Oft hat man dem Belgischen Rundfunk (BRF) vorgeworfen, zu wenig von sich reden zu machen. Seit letzter Woche jedoch ist der Sender in aller Munde. Im Haushalt klafft ein Finanzloch von einer halben Million Euro. Vier BRF-Mitarbeiter werden entlassen – weitere Kündigungen könnten folgen.
Gewerkschaften und Personal forderten die verantwortlichen Politiker zum Rücktritt auf. Jedoch sind sich die zuständigen Aufsichtspolitiker offensichtlich keiner Schuld bewusst. „Der BRF kann eigentlich gar nichts dafür, dass er in diese Lage reingeraten ist“, sagte Verwaltungsratspräsident Dirk Vandriessche dem Grenz-Echo, und Medienministerin Isabelle Weykmans meinte, die BRF-Krise sei „nicht die Schuld Einzelner und auch keine kollektive Schuld“. Derlei Aussagen nannte ein User im Internet „lachhaft und unverschämt“.
Zur BRF-Krise unterhielt sich „Ostbelgien Direkt“ (OD) mit Direktor Toni Wimmer, der erst seit wenigen Monaten im Amt ist. Der frühere Leiter des Dezernats für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der RWTH Aachen hätte wohl nicht gedacht, dass er im Funkhaus am Eupener Kehrweg einen solchen Scherbenhaufen vorfinden würde.
Von Einsturz des BRF kann keine Rede sein
OD: Herr Wimmer, was geht momentan in einem Direktor vor, der sich für das Amt beworben hatte, weil er etwas aufbauen wollte, jetzt aber feststellt, dass er in Wirklichkeit das Haus vor dem Einsturz bewahren muss?
Wimmer: Der BRF verfügt über solide Fundamente. Von einem Einsturz kann keine Rede sein. Allerdings gibt es in der Tat einige strukturelle Probleme, die durch aktuelle Haushaltsbedingungen verschärft werden. Wenn man nun die langfristige Zukunftsfähigkeit des BRF sichern will, erfordert dies leider drastische Maßnahmen mit harten Konsequenzen, die ich mit großem Bedauern mitentscheiden und umsetzen muss. Andererseits bedeutet dies auch, dass wir vor einem umfangreichen Umbau des Senders stehen. Diese strategische Neuausrichtung sehe ich als große Herausforderung an. Insofern ist der Gestaltungsspielraum groß für das gesamte Team und auch für den Direktor.
OD: Sie hätten bei der RWTH Aachen bleiben können, war ja ein super Job. Bereuen Sie Ihren Wechsel schon? Fühlen Sie sich verschaukelt, düpiert?
Wimmer: Weder noch. Und ich bereue diesen Schritt keineswegs. Der Posten am Kehrweg hat andere Qualitäten, andere Rahmenbedingungen und einen anderen Zuschnitt als Wissenschaftsjournalismus und das Marketing für eine Exzellenzuniversität. In die Welt eines komplexen Medienhauses wie des Belgischen Rundfunks einzutauchen, bedeutet für mich eine persönliche und berufliche Bereicherung. Diese Herausforderung habe ich gesucht und gefunden.
Jeder Tag brachte Reihe von Überraschungen
OD: Hat denn in den Vorgesprächen niemand Ihnen gegenüber angedeutet, dass sich beim BRF ein riesiges Haushaltsloch auftut. Das Loch muss doch zu diesem Zeitpunkt schon dagewesen sein, oder?
Wimmer: Bei meinen Vertragsverhandlungen Anfang des Jahres war davon keine Rede, weil die Brisanz zu dem Zeitpunkt nicht erkennbar war. Erst nach der Verwaltungsratssitzung im März wurde ansatzweise deutlich, was auf das Haus zukommen sollte. Und davon bin ich dann auch sukzessive unterrichtet worden. Aber selbst bei meinem Amtsantritt Mitte Mai war die Tragweite und das Ausmaß der Problematik – zumindest für mich – noch nicht komplett überschaubar. Insofern brachte seither jeder Tag eine Reihe von Überraschungen.
OD: Sie sagen ja selbst, dass es mit den bis jetzt beschlossenen Maßnahmen nicht getan ist. Eine halbe Million Euro nur für das laufende Jahr! Müsste der BRF nicht, wenn er ein Privatunternehmen wäre, Konkurs anmelden?
Wimmer: In einem Privatunternehmen wäre es gar nicht so weit gekommen, würde ich vermuten. Die Entscheidungswege innerhalb eines öffentlich-rechtlichen Senders sind langwierig und kompliziert. Es geht im BRF auch nicht um Profit, sondern um Leistung im Rahmen eines gesamtgesellschaftlichen Auftrags. Diese Leistung ist jetzt in ihren Prioritäten und in ihrem Umfang neu zu definieren. Das dauert seine Zeit, weil viele Faktoren zu berücksichtigen sind. Klar ist, dass mit Unterstützung vieler Protagonisten ein Reformstau aufgelöst werden muss. Dabei darf das Produkt nicht den Kriterien der Gewinnmaximierung unterworfen werden, so wie dies in der Wirtschaft geschehen würde. Vielmehr brauchen wir gleichermaßen einen Konsens über den Preis und vor allem über den Wert unserer Programmangebote.
Alte Zöpfe sind abzuschneiden
OD: Sie haben gesagt, der BRF soll trotz der gravierenden Probleme „moderner und effizienter“ werden. Wäre es nicht ehrlicher zu behaupten, der BRF müsse von jetzt an vor allem „kleiner“ werden. War die teure Programmreform von 2011 letztlich nicht auch Ausdruck eines „Größenwahns“, der die DG insgesamt schon länger kennzeichnet?
Wimmer: Mit „moderner und effizienter“ ist ein gleichermaßen reduziertes wie pointiertes Programmangebot gemeint. Der BRF wird auch mit weniger Ressourcen in Zukunft ein ansprechendes Programm gestalten, das seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag der Vermittlung von Information und Unterhaltung gerecht wird. Dabei sind alte Zöpfe abzuschneiden, ebenso müssen neue Formate gefunden werden. Die Programmreform von 2011 allerdings kann kaum für das strukturelle Defizit des Hauses verantwortlich gemacht werden, das durch Deckelung der Dotation, Barema-Verjüngung und Indexsprünge verschärft wird: In den ständig steigenden Lohnkosten liegt die verantwortliche Dynamik. (cre)