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Weiter Maß halten mit Fett? Experten streiten um gesunde Ernährung

11.07.2016, Brandenburg, Straupitz: In der Holländer Windmühle ist frisch gepresstes Leinöl zu sehen. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Hauptsache viel Gemüse? Ganz wenig Butter? Vegan? Was denn nun gesunde Ernährung ausmacht, darüber gehen die Auffassungen manchmal auseinander. Das zeigt eine Kontroverse um das richtige Maß beim Fett.

Morgens zwei Esslöffel Leinöl in den Quark und einen Esslöffel Butter in den Kaffee (ja, wirklich). Mittags „mindestens zwei bis drei“ Esslöffel extra natives Olivenöl über den Salat – und auch bei einer leichten Abendmahlzeit sollen Olivenöl, Butter oder Kokosfett nicht fehlen.

So liest sich das, wenn die aus dem Fernsehen bekannte Ärztin Anne Fleck („Die Ernährungs-Docs“ NDR) in einem aktuellen Buch empfiehlt, „gesund und fettbetont“ zu essen.

Gesund und gleichzeitig fettig? Für Gesundheits- und Figurbewusste, die bisher sparsam mit Öl und Butter umgehen, dürfte das zum Tag der gesunden Ernährung am 7. März sehr ungewohnt klingen.

Den Ruf der Butter rehabilitieren? Foto: Shutterstock

Tatsächlich hätte man beim Befolgen von Flecks Ratschlägen mengenmäßig schnell die Orientierungswerte der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zur täglichen Aufnahme von Fetten und Ölen überschritten. Diese bilden in der DGE-Orientierungshilfe „für eine gesundheitsfördernde Lebensmittelauswahl“ den kleinsten Anteil aller Lebensmittelgruppen.

Das Beispiel ist eines von vielen, das zeigt, wie die Auffassungen beim Thema Ernährung auseinandergehen. Das ideale Verhältnis von Fetten und Kohlenhydraten auf dem Speiseplan wird in der Fachwelt seit einiger Zeit diskutiert. Auch, weil vor etwa anderthalb Jahren eine große Studie in der Fachzeitschrift „The Lancet“ eine fettreiche Ernährung mit gesundheitlichen Vorteilen in Verbindung brachte – für manche Grund genug, bisherige Empfehlungen in Frage zu stellen und den Ruf von Butter und Co. zu rehabilitieren. Experten der DGE bezeichneten die Aussagekraft der Studie jedoch wegen methodischer Mängel als stark eingeschränkt.

Fettarm-Dogma“ steht auf einer dünnen Datengrundlage

Nun schwärmt dennoch auch Ärztin Fleck auf mehr als 400 Seiten ihres Buches „Ran an das Fett“ von gesunden Fetten – Achtung: Snacks aus der Fritteuse etwa gehören nicht dazu, selbst zwischen Pflanzenölen sieht sie enorme Unterschiede. In jedem Fall aber stehe das generelle „Fettarm-Dogma“ auf einer äußerst dünnen Datengrundlage, meint Fleck.

Eine junge Frau genießt in vollen Zügen einen Burger. Foto: Shutterstock

Zum Heilsbringer wurde die Fettreduktion allein bekanntlich auch nicht: Obwohl der Fettanteil in der Nahrung von US-Amerikanern im Schnitt seit den 1970er Jahren von 42 auf 34 Prozent gesunken sei, verbreiten sich bei ihnen Übergewicht und Diabetes, wie US-Ernährungsforscher kürzlich im Journal „Science“ berichteten.

Bei dieser Entwicklung spielen weitere Faktoren, die sich seitdem geändert haben, eine Rolle wie etwa Portionsgrößen, Essverhalten, Lebensstil. David Ludwig (Boston Children’s Hospital) und Kollegen weisen in ihrer Studie unter dem Titel „Nahrungsfett: vom Feind zum Freund?“ auf die Problematik vieler Untersuchungen ihrer Fachrichtung hin: Oft seien sie zu kurz und zu klein gewesen, um aussagekräftig zu sein.

Sogenannte Beobachtungsstudien etwa weisen das Problem auf, dass man aus ihnen keine Schlussfolgerungen wie „Dieses Lebensmittel macht schlank“ ziehen kann. Anhand von Protokollen über die Ernährung und gesundheitliche Entwicklung von Probanden können Forscher lediglich vielleicht zufällige Wechselwirkungen erkennen, nicht aber Ursache und Wirkung. Trotzdem werden aus solchen Studien manchmal Tipps abgeleitet, etwa zum Abnehmen.

Auf das gesamte Ernährungsmuster achten

Wer nach solchen allgemeingültigen Ratschlägen sucht, für den muss das Fazit der „Science»“-Autoren einer Bankrotterklärung gleichen: Aktuelle Belege deuteten darauf hin, „dass kein spezifisches Kohlenhydrat-Fett-Verhältnis in der Ernährung für die allgemeine Bevölkerung am besten ist“, heißt es. Auch hätten nicht alle Diäten und Kalorienquellen ähnliche Stoffwechsel-Wirkungen bei allen Menschen. Um den Einfluss von Nahrungsmitteln auf die Gesundheit zu bewerten, sei mehr nötig als nur ein Blick auf die Mengenverhältnisse von Kohlenhydraten, Eiweiß und Fett, schreiben die Forscher. Und nennen unter anderem Faktoren wie die Qualität der Lebensmittel, ihre Kombination und die Gene.

Zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu essen, hat viel mit dem Kopf zu tun und weniger mit dem Magen. Foto: Shutterstock

„Wichtiger als die Diskussion über die richtigen Anteile von Fett und Kohlenhydraten sind die Aspekte hohe Energiezufuhr insgesamt und Qualität der Fette und Kohlenhydrate“, sagt auch DGE-Referentin Silke Restemeyer. Verzehrt würden oftmals zu wenig ballaststoffreiche Nahrungsmittel wie Vollkorn, Hülsenfrüchte, Gemüse und Obst – aber zu viele einfache Kohlenhydrate in Form von zugesetzten Zuckern (etwa in Fruchtjoghurt und Erfrischungsgetränken) und raffinierter Stärke (etwa in Weißbrot, Kartoffelchips und Kuchen). Es sei sinnvoll, außerdem auf das gesamte Ernährungsmuster zu achten, sagt die Ernährungswissenschaftlerin.

Extreme Formen, wie sehr kohlenhydratreiche oder sehr kohlenhydratarme Ernährung, schienen ungünstig zu sein in Hinblick auf die Sterblichkeit, sagt der Epidemiologe Matthias Schulze vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) Potsdam.

Was bleibt also? Versteckte Fette aus Produkten wie Wurst, Süßwaren, Fertigprodukten und Fast Food seien zu vermeiden, betont Restemeyer. Die empfohlenen pflanzlichen Öle lieferten lebensnotwendige Fettsäuren und Vitamin E, hätten aber wie alle Fette eine hohe Kalorienanzahl. Wer sich insgesamt ausgewogen ernähre und viel bewege, müsse sich um die tägliche Kalorienaufnahme aber keine großen Gedanken machen, so Restemeyer. (dpa)

18 Antworten auf “Weiter Maß halten mit Fett? Experten streiten um gesunde Ernährung”

  1. Heribert

    Hin oder her, beide Seiten haben jedoch eine gemeinsame Feststellung gemacht, der Mensch ist heutzutage zuviel einfache Kohlehydrate (soll heissen Zucker). Wird der drastisch reduziert, wird es einem schnell besser gehen. Solange man denn die nächsten zwei Wochen oder so die „Entzugserscheinungen“ übersteht, bis sich der Insulinhaushalt wieder eingependelt hat.

  2. Linda Peters

    Als Ernährungsberaterin die mit Stoffwechseltypisierungen arbeitet kann ich nur sagen, dass der Stoffwechsel so individuell ist wie der Mensch selbst. Aus diesem Grund benötigt jeder Mensch Kohlenhydrate, Eiweiß und Fett. Allein die Menge ist unterschiedlich und das ist ausschlaggebend für eine gesunde und ausgewogene Ernährung und somit für einen funktionierenden Stoffwechsel.

    • Inselaffe

      Ah ja, Metabolic Typing. Natürlich ohne besondere wissenschaftliche Basis. Es sollte auch erwähnt werden, dass sich ein Zahnarzt(!) in den 60ern diesen Quark ausgedacht hat. Ich kaufe meine Bouletten ja auch nicht beim Schreiner.

      • ActionJackson

        Was braucht man da für einen wissenschaftlichen Beweis? Ich kenne Leute die arbeiten nicht körperlich, machen keinen Sport und sind spindeldürr obwohl sie viel zu viel und dazu nur Müll essen. Wogegen andere Übergewicht haben, obwohl Sie auf ihre Ernährung achten, Sport treiben etc..
        Hab selbst gemerkt wie sich mein Stoffwechsel ab 30 brutal verändert hat…
        Und warum darf sich ein Zahnarzt nicht für Ernährung interessieren?
        Wenn die Bouletten vom Schreiner gut schmecken dann ist mir das ziemlich egal ob der Schreiner oder Sterne Koch ist.

        • Inselaffe

          Die übliche Leier, von wegen der/die eine riecht einmal an einem Glas Wasser und hat direkt 30 Kilo drauf, und die/der andere schaufelt wie blöd und nimmt nicht zu. Nur komisch, dass der Blödsinn nie standhält, sobald besagte Personen unter medizinischer Aufsicht stehen und die Kalorien richtig gezählt werden.

              • Wissenchaftssekte

                sollte eher heißen „dass etwas nur…“ ;-))
                Aber, ja, so sehe ich das auch. Die Wissenschaft ist eine Religion. Sie deckt sich oft mit der Wirklichkeit ab, kein zweifel, aber nicht immer.

              • Inselaffe

                Der Metabolismus des menschlichen Körpers ist gut genug bekannt, um deine Anekdoten zu invalidieren. Und falls das Gewicht trotzdem nicht zu managen ist, wegen irgendwelcher seltenen Krankheiten oder Gendefekte (und selten heisst hier nicht einer auf zehn), dann ist das Körpergewicht mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit das kleinste Problem, dass diese fiktive Person hat.

                Aber wenn du meinst, die Fachmediziner und Forscher sind unfähige Traumtänzer, dann hoffe ich wohl, dass du einen zukünftigen Knochenbruch beim Osteopathen schienen und einen eventuellen Tumor vom Naturheilpraktiker behandeln lässt. Und von Krankenhausbesuche im Allgemeinen absiehst, weil was wissen die denn schon…

                • And here comes the but

                  Es wäre dumm, die gesamte moderne Medizin zu diskreditieren, freilich, aber man sollte auch immer bedneken: In der Konsumgesellschaft werden wir krank gemacht damit man uns heilen kann. Für Geld, natürlich.

                • ActionJackson

                  Wenn Du dich wirklich mit dem Thema Metabolismus beschäftigt hättest (aus welchen Gründen auch immer) wüsstet Du dass der eben nicht komplett erforscht ist und viele Fragen offen lässt.
                  Dazu erstattet jede belgische Krankenkasse die Kosten eines Besuches bei anerkannten Osteopathen.. Du invalidierst dich hier nur selber.

                  • Inselaffe

                    Nur weil einige Fragen offen bleiben, bedeutet nicht, dass die Unbekannten wilde Schwankungen im Energieverbrauch verursachen. Im Gegenteil, wie schon vorher erwähnt, wenn die Problemfälle 24/7 unter Aufsicht stehen, verschwinden die Probleme.

                    Die belgischen Krankenkassen erstatten auch homöopathische Mittel. Von daher kannst du dir das Argument schenken.

    • RaymondW

      Das denke ich auch Frau Peters! Jeder Mensch ist anders, also braucht jeder eine eigens angepasste Ernährung um gesund zu bleiben. Das ist beim Training genau so. Was bei dem Einen funktioniert, geht beim Anderen gar nicht oder nur bedingt. Wir müssen beim Einkauf lernen die Etiketten zu lesen. Inhaltsstoffe wie gehärtete Fette gehören nicht auf den Speiseplan. Dank einer weiteren Gesetzeslücke können die Hersteller diese gesundheitsgefährdenden Öle verwenden und solange die Menge pro Portion unter 0,5 gr. liegt, können sie den Gehalt an Transfetten mit 0 gr. angeben. Außerdem sollte man Zucker vom Speiseplan streichen und hier auch auf versteckte Zuckerquellen achten. Ich muss aber ehrlich zugeben, dass ich auch nicht immer darauf achte ?.

  3. Tatsache

    Um Fit und gesund zu bleiben gibt es nur einen EINZIGEN weg , der lautet idealgewischt erreichen und halten , wohlgemerkt nicht Normalgewicht . Wie oft begegnet man jogginläufer oder Radfahrer mit über 100 kg Körpergewicht , sowas ist eine gefährliche Zumutung für seinen Körper . Anstatt abends mit dem runden Hintern auf den Terrassen oder Eisdielen herumzuhängen sollten diese sich mehr und mehr an die hohe Krippe gewöhnen .

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