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Ein Test, der den Tod brachte: Mutter und Säugling vegiftet – Deutsche Behörden schließen Apotheken in Köln – Versehen oder Verbrechen?

24.09.2019, Nordrhein-Westfalen, Köln: Die Heilig-Geist Apotheke in Köln-Longerich. Bei der Untersuchung zweier Todesfälle, die auf ein Glukosemittel aus der Heilig-Geist Apotheke zurückgehen sollen, sind die Ermittler auf einen toxischen Stoff gestoßen. Eine junge Frau und ihr Kind, das Ärzte noch per Kaiserschnitt retten wollten, waren in der vergangenen Woche nach der Einnahme eines in der Kölner Apotheke hergestellten Glukosemittels gestorben. Foto: Marcel Kusch/dpa

Ein Routine-Test endet in Deutschland tödlich für eine junge Mutter und ihr Kind. Fest steht nun: Das Mittel, das eine Kölner Apotheke ihr aushändigte, enthielt einen giftigen Stoff. Ein tragisches Versehen – oder ein Verbrechen?

Am Donnerstag ordneten die Behörden die sofortige Schließung von drei Apotheken in Köln an. Es gehe um den vorbeugenden Gesundheitsschutz während der laufenden Ermittlungen, sagte ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministeriums.

Es hätte ein Routine-Test sein sollen – wie er jeden Tag in Deutschland etliche Male über die Bühne geht: Eine junge, schwangere Kölnerin besorgt sich das Glukose-Gemisch dafür in der Apotheke, löst es in Wasser auf und trinkt es.

Es ist ein Test, der versichern soll: Sie hat keinen Schwangerschaftsdiabetes, alles ist bestens. Aber dieses Ergebnis bekommt die Frau nicht mehr zu sehen. Der Test ist ihr Todesurteil.

Wenige Stunden, nachdem sie die Mischung zu sich genommen hat, liegt die 28-Jährige im Krankenhaus. Mit einem Notkaiserschnitt versuchen die Ärzte, wenigstens den Säugling zu retten. Doch jede Hilfe kommt zu spät. „Multiples Organversagen“, werden die Ermittler einige Tage später die Todesursache nennen.

24.09.2019, Nordrhein-Westfalen, Köln: Ulrich Bremer, Oberstaatsanwalt, beantwortet Fragen von Journalisten. Foto: Federico Gambarini/dpa

Die dramatischen Ereignisse, die sich bereits am Donnerstag zutrugen, stellen nicht nur die Ermittler vor Rätsel. „Ich bin fassungslos, ich kann es mir nicht erklären“, sagt der Apothekeninhaber Till Fuxius. Seit Jahren habe er seine Patienten bestens versorgt, nun ermittelt eine Mordkommission. Der entscheidende Hinweis kam von einem Arzt, nachdem zuvor bereits eine andere Patientin Probleme mit einer Mischung der Apotheke hatte und den Test rechtzeitig abbrach.

Tests dieser Art sind in Deutschland absoluter Standard: Sie werden von Ärzten empfohlen und von Krankenkassen bezahlt. Der Test sei für Frauen mit keinerlei Risiken verbunden, heißt es in einer Info-Broschüre des Gemeinsamen Bundesausschuss, einem wichtigen Gremium im deutschen Gesundheitswesen. Eine medizinische Standard-Prozedur, vor der niemand Angst zu haben braucht. Die Frauen trinken mit ärztlicher Begleitung das Gemisch, einige Stunden später bekommen sie Blut abgenommen – damit wird dann bestimmt, ob sie Schwangerschaftsdiabetes haben – oder nicht.

Dass ein solcher Test aus der Kölner Apotheke nun zwei Todesfälle verursacht hat, gilt als bewiesen. Nachdem die Rechtsmedizin die Frau obduziert und Behälter untersucht hat, steht am Montag um 15.37 Uhr fest: Es war Gift darin – „ein toxischer Stoff, den es zwar in Apotheken gibt, der aber in dem Gemisch rein gar nichts zu suchen hat“, wie Staatsanwalt Ulrich Bremer bei einer Pressekonferenz erklärt.

Wie das Gift dennoch hinein gelangen konnte, ist völlig offen. Weil weitere Glukose-Gemische im Umlauf sein könnten, gingen Stadt und Polizei am Montag mit dem Fall an die Öffentlichkeit. Man warnte davor, Mittel aus der betroffenen Apotheke einzunehmen. Diese selbst durfte vorerst nichts mehr verkaufen, was selbst gemischt oder abgefüllt werden muss.

Mit einem Notkaiserschnitt versuchen die Ärzte, wenigstens den Säugling zu retten. Doch jede Hilfe kommt zu spät. Illustrationsfoto: Daniel Karmann/dpa

Die Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren gegen Unbekannt eingeleitet. War Fahrlässigkeit schuld an der vergifteten Mischung, oder handelte jemand doch mit Vorsatz? „Das kann man in der Tat nicht ausschließen“, sagt der Kölner Staatsanwalt Ulrich Bremer.

An der Heilig-Geist-Apotheke in Köln-Longerich deutet am Dienstagmorgen nichts daraufhin, dass sie aktuell für Schlagzeilen sorgt. Kunden treten in die Apotheke ein und wieder heraus. Eine Werbetafel, auf der für eine Wundsalbe geworben wird, steht wie vermutlich jeden Tag vor der Tür. Kein Wort, kein Aushang, weist auf die Tragödie hin, die vermutlich hier ihren Anfang fand.

Der Taxifahrer Murat, sitzt ein paar Meter weiter in seinem Wagen und lässt regelmäßig Fahrgäste vor der angrenzenden Klinik heraus. In seinem Taxi war der Vorfall schon Thema: „Die Leute sind besorgt.“ Auch der 28-Jährige selbst ist es, denn seine Frau ist schwanger. „Unsere Frauenärztin hat uns heute Bescheid gegeben, schrecklich, was da passiert ist.“

Das findet auch die 22-jährige Pauline – was sie allerdings nicht davon abhalten würde, in der Apotheke einzukaufen. „Ich glaube, dass das überall passieren kann. Es wäre kein Grund für mich, nicht mehr hinzugehen.“ Die Studentin könne aber auch verstehen, wenn schwangere Frauen jetzt besonders vorsichtig seien. „So ein Fehler wird der Apotheke nicht noch mal unterlaufen. Aber was da genau passiert ist, weiß ich natürlich nicht.“ (dp)

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