Politik

Die Milliarden-Pandemie: Wenn Regierungen im Nu schwindelerregende Geldsummen hervorzaubern

Foto: Pixabay

Im September 2016 machte „Ostbelgien Direkt“ mit einem Artikel über das Defizit der föderalen Regierung des damaligen Premierministers Charles Michel (MR) auf. „4,2 Milliarden fehlen: Regierung Michel droht Haushaltsdesaster“ lautete der Titel.

Wir führten im Anschluss daran sogar eine Online-Umfrage durch. Die Frage lautete: „4,2 Milliarden Defizit, soll die Regierung Michel zurücktreten?“

Wohlgemerkt, es ging um 4,2 Milliarden! Rund 48 Prozent, also fast jeder zweite Teilnehmer, war der Meinung, dass die Regierung Michel zurücktreten müsse.

Dreieinhalb Jahre später würde man über so eine Summe fast schmunzeln, wenn die Umstände, mit denen wir heute fertig werden müssen, nicht so dramatisch wären. Jedenfalls scheinen in der Coronakrise 4,2 Milliarden Euro nur „peanuts“ zu sein.

Sophie Wilmès (r), Premierministerin von Belgien. Foto: Laurie Dieffembacq/BELGA/dpa

In Belgien gewährte die eigentlich abgewählte, inzwischen aber sogar mit Sondervollmachten ausgestattete föderale Regierung von Premierministerin Sophie Wilmès (MR) Ende letzter Woche zur Abfederung der Kollateralschäden der Coronavirus-Pandemie für die belgische Wirtschaft mal eben Bürgschaften in einem Gesamtvolumen von rund 50 Milliarden Euro.

In Deutschland stellte die Bundesregierung dreistellige Milliardenbeträge für Hilfsmaßnahmen bereit. In der Eurozone einigten sich die Finanzminister auf ein 500 Milliarden Euro schweres Rettungspaket, das Kredite für kleine wie auch mittelständische Unternehmen sowie in Schwierigkeiten geratene Staaten vorsieht.

Eine schwere Last für künftige Generationen

In den USA einigten sich Republikaner und Demokraten auf Hilfen in einem Gesamtvolumen von sage und schreibe zwei Billionen US-Dollar. Und all diese jetzt schon schwindelerregenden Summen werden wahrscheinlich nicht einmal ausreichen.

10.02.2020, Berlin: Journalist, Autor und Medienmanager Gabor Steingart. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Dazu schreibt der Journalist Gabor Steingart am Mittwoch in seinem „Morning Briefing“ wörtlich: „Die Staatsverschuldung dürfen wir uns wie eine weltweite Pandemie vorstellen. Sie breitet sich in hohem Tempo aus, hat Länder und Systemgrenzen überwunden und mittlerweile alle Industriestaaten infiziert. Der wichtigste Unterschied zur Corona-Pandemie ist dieser: Keiner bekämpft mit gleicher Leidenschaft die Staatsverschuldung.“

Laut Steingart ist das Gegenteil der Fall. Mit immer neuen Krediten versuchten sich die Staaten gegen den Kollaps ihrer Wirtschaft zu immunisieren. „Die Krise wird also dadurch bekämpft, dass man die nächst größere vorbereitet.“

„Wenn gegen Covid-19 längst ein Impfstoff gefunden sein wird, dürfte das Leiden der Menschheit an diesem Zukunftsverzehr immer spürbarer werden. Denn die epidemische Ausbreitung der Staatsschulden zerstört das Vertrauen in das Geldsystem, entwertet schließlich die angesparten Vermögen und bedeutet für künftige Generationen eine Last, die sie kaum werden tragen können“, so Steingart. (cre)

Nachfolgend der Beitrag des Journalisten Gabor Steingart:

17 Antworten auf “Die Milliarden-Pandemie: Wenn Regierungen im Nu schwindelerregende Geldsummen hervorzaubern”

  1. Es wird zu einem „Haircutt“ kommen, d.h. Bankguthaben werden ab einer Obergrenze einfach eingezogen, Staatsschulden nicht beglichen, Immobilien evt. mit einer Zwangshypothek belastet.
    Man muss nur nach Markus Krall googlen…

  2. Johann Klos

    Alles richtig. Der ganz große Knall wird kommen.

    Die Angst unserer Vorturner wirklich einmal vorbildliche Verantwortung zu übernehmen statt lieber die Ersatzgöttin “ Kapital “ zu beweihräuchern wird irgendwann nicht mehr aufrecht zu erhalten sein.
    Die dann folgende Rezession wird weltweit mehr Menschenleben fordern als alle Corona Krisen zusammen.

    • Marcel Scholzen eimerscheid

      Ich glaube kaum an den großen Knall. Sondern an zwei Möglichkeiten. Die eleganteste wäre eine große Inflation oder an eine internationale Übereinkunft bezüglich Staatsschulden. Ausnahmslos alle Wirtschaftsnationen sind hochverschuldet. Sitzen im gleichen Boot. Und da ist eine Einigung möglich. Ungefähr wie 1953 das Londoner Schuldenabkommen. Was wir heute erleben, ist nichts Neues. In Belgien hat es 1944 auch eine Währungsreform gegeben, die berühmte Operation Gutt. Die Welt ist auch nicht untergegangen. Was folgte war ein Wirtschaftswunder.

  3. Dann werden die künftigen Generationen eben lernen müssen, ihre Ansprüche herunterzufahren. Sie werden dann staunen, wie wenig der Mensch zum Leben wirklich braucht. Ich schätze mal, dass momentan 80 Prozent der Geldwirtschaft dem schnöden Mammon zugewendet wird. Sie werden dann merken, wie wenig es braucht, um glücklich zu sein. Und wer sich nicht mit weniger begnügen will, der muss dann eben den Bach runter gehen. Jetzt mal ehrlich: Das ganze Leben lang dem Geld hinterherrennen, das ist doch nicht der wirkliche Sinn des Lebens.

    • Wird seit 2000 Jahren gepredigt und die Realität war immer eine andere. Wird auch nach Corona nicht anders sein.
      Nach Golde drängt,
      Am Golde hängt
      Doch alles. Ach wir Armen!
      Johann Wolfgang von Goethe

  4. Ostbelgien Direkt

    Passend zum Thema „Milliarden-Pandemie“:

    Corona: Von der Leyen will Investitionsprogramm in Billionenhöhe

    Brüssel (dpa) – EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will europäische Investitionen in Billionenhöhe nach der Corona-Krise. «Wir sprechen hier nicht über Milliarden, wir sprechen über Billionen», sagte von der Leyen am Mittwoch in Brüssel. Das richtige Mittel für die «riesigen Investitionen» sei der EU-Haushalt.

    Von der Leyens Stellvertreter Valdis Dombrovskis hatte zuletzt bereits erkennen lassen, wie das finanziert werden soll: über Anleihen, die die EU-Kommission aufnehmen will und für die die EU-Staaten bürgen müssten. Ob und wie sich solche Anleihen von den umstrittenen Corona-Bonds unterscheiden, ließ Dombrovskis offen.

    Von der Leyen bestätigte das Prinzip: Geld aus dem EU-Budget mit Hilfe von Garantien der Mitgliedsstaaten zu «hebeln». Das sei ein bereits erprobtes Instrument, wenn auch noch nicht in der nun anvisierten Größenordnung, sagte die Kommissionschefin.

    Sie wies darauf hin, dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten schon jetzt drei Billionen Euro im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie mobilisiert und sich dafür stark verschuldet hätten. Doch sei sie mit EU-Ratspräsident Charles Michel davon überzeugt, dass mehr getan werden müsse.

    Michel kündigte an, die Höhe und Finanzierung der massiven Investitionen beim Videogipfel der Staats- und Regierungschefs kommende Woche besprechen zu wollen. Er betonte vor allem, wie wichtig die Wiederbelebung des EU-Binnenmarkts sei, der in der Krise gelitten habe. Der europäische Wirtschaftsraum müsse wieder gestärkt werden.

    • Walter Keutgen

      Meint Michel mit leidendem Binnenmarkt die Grenzschließungen? Um die Grenzen zu öffnen, braucht es kein Geld. Nicht der Merkt hat gelitten, sondern viele Kleinunternehmer. Sobald die Leute wieder nach draußen gehen können, lebt der Markt wieder auf. Oder wollen Michel und Konsorten die Internethändler auch noch subventionieren.

    • Walter Keutgen

      Ups, vergessen: Natürlich geht es Von der Leyen und Michel dabei um den schleichenden Ausbau des Bundesstaats EU. Denn was ist das Allerstaatlichste? Ein eigenes Budget, das nicht von den Beitrag zahlenden Mitgliedstaaten genehmigt wird, mit eigener EU-Verschuldung und eigenen EU-Steuern.

  5. Errate humanes Geäst

    Dank Corona zusätzliche (!) Finanzierungsorgien für Großunternehmen, die im letzten Jahr außerst fette Gewinne erzielten. Ein paar Beispiele:
    Adidas erhält 2,4 Mrd. Euro – Gewinn 2019 rund zwei Mrd. Euro.
    Tui wird mit knapp 2 Mrd. unterstützt – Gewinn 2019 ca. 893 Mio. Euro
    Milliarden für die Lufthansa Cargo – Gewinn 2019 von rund 1.3 Mrd. Euro
    Und das neben den Steuergeschenken von jährlich 170 Mrd. Euro dank Steueroasen.
    https://netzfrauen.org/2020/01/24/steuerflucht-2/?fbclid=IwAR2Lk1SYH93V1lzTw4bMuCaY_8Lr7sdw5dU819X6k5zQ3s8VT6WLTxSwd4U

    Ich denke, dass wir noch nicht einmal besonders klug sein müssen, um zu erkennen, dass die EU seit Jahrzehnten künstlich eine halbtote Ökonomie am Leben erhält, mit unseren Steuergeldern, damit sich ein paar Bonzen auf ihre Luxusinsel zurückziehen können. Verrückt.
    Bis zum 4. Mai bleiben die Deutschen erstmal in Einzelhaft, sagt die Kanzlerin gerade^^
    Und Frau von der Leyen rät den Deutschen schon mal davon ab, den Sommerurlaub zu buchen – bin gespannt, ob wir jemals unsere bürgerlichen Rechte zurück erhalten werden – bin skeptisch.

    • ProSecCo

      Korrekt. Das Thema ADIDAS habe ich auch gehört. 2,5 Milliarden Zuschuss. Für 60000 Mitarbeiter. Macht 41.000,00 pro Mitarbeiter. Wieso bekommen die anderen Betriebe diesen Zuschuss nicht ? Da gibt man 5.000,00 pro Betrieb mit viel Glück. DAS ist nicht gerecht !

        • Errate humanes Geäst

          Du machst mir ja Spaß, Kein Eupener, wer haftet denn für die Verbindlichkeiten der KfW, wenn nicht der Staat, ergo der Steuerzahler. Wie im Falle von Lehman Brothers gezeigt hat, kann die Kohle auch schnell mal futsch sein^^ Was wird beispielsweise mit TUI sein, wenn die Leutz nicht mehr reisen, dann gehen die Pleite und wer zahlt dann die Zeche? Genau, der Steuerzahler. Die Daimler AG wartet derzeit auch auf 10 Mrd. – Hossa^^
          Wenn Großunternehmen mit Milliardengewinnen die Kreditprogramme schröpfen, wird für die anderen wohl auch weniger übrigbleiben, so ganz nebenbei.
          Von den 600 Mrd. aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds sind 400 Mrd. für Bürgschaften vorgesehen, um Großunternehmen die Finanzierung am Kapitalmarkt zu erleichtern. 100 Mrd. für die KfW und 100 Mrd. für eine direkte Beteilung (!!!) des Staates an Unternehmen, die sich nicht aus eigener Kraft halten können.
          Angesichts der Weltwirtschaftskrise erscheint es mir wie blanker Hohn, ausgerechnet noch den Bonzen die Taschen vollzumachen, die den Karren erst vor die Wand gefahren haben.

          • Kein Eupener

            Mir ist schon klar, dass hinter der KfW der Staat steckt. Aber erstmal und im besten Fall ist es eben kein Zuschuss sondern ein Darlehen! Ein Zuschuss würde es erst bei Kreditausfällen.
            Aber Ihre Denkweise ist mir etwas zu kurzsichtig, denn erstens ist dies keine Krise, die die Konzerne verursacht haben und zweitens hängen an diesen Konzernen in der Summe Millionen von Arbeitskräften. Was geschieht denn wenn der Staat nicht einspringt und diese Riesen Konkurs sind, dann brechen dem Staat auf der anderen Seite eine Menge Steuereinnahmen (Lohnsteuer, Körperschaftsteuer, MWS, etc.) und Zahlungen in die Sozialkassen weg. Zudem wird der Staat dann zukünftig neben den wegfallenden EInnahmen noch stärker durch Ausgleichszahlungen in Form von Arbeitslosengeld, etc. belastet.
            Fakt ist zudem, dass diese Anleihen zur Zeit zu gewichtig sind, um sie am Kapitalmarkt zu plazieren. Zudem was passiert denn aktuell am Kapitalmarkt, die EZB kauft durch ihr QE doch eh massiv Anleihen auf, da haftet am Ende ebenfalls der Steuerzahler. Der Spruch den Bürgen sollst du würgen greift hier auch nicht, die Untersützung der Wirtschaft ist alternativlos.
            Die Taschen macht sich hier gerade auch kein Bonze voll, die Unternehmen sorgen für Ihr Fortbestehen vor, was derzeit ebenfalls alternativlos ist. Sie sollten sich mal solch einen komplexen Wirtschaftskreislauf etwas genauer anschauen, da sind nicht nur Großkonzerne in diesem Kreislauf, denn von diesem Fortbestehen hängen auch eine Vielzahl von Zulieferern, Subunternehmern, Vermietern und einfach Menschen ab, den blanken Hohn sehe ich somit keinswegs, wenn die Konzerne frühzeitig Vorsorge betreiben, dass diese auch noch in 2-3 Jahren auf dem Markt existieren.
            Zudem kann ich Ihnen versichern, dass gerade massiv Dividendenzahlungen gekürzt oder eingestampft werden, was gerade ebenfalls alternativlos ist, so dass die von Ihnen titulierten Bonzen auch Ihren Beitrag leisten. Wie gesagt, so einfach wie Sie das darstellen, ist dieses Thema keineswegs.

          • Kein Eupener

            Noch ein kleiner Nachtrag, was denken Sie denn, wo all die Kleinsparer bspw. Ihr Rentensparen angelegt haben. Sollen all die kleinen Bonzen also ebenfalls auf einen Teil Ihres Ersparten verzichten ;-)?

  6. delegierter

    @EhG
    @ProSecCo
    Das allerwichtigste ist, das der Aktienkurs Stabil bleibt. Sonst bekommen ja die Bosse ihre Gehälter und Bonis nicht.
    Das zB. die Adidas-Näherinnen in Pakistan und Bangladesch ihre 50 € /Monat für Lohnausfall erhalten, wage ich zu bezweifeln.

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