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Contergan-Skandal: Vor genau 50 Jahren wurde Anklage erhoben [VIDEO]

Die contergan-geschädigte Regina Kolshorn nimmt in ihrer Wohnung in Geilenkirchen bei Aachen mit ihren Füßen ein Buch aus einem Regal (Foto von 2007). Weil ihre Mutter während der Schwangerschaft das Medikament Contergan zu sich nahm, kam Regina Kolshorn ohne Arme zur Welt. Foto: dpa

Vor 50 Jahren hat sich in einem Büro der Aachener Justiz etwas ereignet, das weltweit beachtet wurde: Am 13. März 1967 wurde im Contergan-Skandal nach 6 Jahren Ermittlung Anklage erhoben.

10 Jahre zuvor, im Jahr 1957, war das als unschädlich geltendes Beruhigungs- und Schlafmittel namens Contergan auf den Markt gekommen. In Belgien wurde dasselbe Thalidomid-Präparat unter dem Namen Softenon, in Großbritannien als Distaval verkauft.

Das vom Stolberger Unternehmen Chemie Grünenthal entwickelte Präparat sollte für die betroffenen Frauen eine Befreiung sein, es wurde aber ein Trauma.

Eine Packung mit 12 Tabletten von Contergan forte.

Bis Ende der 1950er Jahre wurden die Arzneimittel Contergan und Contergan forte gezielt als rezeptfreies Beruhigungs- und Schlafmittel für Schwangere empfohlen. Erst ab dem 1. August 1961 wurde es aufgrund von möglichen Nebenwirkungen auf das Nervensystem rezeptpflichtig.

Am 31. Dezember 1960 hatte erstmals der schottische Arzt Leslie Florence aufgrund von Beschwerden seiner Patienten in einem Leserbrief an das British Medical Journal auf die nervenschädigende Wirkung von Thalidomid aufmerksam gemacht.

Immer mehr schwere Fälle von Fehlbildungen wurden in der Folgezeit bekannt. Babys wurden ohne Gliedmaßen und Organe geboren. Weltweit gab es etwa 5.000 bis 10.000 geschädigte Kinder. Zudem kam es zu einer unbekannten Zahl von Totgeburten.

Erst am 26.11.1961 aus dem Handel

Nach einem anonymen Brief veröffentlichte die Zeitung „Die Welt“ am Sonntag am 26. November 1961 einen Artikel, woraufhin Grünenthal schließlich Contergan aus dem Handel zog. Das Unternehmen hatte es zunächst abgelehnt, das Medikament vom Markt zu nehmen, und für den Fall eines Verbotes mit Regressansprüchen gedroht.

Das Hauptverfahren gegen Grünenthal wurde am 18. Januar 1968 vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Aachen gegen 9 Angeklagte aus der Führungsriege von Grünenthal wegen vorsätzlicher und fahrlässiger Körperverletzung, wegen fahrlässiger Tötung und wegen schweren Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetzes eröffnet.

Der Prozess fand im 10 Kilometer von Aachen entfernten Alsdorf statt, da in Aachen kein genügend großer Saal zur Verfügung stand. Sitzungsort war das Casino „Anna“ in Alsdorf-Mitte.

Am 10. April 1970 schlossen die Eltern der Geschädigten mit Grünenthal einen Vergleich. Dazu gehörte ein weiterer Klageverzicht und ein Entschädigungsbetrag von 100 Millionen D-Mark, den die Firma Grünenthal in die Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“, später umbenannt in Conterganstiftung, einzahlte. Dieser Klageverzicht ist bis heute Gegenstand kontroverser Diskussionen.

Es gelang allerdings im Rahmen der Stiftungsgründung und des Stiftungsgesetzes den Staat selbst in die Pflicht zu nehmen, eine weitere Ausgestaltung der inhaltlichen Details dieser Stiftung mitzugestalten.

Am 283. Verhandlungstag, dem 18. Dezember 1970, wurde das Strafverfahren wegen geringfügiger Schuld der Angeklagten und mangelnden öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung eingestellt.

Die Contergan-Stiftung fördert Projekte, die bis 2009 allgemein behinderten Menschen zugute kamen, seitdem nur noch contergan-geschädigten Menschen. Zudem wurde ein Netzwerk aufgebaut, das Wissen zum Umgang mit Contergan-Schädigungen in Form einer Wissensdatenbank zur Verfügung stellt.

Zum Contergan-Skandal gibt es einen Fernseh-Zweiteiler, den die ARD und der Österreichische Rundfunk (ORF) am 7. und 8. November 2007 mit begleitenden Dokumentationen ausstrahlten. (cre/wikipedia)

Sehen Sie nachfolgend eine Fernseh-Dokumentation zum Contergan-Skandal:

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