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Autor von „Grenzland Eifel“: „Jüngeren Menschen die erstaunliche Entwicklung der Ostkantone nahe bringen“

Fringshaus: Der Parkplatz rechts ist belgisch, die Blitze und die Bushaltestelle sind deutsch. Im Hintergrund das Gasthaus. Der angeschlossene Kaffeehandel floriert auch 2020 noch. Foto: Eifel Verlag

In dem Buch „Grenzland Eifel“ befasst sich Michael Heinzel mit einem Landstrich, der in den vergangenen zwei Jahrhunderten mehrfach seine staatliche Zugehörigkeit wechselte. Das führte Jahrzehnte lang zu einem Lebensgefühl der Ortsansässigen „zwischen Baum und Borke“.

Im Osten Belgiens und im Westen Deutschlands gelegen, stand das Gebiet nach dem Zweiten Weltkrieg einige Jahre lang unter der belgischen Auftragsverwaltung des Generals Paul Bolle, was ihm den landläufigen Namen „Bollenien“ einbrachte.

Der Autor beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dieser Region und knüpfte zahlreiche persönliche Kontakte. Die versetzen ihn in die Lage, neben den historischen Fakten auch über deren Bewohner authentische Geschichten zu erzählen. Neulich hatte Gerd Havenith Gelegenheit, mit Michael Heinzel zu sprechen.

– Wie ist das Echo auf Ihr Buch „Grenzland Eifel“ bisher ausgefallen?

Das Cover von Michael Heinzels Buch „Grenzland Eifel“. Foto: Eifel Verlag

Michael Heinzel: Die Resonanz ist bisher unterschiedlich. So wurde das Buch bei Ihnen in Belgien schnell freundlich aufgenommen, während es bei uns in Deutschland eher verhalten registriert wird. So überraschend ist das für mich nicht, denn bei Ihnen ist das Geschichtsinteresse viel stärker ausgeprägt als bei uns auf deutscher Seite.

– „Bollenien“ war ein politisches Kuriosum. Wie sind Sie auf dieses Thema gestoßen?

Heinzel: Bei meinen Recherchen 2010-2012 für unsere „Hommage à la Vennbahn“ – zusammen mit K.-D. Klauser & R. Marganne beim ZVS St.Vith – habe ich viele Interviews mit Zeitzeugen geführt, die mir ihre Biographien und Anekdoten erzählt haben. Die passten aber gar nicht für ein Eisenbahn-Buch. Mir waren sie jedoch zu wertvoll, um sie dem Vergessen anheim fallen zu lassen. Dabei hat mich besonders die Person von General Paul Bolle interessiert, der scheinbar so völlig gegen den damaligen belgischen Mainstream angeschwommen ist. 2016 hatte ich dann eine Anfrage ans Staatsarchiv gestellt, und siehe da: Kurz zuvor hatte eine ehemalige Mitarbeiterin von ihm dort den Rest seines Nachlasses eingereicht, und ich durfte ihn als Erster einsehen. Ich habe aber rasch gelernt, dass man niemanden erreicht, wenn man so ein Thema rein historisch darstellt. So habe ich mich entschlossen, für dieses Buch einen Mix aus Fakten und Erzählungen zu wählen.

– Was war Ihr Anliegen mit dieser regionalhistorischen Veröffentlichung?

Die Bushaltestelle in Kehr ist deutsch, auch der Asphaltstreifen, aber der Grünstreifen ist belgisch. Foto: MH

Heinzel: Ich richte mich mit meinem Buch in erster Linie an deutschsprachige Leser, möglichst an die jüngeren, wo mir das Wissen um die jüngere Vergangenheit oft unterentwickelt erscheint. Ihnen möchte ich zeigen, was auf dem Spiele steht, wenn Protektionismen und Neonationalismen wieder um sich greifen. Ihnen möchte ich auch die erstaunliche Entwicklung der Ostkantone nahe bringen. Deshalb fange ich die Geschichte auch wesentlich früher an als „Bollenien“. Die Rezeption auf der belgischen Seite hatte ich mit etwas Sorge gesehen, denn gelegentlich ist ein Blick von außen ja auch kritisch und als Deutschem können einem dabei ganz leicht unbewusst Fehler unterlaufen.

– Sie befassen sich ferner seit Jahrzehnten mit der Eisenbahn-Geschichte der Eifel. Haben Sie bei Ihren Recherchen neue Entdeckungen machen oder neue Erkenntnisse gewinnen können?

Autor Michael Heinzel.

Heinzel: Bei solchen Büchern können sich „Entdeckungen“ nur auf Details oder neu entdeckte, historische Bilder beziehen. Es gab aber ein Ereignis, als 2005 rein zufällig die gesamten Bahnhofsakten von Weywertz aus dem Container gesichert werden konnten. Diese Akten gaben plastisch das Leben in Ostbelgien direkt nach dem Krieg wieder. Und ich konnte sie als Erster auswerten.

– Welche Beziehung haben Sie als Deutscher, der in Bonn wohnt, zur DG?

Heinzel: Wir haben nicht immer nur in Bonn gewohnt; die ersten Berufsjahre habe ich mit meiner Frau in Aachen verbracht und wir haben uns die Euregio erwandert und erradelt. Heute ist Ostbelgien für mich ein Gebiet, wo ich mich sehr gerne aufhalte, weil ich immer wieder Neues entdecken kann. Sie sind ein kleines Land, aber auf den „kurzen Wegen“ bei Ihnen machen Sie Vieles richtig!

– Recherchieren Sie bereits für eine neue Veröffentlichung? Wenn ja, können Sie uns schon etwas verraten?

Heinzel: Was soll man in diesen Zeiten tun, damit einem nicht die Decke auf den Kopf fällt? So schreibe ich wieder an einem Buch über die „Eisenbahnen im Eifel-Vorland“. GERD HAVENITH

Michael Heinzel „Grenzland Eifel“ • Eifel Verlag, Jünkerath
Hardcover • 128 Seiten • ISBN 978-3-943123-39-5 • 12 Euro

Zum Thema siehe auch folgenden Artikel auf OD:

6 Antworten auf “Autor von „Grenzland Eifel“: „Jüngeren Menschen die erstaunliche Entwicklung der Ostkantone nahe bringen“”

  1. @Beutegut @So war es in der Vergangenheit

    Zur Präsisierung.
    Bollenien = Bildchen, Leykaul, Losheim, Hemmeres zwischen 1949 und 1958 unter belgischer Verwaltung. Letztendlich ein Kuriosum mit der einen oder anderen Familien- bzw. „Grenzziehungs“-anekdote.
    DG = Deutschsprachige Gemeinschaft = 9 Gemeinden: Entstehung geht auf die deutscheKulturgemeinschaft (1970) zurück, RDG 1984, PDG seit 2004. Ist nicht Ostbelgien, nicht Eupen-Malmedy-St. Vith, nicht Eupen-Malmedy.

    Vor diesem Hintergrund sind Sätze wie
    „Die kleine DG war immer wieder (!!!) das Beutegut und bisweilen der „Zankapfel“ für größere Länder.“ und „So war es oft in der langen (!!!) DG-Vergangenheit.“ unstimmig.
    Die DG im weitestesten Sinne seit 1970 (alternativ (1984) war nie Zankapfel. Von einer langen Vergangenheit – bestenfalls dann 50 (alternativ 36) Jahre – kann ja nicht die Rede sein.

    Gezankt wurde bestenfalls 1929. Alle Versaillesunterzeichener waren eins, das Belgien das Gebiet (Achtung inklusive Malmedy) für 300 Millionen Goldfranken an Deutschland zurück gibt. Frankreich blockierte. 1940 erledigte sich dies auf anderem Wege.

    Bei dem was man heute die 9 Gemeinden nennt ist unstrittig, dass dort immer Deutsch gesprochen wurden (im Norden Niederfränkisch / Ripuarische Dialekte, im Süden Moselfränkische). Zwangsumschulungen hat es nicht gegeben.
    Mit dem Wiener Kongress wurden wir (im Sinne von 9 Gemeinden) also Preußen zugeschlagen; Malmedy da mitzunehmen war nicht so geschickt, obwohl es damals wesentlich deutschsprachiger war als heute.
    1830 entstand dann Belgien. 1920 nach WK1 meinte man dann und unsinnigerweise diesem Staat zuzuordnen. Grundlage:
    – Versailler Verträge, deren Bedingungen vielleicht formell aber nie inhaltlich umgesetzt wurden
    – die schon fast kriminelle Volksabstimmung
    – das Zurückgreifen auf mittelalterliche und neuzeitliche Zugehörigkeiten zu Fürstentümern (Limburg, Burgund, …) welche sich ab 1830 in Belgien wiederfanden.
    Limburg wird sehr gerne bemüht. Einfach mal hinfahren und ausprobieren, welche Sprachen da geredet werden. Ansonsten mal in Eupen, Lontzen, Kelmis nachfragen, ob man denn (wenn überhaupt) dort einen deutschen, wallonischen oder flämischen Dialekt spricht. Ich gebe dem Flämischen noch eine kleine Chance; dann wäre aber trotzdem etwas schief gelaufen.

    Kommen wir dann zur neueren Geschichte: „Im Rahmen der schweren Regierungskrise Belgiens aufgrund des flämisch-wallonischen Konfliktes nach der Parlamentswahl im Juni 2010 theoretisierte der damalige Ministerpräsident der DG, Karl-Heinz Lambertz, für den Fall eines Scheiterns des belgischen Staates u. a. über einen eigenständigen Staat Wallonie unter Einbeziehung der DG, eine völlige Unabhängigkeit der Gemeinschaft, eine Rückkehr zu Deutschland oder einen Zusammenschluss mit Luxemburg.“
    Wenn ich diesem ansonsten intelligenten Mann etwas vorwerfe, ist es seine Positionierung in dieser Zeit in der letzten Phase des Streites um Hal-Vilvorde, der nicht unserer war. Dadurch hat er unsere Fürsprecher in Flandern schwer enttäuscht und vergrätzt.
    Fazit:
    – Das Thema Luxemburg war schnell erledigt. Luxemburg braucht keine deutschsprachige Minderheit und kann das so auch nicht verkraften.
    – Völlige Unabhängigkeit ist ja wohl nur zu heissem Badewasser zuzuordnen.
    – Rückkehr zu Deutschland: soweit sehr schüchtern.
    – Kleingliedstaat des unabhängigen Staates Wallonie: eine klare Degradierung.
    Letzteres ist aber (leider sage ich) die Politik der letzten Jahre. Die praktizierte Anbiederung an die wallonischen Institution grauenhaft; und nebenbei verbleiben wir in der Provinz.

    Die 7. Staatsreform steht bevor. Dann zahlt für unsere Zuständigkeit die Wallonie oder wir selbst.
    Die 9 Gemeinden werden spätestens dann den Preis der Belgientreue erkennen; oder ist es der Preis für ein „reines Gewissen“ ab 1945?

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