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Alarmstimmung im Radsport nach dem Horror-Crash im Baskenland: „So kann es nicht mehr weitergehen“

20.03.2024, Belgien, De Panne: Der Belgier Liam Slock von Lotto Dstny sitzt nach einem Sturz am Boden. Foto: Laurie Dieffembacq/Belga/dpa

AKTUALISIERT – Radstars wie Jonas Vingegaard und Remco Evenepoel brechen sich bei einem Massensturz die Knochen. Die Ursachen für den Unfall sind unklar, aber es gibt Erklärungsversuche.

Die Radstars Remco Evenepoel und Jonas Vingegaard sowie der Australier Jay Vine haben bei einem Massensturz während der Baskenland-Rundfahrt folgenschwere Knochenbrüche erlitten. Bei der Suche nach den Gründen gerät neben möglichen Straßenschäden auch die zunehmend aggressivere Fahrweise im Feld ins Visier.

Es würden wie im Fußball ganz, ganz junge Fahrer direkt aus den Juniorenklassen in die WorldTour kommen und wollten sich sofort beweisen, sagte der deutsche Radprofi Nils Politt im Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitag).

Der belgische Meister Remco Evenepoel hält sich nach dem Sturz das Schlüsselbein. Foto: Screenshot Eurosport

„Allgemein ist das Stresslevel deutlich höher. Die Rennen werden immer schneller und immer früher eröffnet“, sagte der 30-Jährige vom Team UAE vor dem Klassiker Paris-Roubaix am Sonntag über die generelle Entwicklung im Radsport.

Am Donnerstag waren bei der Baskenland-Rundfahrt zahlreiche Fahrer in einen Massensturz verwickelt. Der zweimalige Tour-de-France-Sieger Vingegaard aus Dänemark erlitt einen Schlüsselbeinbruch sowie mehrere Rippenbrüche. Belgiens Radstar Evenepoel zog sich neben einem Bruch des Schlüsselbeins eine Fraktur des Schulterblatts zu und muss operiert werden. Noch schlimmer erwischte es den Australier Jay Vine mit einem Halswirbelbruch und zwei Brüchen der Brustwirbelsäule.

Bis zum Donnerstagabend war die Ursache für den folgenschweren Unfall nicht geklärt. Dieses Jahr sei die Strecke besonders einfach gewesen, aber trotzdem habe es viele Stürze gegeben, sagte der spanische Tour-de-France-Etappensieger Pello Bilbao nach der Zielankunft. Dies sollte die Radfahrer zum Nachdenken bringen, da sie vielleicht diejenigen seien, die die Gefahr verursachten. „Wir müssen die Art und Weise, wie wir gegeneinander antreten, ein wenig überdenken“, erklärte der 34-Jährige.

Wout van Aert am Boden nach dem Massencrash bei „Quer durch Flandern“. Foto: Screenshot RTBF

Die Zeitung „Mundo Deportivo“ und der spanische Radprofi Mikel Bizkarra führten zudem mögliche Straßenschäden als Ursache für den verheerenden Unfall ins Feld. Es habe im Bereich der Kurve eine Rinne gegeben, schrieb die Zeitung.

Bizkarra, der im März die Katalonien-Rundfahrt gefahren war, verwies auf viele Baumwurzeln unter der Straße auf dieser Strecke, die nicht zu sehen seien. Man erkenne sie nicht auf den ersten Blick, und wenn man den Lenker nicht gut im Griff habe, sei es „leicht, in die Luft zu fliegen“, sagte der 34-Jährige „Diario AS“.

Nur rund eine Woche nach dem schweren Sturz des belgischen Stars Wout van Aert wurde der Radsport wieder von einem schlimmen Crash überschattet. Der Belgier hatte beim Halbklassiker „Quer durch Flandern“ Ende März mehrere Rippenbrüche und einen Schlüsselbeinbruch erlitten. Van Aert wird wochenlang ausfallen.

Dazu schockte ein Trainingsunfall des deutschen Hoffnungsträgers Lennard Kämna am Mittwoch auf Teneriffa das deutsche Bora-Team. Der 27 Jahre alte Bremer erlitt dabei zahlreiche Verletzungen, befinde sich aber in stabilem Zustand, hatte sein Rennstall mitgeteilt. «Er ist wach, ansprechbar und kann kommunizieren. (…) Er wird im Krankenhaus auf Teneriffa sehr gut versorgt und wird in den kommenden Tagen auf der Intensivstation überwacht. Mitglieder der Familie sowie des Teams sind bei ihm», hieß es weiter. Nach Angaben des deutschen Rennstalls habe ein entgegenkommendes Fahrzeug beim Abbiegen Kämna die Vorfahrt genommen.

06.04.2023, Frankreich, Roubaix: Ein mit Kopfstein gepflasterter Waldweg, die so genannte Schneise von Arenberg, glänzt im Regen während der Erkundung der Strecke vor dem diesjährigen Radrennen Paris-Roubaix. Foto: Dirk Waem/Belga/dpa

„Trop is te veel. Nach dem schweren Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt scheint vielen klar geworden zu sein: So kann es im Radsport nicht weitergehen“, schreibt die VRT auf ihrer Internetseite sporza.

Tatsache ist, dass die Stürze sich häufen und die Radprofis um ihr Leben bangen müssen. Im Frühsommer 2023 war der Schweizer Radprofi Gino Mäder vom Profi-Team Bahrain-Victorious nach einem Unfall gestorben. Der 26-Jährige war bei der Tour de Suisse ebenfalls in einer Abfahrt gestürzt und hatte dabei schwerste Verletzungen erlitten, denen er im Krankenhaus erlag.

An diesem Sonntag steht Paris-Roubaix, die „Hölle des Nordens“ auf dem Programm. Beim Radklassiker sind je nach Wetterlage Stürze kaum zu vermeiden. Berühmt und berüchtigt ist die Kopfsteinpflaster-Passage im Wald von Arenberg.

Aufgrund des schlechten Wetters in Nordfrankreich soll kurz vor dem gefürchteten Wald von Arenberg eine Schikane eingebaut werden. Mit dieser Maßnahme, die von der Fahrer-Vereinigung CPA gewünscht wurde, soll die Geschwindigkeit der Radprofis vor der schweren und gefährlichen Kopfsteinpflaster-Passage abgebremst werden.

Gewöhnlich fahren die Fahrer mit einer Geschwindigkeit von rund 60 km/h in den Pavé-Sektor, durch die Schikane könnte das Tempo auf gut 35 km/h reduziert werden. Allerdings drohen auch dann Stürze, wenn das Feld abrupt abgebremst wird, zumal kurz vor der Arenberg-Passage stets heftige Positionskämpfe im Feld stattfinden. Renndirektor Thierry Gouvenou hat Gespräche mit den lokalen Behörden zur Umsetzung aufgenommen.

Das Kopfsteinpflaster-Stück durch den Wald, wo sich Klassiker-König Johan Museeuw 1998 die Kniescheibe brach, ist 2,3 Kilometer lang und weist mit fünf Sternen den höchsten Schwierigkeitsgrad auf. (dpa/cre)

11 Antworten auf “Alarmstimmung im Radsport nach dem Horror-Crash im Baskenland: „So kann es nicht mehr weitergehen“”

  1. Eastwind

    Die sich häufenden schweren Stürze sind ein großes Problem im Radsport. Am Ende gewinnt der, der das Glück hat, schadlos das Rennen zu überstehen. Die besten Fahrer landen hingegen im Krankenhaus.

  2. Ostbelgien Direkt

    AKTUALISIERT – Remco Evenepoel leidet an einem Bruch des rechten Schlüsselbeins und des rechten Schulterblatts. Der belgische Meister wird am Freitag nach Belgien zurückkehren, wo er sich einer Operation am Schlüsselbein unterziehen und weitere Untersuchungen im Krankenhaus von Herentals durchführen wird. Sein Team, Soudal-Quick Step, gab dies am Donnerstagabend bekannt. Jonas Vingegaard hat bei seinem fürchterlichen Sturz keine lebensgefährlichen Verletzungen erlitten. Wie sein Rennstall Visma-Lease a Bike am Donnerstagabend mitteilte, zog sich der zweimalige Tour-de-France-Sieger einen Schlüsselbeinbruch und mehrere Rippenbrüche zu. Der 27-Jährige werde zur Sicherheit im Krankenhaus bleiben. „Es war ein schlimmer Unfall, aber glücklicherweise ist er stabil und bei Bewusstsein“, teilte sein Team via X, dem früheren Twitter, mit.

  3. Germano-Belgier

    Zu dem Bild: Der belgische Meister Remco Evenepoel hält sich nach dem Sturz das Schlüsselbein. Foto: Screenshot Eurosport
    Bei so einem Sturz kann einem schon mal das Herz in die Hose rutschen, aber das Schlüsselbein in die Bauchregion? Ich würde eher sagen: er hält sich die Rippen…
    BTT: gute Besserung!

  4. ERGO direkt...

    Die Sportkanäle die uns von Morgens bis Abends mit diesen inszenierten Sport-Evends meinen erfreuen zu müssen begrüssen bestimmt, dass auch ein bisschen Blut fliesst… Sorry aber wer sich freiwillig auf einen Drahtesel setzt und dann über Kopfsteinflaster, womöglich auch noch nasses, meint mit 50 km/h den Fighter zu geben, der und seine Macher ticken doch auch nicht richtig…
    Aber was machen die Werbekonzerne nicht alles um, auf Kosten anderer, viel Geld zu verdienen ! Was nochbesser ist als Blut, um viel Kohle zu schäffeln… Lasst die Typen/Typinnen nakt fahren !

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