse und verkaufte die Kette weiter.

02.03.2020, Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: René Benko, österreichischer Immobilien-Unternehmer, unterhält sich beim Ständehaus-Treff der Rheinischen Post. Foto: Marcel Kusch/dpa

Auftritt René Benko: Der Tiroler Milliardär, einer der schillerndsten Unternehmer Österreichs, hatte es mit Immobiliengeschäften geschafft, trotz seines Schulabbruchs zu einem der reichsten Männer der Alpenrepublik zu werden. Plötzlich wurde er auch zu einem der wichtigsten Spieler im deutschen Einzelhandel.

Schnell wurde klar, dass es Benkos Ziel war, durch die Fusion von Karstadt mit dem letzten verbliebenen Rivalen Kaufhof eine deutsche Warenhaus AG zu formen. Ein erster Anlauf scheiterte 2015. Doch Ende 2018 schlug mit dem Zusammenschluss von Karstadt und Kaufhof Benkos große Stunde. Seit Mitte 2019 hat er nach dem Ausstieg des Kaufhof-Eigentümers Hudson Bay beim letzten großen deutschen Handelskonzern alleine das Sagen.

Der Zeitpunkt hätte für Benko kaum schlechter sein können. Neun Monate nachdem er den Handelsriesen komplett unter seine Kontrolle brachte, durchkreuzte die Pandemie alle ehrgeizigen Pläne. Während des ersten Corona-Lockdowns im April 2020 musste das Unternehmen Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen.

Damit verbunden waren harte Einschnitte: Die Schließung von rund 40 Filialen, der Abbau von etwa 4.000 Stellen und die Streichung von mehr als zwei Milliarden Euro Schulden sollte dem Unternehmen einen Neustart ermöglichen. Die Hoffnung, dass der Konzern von vielen Altlasten befreit erfolgreich durchstarten könnte, erfüllte sich nicht. Obwohl das Unternehmen zwischenzeitlich Staatshilfen von 680 Millionen Euro erhielt, musste es in dieser Woche erneut Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen.

Nun sollen mindestens ein Drittel der verbliebenen 131 Warenhäuser geschlossen werden, um den Rest des Konzerns überlebensfähig zu machen, wie Galeria-Chef Miguel Müllenbach in einem „FAZ“-Interview ankündigte.

25.10.2022, Nordrhein-Westfalen, Köln: Blick auf das neue Logo des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof an einer Filiale. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Galeria-Eigentümer Benko mied in der aktuellen Krise bisher das Licht der Öffentlichkeit, obwohl immer wieder die Forderung laut wurde, er solle mit eigenen Mitteln dem taumelenden Riesen unter die Arme greifen. Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger kritisiert: „Unsere Kolleginnen und Kollegen in den 131 Warenhäusern fragen sich, wo der Eigentümer ist in dieser existenziell höchst bedrohlichen Situation für 17 400 Menschen und ihre Familien.“

Doch hat Benko in seiner Heimat Österreich mit anderen Problemen zu kämpfen. Mitte Oktober fand eine Durchsuchung in seiner Signa-Holding statt. Der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zufolge besteht der Verdacht, dass er einem Spitzenbeamten im Finanzministerium einen Posten bei Signa angeboten haben soll, um eine Steuerprüfung zu beeinflussen.

Außerdem beginnt Anfang November in Wien ein Prozess um angebliche Spenden von Immobilienunternehmern an den wohltätigen Verein eines Wiener Gemeinderates, der dafür Hilfe bei Immobilienprojekten in Aussicht gestellt haben soll. Benko und andere sind wegen Bestechung angeklagt. Für Benko gilt im Zusammenhang mit den Finanzvorwürfen und dem Spendenprozess die Unschuldsvermutung. Der Sprecher der Signa-Holding reagierte nicht auf Anfragen der Deutschen Presse-Agentur.

So bleibt es in der Krise Galeria-Chef Müllenbach überlassen, den Mitarbeitern Mut zuzusprechen. In einem Brief an sie versprach er am Montag, der Konzern werde weiter eine wesentliche Funktion für die deutschen Innenstädte wahrnehmen. „Galeria ist zukunftsfähig.“ (dpa)

16 Antworten auf “Der Fall Galeria Karstadt Kaufhof: Vom Konsumtempel zum Problemfall – Der Niedergang der Warenhäuser”

  1. Alle Jahre wieder !
    Dieses Thema kommt gefühlt jedes Jahr zurück.
    Vielleicht doch mal nicht immer Steuergelder für die Rettung von diesem kranken Laden vorsehen, die Kette für Konkurs erklären und den Arbeitern 1 Jahresgehalt bedingungslos ausbezahlen als Übergangslösung.
    Filialen (Ladenflächen) verkaufen und so die Schulden so gut es geht ausbezahlen.
    Wäre für alle besser !

  2. delegierter

    habe vor Jahren eine Doku gesehen als Karstadt übernommen wurde. Die Miete für die Häuser wird zB. über ein Geflecht von Firmen, Scheinfirmen, Briefkastenfirmen, Banken und Versicherungen abgeschlossen und die sind weltweit verteilt, sogar auf Inseln die nur Banker kennen. Es war fast nicht zu verfolgen und forderte Monate lange Recherche.
    Natürlich wird hier auch Missmanagement betrieben und falsch eingekauft. Aber das wird nicht bestraft, es sind immer die Personalkosten, die zu hoch sind.
    Hat schon irgendwann mal einer der Manager und Verantwortlichen davon was zurückgegeben ?

  3. Genau vor einem Jahr wurde den „ungeimpften“ der Zutritt verweigert. Ohne Maske und „Piks“ kein Einkaufserlebnis. Dumm gelaufen, irgendwie. Und die anderen, Aquis Plaza und Co, stehen auch auf der Kippe….

    • Der 7. Sinn

      Das Problem lag nicht an der ungeimpfte Kundschaft, das Problem gab es Jahr vor Covid. Verlagerung der Fachgeschäfte ausserhalb der Städte, Internet Shopping. Kaufhof und Co kriegen sogar exklusive Lego Sets, die der kleine Händler nicht bekommt, damit man Leute in die Läden lockt. Kaufhof hat einfach gepennt die Jahre zuvor. Aquis Plaza sehe ich auch nicht als sterbendens Konzept, das unterstützt eher das Sterben vom Kaufhof und Co. Auch das Konzept vom Vor Ort kaufen in unserer Region seh ich kritisch, wo kriegt man von Eupen bis St Vith nicht überteuerte PC Hardware, sprich Grafikkarten zum Bespiel. Da guck ich doch lieber Richtung Aachen oder im Internet (noch nicht mal Amazon). Achja nochmals Covid hat nicht mit dem Sterben von Kaufhof zutun, immer dieses ja Covid ist alles schuld.

  4. Peter Müller

    Solche Einkaufstempel sind sowas von Kundenunfreudlich Soviel Menschen wie möglich auf einem Haufen zu bekommen um etwas zu verkaufen. Auf jeder Sitzgelegenheit sitzen Menschen, die sich nur aufwärmen wollen oder das Internetz den ganzen Tag nutzen. Das hat mit Einkaufsbummel nichts zu tun.. Ausserdem, ob du in Italien,Spanien oder Aachen, in solch einem Tempel gehst, überall die selben Geschäfte. Die kleinen Boutiquen gehen pleite, weil sie die Mieten nicht bezahlen können. da gehen so Städte wie Maastricht und auch Münster andere Wege. Da kann man von einem Schönen Einkaufsbummel und Tag sprechen.

  5. Die Häuser müssen ihm völlig überteuerte Mieten zahlen. Die werden aber nicht zur
    Konsolidierung eingesetzt sondern in seine andere Tasche gesteckt.
    Wenn sich das für die Filialen nicht mehr rentiert, soll der Steuerzahler einspringen.
    Geht`s noch??

  6. Vor Jahrzehnten lockten Kaufhäuser die Kunden aus dem Einzelhandel, heute geht’s einfacher und günstiger im Internet und wer wirklich Beratung braucht sucht doch das Fachgeschäft auf und nicht Massenabfertigung und Rolltreppencharme… zudem hat diese Kette eher mit deutschem Kaufladenambiente und mäßigem Kundenempfang als mit einer Ausstrahlung von Luxus und spektakulären Kauferlebnissen (à la Lafayette etc) zu tun. Schade für die Mitarbeiter aber dieses Konzept ist „vorbei“… bloß keine Subventionen dafür!

  7. Paul Siemons

    Jahrzehnte lang gehörte es für uns (meine Frau und mich) zum festen Wochenplan, samstags nach Aachen zu fahren und dort tüchtig Geld zu lassen. Für Einkäufe, Kaffee trinken, meist auch Essen. Das haben wir uns komplett abgewöhnt. Die Straßen- und Parksituation wurde immer autofeindlicher, die Bedienung und Beratung wird nur noch von unmotivierten Hilfsangestellten betrieben, der Gesichtswindelzwang kam als endgültiges Aus hinzu. „Knollen“ werden in Aachen inzwischen selbst da eingetrieben, wo es bisher undenkbar war (zum Beispiel auf dem Parkplatz am Westfriedhof für 5 Minuten ohne Parkscheibe) Was ich in Aachen fürs Parken abdrücken müsste, gebe ich lieber online für ein Buch oder einen schönen Wein aus. Mich sieht die Stadt nicht wieder. Das mag der grünen Regierung egal sein; dem Handel allerdings nicht, wie ich aus persönlichen Fragen von früheren Stammhändlern und -gastronomen weiß. Es tut mir sehr leid um einige von ihnen, aber sie sollen sich bei Rat und Verwaltung beschweren und nicht bei denen, die Aachen heute meiden und nicht mehr wie früher dort Geld ausgaben. Von Müslimann und -frau, die ihre Rucolablätter und Sojawürstchen per Lastenfahrrad einkaufen wollen, kann kein Handel leben. Also ab dafür.

    • @Paul vergessen Sie die Bettler nicht … in keiner Stadt der Region wird man so permanent, aggressiv und penetrant angebettelt an jeder Ecke und selbst auf Terrassen, wie in Aachen. Wie wär’s wenn Polizei und Ordnungsamt da mal eingreifen würde, statt Knöllchen- und Parkgebührenirrsinn der Stadt zu vollstrecken und Touristen wie Shopper zu vergraulen?

      • Paul Siemons

        @passé: Ich war, seitdem Grün in Aachen regiert, nicht mehr in der Stadt, daher kenne ich die Bettelei nicht aus persönlichen Erlebnissen, glaube das aber sofort. Ganz Deutschland (nein, nicht ganz Deutschland, nur die Menschen, die dort schon länger leben, arbeiten und mit ihren Steuern den ganzen Wahnsinn finanzieren) wird zu einem Millionenheer von Bettlern werden. Da geht noch eine Menge. Ansonsten werde ich einen Teufel tun, mich mit (ohnehin nutzlosen, da ungehörten) Ideen bezüglich der zahllosen, selbstverschuldeten Fallgruben daran zu beteiligen, Aachen vor dem Schlimmsten zu retten. Mir wird dieses Kaff nicht fehlen. Da bin ich ganz bei Heinrich Heine. Laut ihm betteln in Aachen die Hunde auf der Straße den Wanderer darum, ihnen tüchtig in den Hintern zu treten, das sei deutlich unterhaltsamer als der übliche Alltag in der Stadt. Deutlich, oder? Und dabei kannte Heine das Aachen von heute noch nicht einmal…

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