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Der „Do-it-Yourself-Sarg“: Basteln für den Tod

02.10.2019, Niedersachsen, Kirchlinteln: Kursleiter Henning Rutsatz (l), von der Bestattungsfirma "Abschied", legt mit einer Kursteilnehmerin zusammen den Deckel auf einen Sarg, in dem Teilnehmer Cord-Hinrich Blanke zur Probe liegt. Foto: Carmen Jaspersen/dpa

An Allerheiligen und Allerseelen schenken die Menschen dem Tod mehr Aufmerksamkeit. Man gedenkt der verstorbenen Angehörigen, macht sich je nach Alter aber auch schon Gedanken über den eigenen Tod. Der Umgang mit Tod und Sterben wird individueller. Dazu passt die Idee vom „Do-it-Yourself-Sarg“. In Sargbau-Seminaren lernt man, wie‘s geht.

Der Bau eines Sarges kann eine gesellige Sache sein. „Ich nehme den Akkuschrauber für Frauen“, sagt Elke Dykhoff. „Der andere ist schwerer.“ Sie schnappt sich das Gerät und dreht ein paar Schrauben in etwas, das aussieht wie eine Kiste aus Kiefernholz. Auch Gabriele Köhler und Cord-Hinrich Blanke werkeln mit. Nut und Feder der Bretter müssen zusammenpassen, und die glatt gehobelte Holzseite kommt laut Plan nach innen – wo man als Toter selber einmal liegen wird.

02.10.2019, Niedersachsen, Kirchlinteln: Kursleiter Henning Rutsatz, von der Bestattungsfirma „Abschied“, erklärt den Kursteilnehmern, wie sie einen Sarg aus vorgefertigten Brettern selber bauen können. Foto: Carmen Jaspersen/dpa

Es ist der Bausatz eines schlichten Einäscherungssargs, den Henning Rutsatz von der Firma Abschied und Bestattungen an diesem Nachmittag in Kirchlinteln bei Verden (Niedersachsen) vorstellt. Man könne den „Do-it-Yourself-Sarg“ als letzten Dienst für einen lieben Menschen bauen – oder für sich selbst, sagt der Bestatter. „Trauer braucht Ausdruck.“ Es helfe, wenn man mit seiner Trauer aktiv werden könne.

Die zwei verwitweten Frauen basteln probehalber mit. Ihnen geht es darum, ihre Angelegenheiten rechtzeitig zu regeln. Sie würden ihren Sarg auch noch bemalen. „Diese Kiste ist genau mein Fall“, meint Dykhoff (68). Die ehemalige chemisch-technische Assistentin hat keine Kinder. Also soll für den Fall der Fälle alles bereit sein: „In zwei Jahren wird mein Boden leergeräumt, dann hat der Sarg Platz.“ Doch vor dem 96. Geburtstag werde er nicht gebraucht – das nimmt sie sich fest vor.

Sarg nur für die Tage bis zur Einäscherung

„Meinetwegen kann es die billigste Kiste sein“, sagt Köhler (66). Der Sarg werde nur wenige Tage bis zur Einäscherung gebraucht. Dafür müsse man keine wertvollen Materialien verschwenden. Zum Bemalen will die Ex-Beamtin ihre Enkel einladen. Neongrün soll ihr Sarg aussehen.

02.10.2019, Niedersachsen, Kirchlinteln: Kursleiter Henning Rutsatz (2.v.r.), von der Bestattungsfirma „Abschied“, erklärt den Teilnehmerinnen Elke Dykhoff (r), Gabriele Köhler und Teilnehmer Cord-Hinrich Blanke, wie sie einen Sarg aus vorgefertigten Brettern selber bauen können. Foto: Carmen Jaspersen/dpa

Früher sei es durchaus üblich gewesen, dass Verwandte, Freunde oder auch Nachbarn den Sarg für einen Verstorbenen bauen, sagt Rutsatz. „Wir schauen, ob wir diese Tradition in die Neuzeit holen können.“ Das Bestattungsinstitut, geleitet von der Trauerbegleiterin Silke Ahrens, bietet seit drei Jahren Seminare an, bei denen man sich am Bau eines „Do-it-Yourself-Sarges“ versuchen kann.

Die Idee ist gar nicht so ausgefallen. Sargbau-Seminare gibt es in vielen Ländern. In den USA und in Kanada kann man Bausätze ordern. Im Kiwi Coffin Club in Neuseeland gestalten die Mitglieder nicht nur ihre eigenen Särge, sie reden bei Kaffee und Kuchen über das Leben. Die britische Hauptstadt London hat nach Presseberichten im August ihren ersten Coffin Club bekommen – Coffin bedeutet Sarg.

Der Bestatter Gerrit Stokkelaar aus Münster hat Selbstbausärge in den benachbarten Niederlanden kennengelernt. „Der Umgang mit Tod und Sterben ist dort freier“, sagt er. Seit kurzem bietet er die Bausätze selber an. Stokkelaar beobachtet bei seinen Kunden zwei gegenläufige Tendenzen: Sehr viele Familien wollen im Trauerfall möglichst wenig zu tun haben, sie überlassen alles dem Bestatter.

Wie wollen Sie gestorben werden?

Auf der anderen Seite ermöglichen es Palliativ-Netze und Hospize seit einigen Jahren, dass wieder mehr Menschen in den eigenen vier Wänden sterben. Viele Tote werden erst zuhause aufgebahrt. Auch Trauerfeiern werden individueller.

„Es wird dem bewussten Abschiednehmen wieder mehr Raum gegeben“, sagt Stokkelaar. Und zu dieser Denkweise, „den letzten Weg selbst zu gestalten“, passen für ihn die Selbstbausärge.

02.10.2019, Niedersachsen, Kirchlinteln: Die Teilnehmerinnen Elke Dykhoff (r) und Gabriele Köhler betrachten den Sarg, den sie während des Sargbau-Workshop zusammengeschraubt haben. Foto: Carmen Jaspersen/dpa

Die Erziehungswissenschaftlerin und Autorin Marianne Gronemeyer („Das Leben als letzte Gelegenheit“) sieht diese Entwicklung zwiespältig. „Es kann für den Einzelnen eine gute Erfahrung sein“, sagt sie der Deutschen Presse-Agentur. Zugleich werde das Lebensende von immer mehr Dienstleistungen umgeben. „Wie wollen sie gestorben werden?“, spitzt Gronemeyer die Frage zu. Immer mehr Entscheidungen würden verlangt; dabei bleibe es Illusion, den Tod beherrschbar zu machen.

Denn: „Vielleicht ist für den Sterbenden nicht so wichtig, ob er in einem selbstgezimmerten Sarg in die Grube fährt, sondern dass er Verzeihung erfährt im Gewähren und im Empfangen“, gibt sie zu bedenken.

Über Sprechen und Schrauben ist in Kirchlinteln der Sarg fertig geworden, er sieht ziemlich nach Baumarkt aus. Blanke zwängt sich zu einer Liegeprobe hinein. Einmal Deckel drauf! „Also zunehmen darf ich nicht mehr“, sagt der Bauer, als er herausklettert. Es sei schon etwas Galgenhumor dabei, aber morbide findet er die Beschäftigung mit dem Sarg nicht. „Man nähert sich dem Thema Tod einmal ganz intensiv, dann kann man es auch wieder ruhen lassen.“

Blanke weiß, dass er sich einen Erdbestattungssarg schreinern will. Dafür ist – so erläutert es Bestatter Rutsatz – ein verstärkter Deckel notwendig, der unter der Last der Erde nicht einbricht. Blanke als ehemaliger Vorsitzender im Schützenverein weiß, dass seine Schützenbrüder ihn dereinst zu Grabe tragen werden: „Die werden mich schon unter die Erde bringen.“ Nur eine Sorge hat der 71-Jährige: „Nicht, dass der Sarg in den nächsten 29 Jahren wurmstichig wird.“ (dpa)

10 Antworten auf “Der „Do-it-Yourself-Sarg“: Basteln für den Tod”

  1. treesche

    Über den Billigsarg muss man sicher nachdenken, bei steigenden Friedhofsgebühren und Steuer. Unsere Gemeinde Büllingen hat die Abgaben für das Verstreuen der Asche grade mal eben verdoppelt. Auch die Nutzung der Leichenhalle wurde auch drastisch teurer. Wenn man seinen Angehörigen nicht nur hohe Kosten hinterlassen will, ist Eigenbausarg bestimmt zu empfehlen. Scheinbar hat das letzte Hemd doch noch tiefe Taschen, in die die Gemeinden ein letztes Mal greifen können. Werd gleich mal den Hobbyschreiner fragen, wie man eine solche Kiste baut!

    • Vereidiger

      Hallo Frau treesche, was bezwecken Sie mit Ihrer fehlgeleiteten Aufregung?

      Zitat BRF (25.10.2019): „Ebenfalls erhöht wurde die Steuer auf Bestattungen und auf Verstreuen der Totenasche von – Achtung, hier: – Personen, die nicht im Büllinger Bevölkerungsregister eingetragen sind.“

      Also, wo ist da für Sie als Einwohnerin der Gemeinde Büllingen das Problem? Wollten Sie etwa wegziehen und dann doch in Ihrer alten Gemeinde bestattet werden? Dazu kann ich nur sagen: Wenn das Gras, das über Sie wachsen soll, anderswo grüner ist – nur zu, den Mutigen gehört die Welt…

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