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Angespannte Lage im Kongo: Umstrittener Machtwechsel

10.01.2019, Kongo, Kinshasa: Menschen feiern, nachdem sie erfahren haben, dass der oppositionelle Präsidentschaftskandidat Félix Tshisekedi zum Gewinner der Wahlen erklärt wurde. Foto: Jerome Delay/AP/dpa

Im Kongo zeichnet sich der erste demokratische Machtwechsel seit rund fünf Jahrzehnten aB. Félix Tshisekedi, Kandidat der Opposition, hat überraschend die Präsidentenwahl gewonnen. Sein größter Rivale, der Oppositionelle Martin Fayulu, sprach allerdings von Wahlbetrug und rief zum Widerstand auf. Die Ergebnisse seien „erfunden und gefälscht“.

Auch die wichtigsten Wahlbeobachter und Frankreich meldeten Zweifel an. Experten warnten angesichts der angespannten Lage in dem rohstoffreichen und instabilen zentralafrikanischen Land vor gewaltsamen Ausschreitungen.

Tshisekedi gewann gut 38 Prozent der Stimmen, wie die Wahlkommission am Donnerstag unter Berufung auf die vorläufigen Endergebnisse mitteilte. Knapp dahinter lag mit 35 Prozent Fayulu. Der Kandidat der Regierungspartei, Emmanuel Ramazani Shadary, kam nur auf knapp 24 Prozent.

Für den Sieg bei der Präsidentenwahl vom 30. Dezember genügte eine einfache Mehrheit. Die Ergebnisse müssen am Dienstag noch vom Verfassungsgericht bestätigt werden.

10.01.2019, Kongo, Kinshasa: Menschen feiern, nachdem sie erfahren haben, dass der oppositionelle Präsidentschaftskandidat Tshisekedi zum Gewinner der Wahlen erklärt wurde. Foto: Jerome Delay/AP/dpa

In den Straßen der Hauptstadt Kinshasa brachen viele Menschen nach der Bekanntgabe des Ergebnisses in Jubel aus, es gab Hupkonzerte. Am Morgen wurde die Euphorie jedoch angesichts des umstrittenen Ergebnisses teils von Befürchtungen vor Ausschreitungen verdrängt.

Die Opposition hatte vor der Bekanntgabe der Ergebnisse Wahlbetrug befürchtet. Die meisten Beobachter rechneten mit einem Sieg Shadarys, der vom scheidenden Präsidenten Joseph Kabila unterstützt wurde.

Die im Kongo sehr einflussreiche katholische Kirche hatte bei der Abstimmung 40.000 Wahlbeobachter im Einsatz. Am Donnerstag erklärten die Bischöfe, die Ergebnisse der Wahlkommission „decken sich nicht mit den Ergebnissen unserer Beobachter, die sich auf die Auszählungen in den Wahllokalen stützten“. Im Vorfeld hatte die Kirche laut Diplomaten ihren Ergebnissen zufolge Fayulu zum Sieger erklärt.

Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian erklärte am Donnerstag in einem Interview, Tshisekedis Sieg decke sich nicht mit der Schlussfolgerung der Kirche und den vor Ort beobachteten Ergebnissen. Jetzt müssten alle Beteiligten ihre Anhänger zur Ruhe auffordern, um „Ausschreitungen zu vermeiden“, forderte er. Das Wahlergebnis sei „das Gegenteil“ des erwarteten Resultats.

Thisekedis Sieg wurde überschattet von Gerüchten, wonach er seinen Triumph einem geheimen Deal mit dem als korrupt geltenden Kabila verdanken könnte. Der unbestätigten Theorie zufolge hätte Kabila die Wahl zu Tshisekedis Gunsten fälschen lassen, um sich selbst vor Strafverfolgung zu schützen. „Der scheidende Präsident Joseph Kabila wird Tshisekedi beeinflussen können, weil dieser seinen Aufstieg an die Macht der Kontrolle Kabilas über die Wahlkommission verdankt“, erklärte Analyst Robert Besseling von der Risikoberatung ExxAfrica.

Thisekedi für Kabila das kleinere Übel

Experte François Conradie von der Beratung NKC Economics erklärte, für Kabila sei es ein schlauer Schachzug: „Damit ist die Sicherheit des scheidenden Präsidenten und seines Führungszirkels garantiert.“ Auch die von ihm bevorzugten Unternehmen würden wohl weiter gut im Geschäft bleiben. Kabila soll in seiner Amtszeit mit Kommissionen und Beteiligungen an Minengeschäften schwerreich geworden sein. Für Kabila ist die Wahl Thisekedis demnach das kleinere Übel.

In einer Ansprache nach Bekanntgabe des Wahlsiegs zeigte sich Tshisekedi Medienberichten zufolge erstaunlich versöhnlich und erklärte, Kabila solle nicht mehr „als Gegner, sondern vielmehr als Partner“ betrachtet werden. „Niemand konnte sich ein solches Szenario vorstellen, in dem der Kandidat der Opposition die Wahl gewinnt“, sagte er demnach weiter.

Der 55-jährige Gewinner ist der Sohn des langjährigen Oppositionsführers Felix Tshisekedi, der 2017 starb. Der jüngere Tshisekedi versprach den Wählern, Korruption und Armut zu bekämpfen.

30.12.2018, Kongo, Kinshasa: Félix Tshisekedi, oppositioneller Präsidentschaftskandidat bei den Präsidentenwahlen, gibt seine Stimme ab. Foto: Jerome Delay/AP/dpa

Der neue Präsident soll bereits am 18. Januar vereidigt werden, obwohl die Wahl in einigen Regionen wegen der Unruhen und einer Ebola-Epidemie nicht stattfinden konnte. Damit waren rund 1,25 Millionen von 40 Millionen Wahlberechtigten ausgeschlossen. Die Stimmabgabe soll dort im März nachgeholt werden. Bei der Abstimmung waren auch Provinzvertretungen und das Parlament neu gewählt worden.

Ein friedlicher und demokratischer Machtwechsel an der Staatsspitze wäre ein Erfolg für den Kongo – ein Land, das flächenmäßig sechsmal so groß ist wie Deutschland. Nur wenige Jahre nach der Unabhängigkeit von Belgien 1960 hatte Diktator Mobuto Sese Seko die Macht ergriffen. Erst infolge des großen Kongo-Kriegs, an dem sich mehrere Nachbarländer beteiligten, wackelte Mobutos Macht. Rebellenführer Laurent-Désiré Kabila stürzte den Diktator und ernannte sich 1997 selbst zum Präsidenten. 2001 wurde er von einem Bodyguard erschossen.

Sein damals 29 Jahre alter Sohn Joseph erbte die Macht. Er wurde 2006 und 2011 als Präsident wiedergewählt. Die Wahl 2011 wurde jedoch von Betrugsvorwürfen überschattet. Kabila regierte mit harter Hand. Als seine Amtszeit 2016 endete, ließ er die Wahlen mehrfach verschieben. Nun durfte er sich nicht mehr um eine weitere Amtszeit bewerben.

Auf den neuen Präsidenten wartet viel Arbeit: Trotz reicher Vorkommen von Mineralien wie Kobalt, Kupfer und Gold gehört der Staat zu den ärmsten Ländern der Welt. Schuld daran sind auch zahlreiche, von der Gier nach Rohstoffen befeuerte Konflikte. Millionen sind auf der Flucht. Im Ost-Kongo gibt es zudem derzeit eine Ebola-Epidemie – die bislang zweitgrößte weltweit mit 628 Erkrankten und 383 Toten. (dpa)

2 Antworten auf “Angespannte Lage im Kongo: Umstrittener Machtwechsel”

  1. MARCEL SCHOLZEN

    Im Kongo kann regieren wer will, ob ein Diktator oder ein „frei gewählter Präsident“. Es macht keinen großen Unterschied in der Praxis. Jeder will sich die Taschen füllen. Das ist die grundlegende Motivation vieler afrikanischer Politiker. Den meisten geht es ja nicht um die Verwirklichung eines politischen Programmes oder der Entwicklung des jeweiligen Landes. Es ist nur enttäuschend zu sehn, dass die meisten afrikanischen Staaten sich nicht weiter entwickelt haben seit der sogenannten „Unabhängigkeit“. Im Gegensatz zu asiatischen Ländern wie Südkorea, Taiwan oder VR China. Die waren um 1960 genauso arm. Haben es aber innerhalb von 3 Generationen auf westliches Niveau gebracht. Und es hat nichts mit der Regierungsform zu tun. Auch Südkorea und Taiwan waren bis vor 30 Jahren Diktaturen und haben sich mittlerweile zu demokratischen Staaten gewandelt. Der grundlegende Unterschied besteht vielleicht in Kultur, Moral, Ethik.

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