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Gericht hebt historisches Urteil gegen Harvey Weinstein auf

21.02.2020, USA, New York: Harvey Weinstein, Filmproduzent aus den USA, trifft im Gericht in Manhattan ein. Ein Gericht in New York hat die historische Verurteilung des ehemaligen Filmmoguls Harvey Weinstein wegen Sexualverbrechen aufgehoben. Foto: Mark Lennihan/AP/dpa

Völlig überraschend hat ein Gericht in New York die historische Verurteilung des ehemaligen Filmmoguls Harvey Weinstein wegen Sexualverbrechen aufgehoben.

Die Juristen am Berufungsgericht der US-Ostküstenmetropole widerriefen damit einen der aufsehenerregendsten Rechtssprüche der vergangenen Jahre. Ihm kam im Kontext der MeToo-Bewegung globale Bedeutung im Kampf gegen Missbrauch und für die Gleichstellung von Frauen und Männern zu. Der Fall hatte damals die #MeToo-Bewegung maßgeblich mit ausgelöst.

06.01.2020, USA, New York: Die Schauspielerin Rose McGowan (r), spricht vor dem Obersten Gericht des Bundesstaates New York in Manhattan bei der Ankunft von Harvey Weinstein in die Mikrofone. Sie gehört zu den dutzenden Frauen, die Weinstein beschuldigen, sie angefasst, sich ihnen aufgedrängt und in einzelnen Fällen auch vergewaltigt zu haben. Foto: Mark Lennihan/AP/dpa

„Wir kommen zu dem Schluss, dass das erstinstanzliche Gericht fälschlicherweise Zeugenaussagen über nicht angeklagte, mutmaßliche frühere sexuelle Handlungen gegen andere Personen als die Kläger der zugrunde liegenden Straftaten zugelassen hat“, schrieb der Vorsitzende Richter in der Entscheidung vom Donnerstag zur Berufung des 72-jährigen Weinsteins und bescheinigte dem damaligen Richter James Burke schwere Verfahrensfehler. Die Entscheidung der sieben Richter fiel mit 4:3 denkbar knapp aus.

Tatsächlich stützte sich die Anklage bei dem weltweit beachteten Fall auf eine Reihe von Zeuginnen, die Weinstein sexuelle Übergriffe vorwarfen, die allerdings nicht Teil der Anklage waren. Die Staatsanwaltschaft wollte mit ihrer Hilfe zeigen, dass die Taten Weinsteins einem wiederkehrenden Muster folgten. In dem aufsehenerregenden Prozess ging es im Kern um zwei Vorwürfe: Weinstein soll 2006 die Produktionsassistentin Mimi Haleyi zum Oralsex gezwungen und die heutige Friseurin Jessica Mann 2013 vergewaltigt haben.

06.01.2020, USA, New York: Harvey Weinstein (M) verlässt mit seiner Gehhilfe das Oberste Gericht des Bundesstaates New York in Manhattan. Foto: Seth Wenig/AP/dpa

In der Entscheidung zur Aufhebung des Urteils von 2020 wird die Zulassung der zusätzlichen Zeuginnen als schwerwiegender „Fehler“ bezeichnet: „Die einzigen Beweise gegen den Angeklagten waren die Aussagen der Klägerinnen, und das Ergebnis der Gerichtsentscheidungen bestand einerseits darin, ihre Glaubwürdigkeit zu stärken und den Charakter des Angeklagten vor den Geschworenen zu schmälern.“

Der erste Weinstein-Prozess markierte einen Meilenstein der Rechtsgeschichte – auch deshalb, weil die ehemalige Hollywood-Größe vor allem auf Basis der Aussagen von Zeuginnen für schuldig befunden wurde, obwohl er selbst stets seine Unschuld beteuerte. Materielle Beweise spielten in dem Verfahren eine untergeordnete Rolle.

Weinsteins Masche war es den übereinstimmenden Aussagen der Frauen zufolge, junge Schauspielerinnen unter der Vorgabe, er halte sie für talentiert und wolle ihnen bei ihrer Karriere helfen, in Hotelzimmer zu locken. Dort verlangte er dann demnach sexuelle Handlungen von ihnen. Der Staatsanwaltschaft zufolge nutzte Weinstein dabei seine herausragende Machtposition in Hollywood aus, um sich die Frauen gefügig zu machen. Als Produzent von Filmen wie „Pulp Fiction“ oder „Gangs of New York“ war er sehr erfolgreich, für „Shakespeare in Love“ gewann Weinstein auch einen Oscar.

US-Filmproduzent Harvey Weinstein (links) und seine Frau Georgina Chapman am 16.05.2017 in Cannes. Foto: Ian Langsdon/EPA/dpa

Weinstein war bei dem Prozess in New York stets mit einem Rollator zum Gericht gekommen, was von Kritikerinnen und Kritikern als Versuch seiner Verteidigung gewertet wurde, ihn als schwach und wenig angsteinflößend darzustellen. Weinstein hatte als Geschäftsführer seiner Filmfirma Miramax den Ruf, ein äußerst kraftvolles und lautes, mitunter auch aggressives Auftreten zu haben.

Weinstein wurde schließlich zu 23 Jahren Haft wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung verurteilt. In einem weiteren Strafprozess in Los Angeles kamen 16 Jahre Gefängnis dazu. Nach Angaben der «New York Times» muss nun Manhattans Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg entscheiden, ob er ein neues Verfahren gegen Weinstein einleitet. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte gegenüber dem Magazin „The Daily Beast“, man werde „alles in unserer Macht Stehende tun, um diesen Fall erneut zu verhandeln“. Weinstein sitzt in einem Gefängnis im Bundesstaat New York. Wegen der Verurteilung in dem zweiten Prozess aus Kalifornien wird er momentan nicht auf freien Fuß kommen.

Mehr als 80 Frauen hatten Weinstein sexuelle Übergriffe vorgeworfen. Die Anschuldigungen gegen den Produzenten, im Herbst 2017 von der „New York Times“ und dem Magazin „New Yorker“ veröffentlicht, waren der Anfang der MeToo-Bewegung.

Überall auf der Welt erkannten viele Frauen und auch einige Männer ihre eigenen Geschichten in denen der mutmaßlichen Weinstein-Opfer wieder – sie begannen, diese Geschichten unter dem Schlagwort „Me too“ („Ich auch“) zu sammeln. Die MeToo-Bewegung hatte das Urteil gegen Weinstein gefeiert – aber auch kritisiert, dass er nicht in allen Anklagepunkten für schuldig befunden wurde.

Die MeToo-Bewegung wird als Treiber der globalen Gleichstellung von Frauen und Männer gesehen. Durch die internationale Debatte und die Verurteilung Weinsteins, der von vielen als Prototyp des übergriffigen Mannes gesehen wurde, wurden viele ungerechte und sexistische Verhaltensweisen in Gesellschaften hinterfragt. Schauspielerin Ashley Judd, die 2017 über Weinstein in dem Artikel der „New York Times“ ausgepackt hatte, sprach bezüglich der Entscheidung des Berufungsgerichtes davon, dass diese «unfair gegenüber den Opfern» sei. „Wir leben immer noch in unserer Wahrheit. Und wir wissen, was passiert ist.“ (dpa)

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