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Jeder zweite Erwachsene geimpft: Was Briten besser machen als Europa – Johnson feiert „fantastischen Erfolg“

19.03.2021, Großbritannien, London: Boris Johnson (l), Premierminister von Großbritannien, hebt die Daumen in die Höhe, nachdem er die erste Impfdosis mit dem Corona-Impfstoff von Astrazeneca erhalten hat, der von der Krankenschwester Lily Harrington im Westminster Bridge Vaccination Centre am St Thomas Hospital verabreicht wurde. Foto: Frank Augstein/PA Wire/dpa

Wenn es ums Impfen geht, schaut Europa neidisch auf die britische Insel: Dort haben bereits die Hälfte aller Erwachsenen eine Spritze gegen Corona bekommen. Dass das so schnell vorangeht, hat viele Gründe.

In Großbritannien ist schon die Hälfte aller Erwachsenen gegen das Coronavirus geimpft. Fast 27 Millionen Menschen haben eine erste Impfdosis bekommen, gut zwei Millionen auch schon die zweite Spritze. Die konservative Regierung von Premierminister Boris Johnson bejubelte am Wochenende einen „fantastischen Erfolg“.

Während man in der EU verzweifelt auf Nachschub wartet, haben die Briten nur vereinzelt mit Lieferengpässen zu kämpfen – auch, weil sie selbst kaum Impfstoff exportieren. Doch das ist nicht der einzige Grund. Ein Überblick, warum es dort besser läuft:

– HAUSÄRZTE UND APOTHEKEN: Alle, die impfen können, tun das auch – so simpel lässt sich die britische Herangehensweise zusammenfassen. So dürfen neben den Impfzentren auch schon seit Monaten Hausärzte impfen. Sogar zahlreiche Apotheken haben eine Zulassung.

10.03.2021, Großbritannien, London: Ältere Menschen kommen in die Poets‘ Corner, einem Teil des Querschiffs der Kirche Westminster Abbey, um ihre Corona-Schutzimpfung zu erhalten. Foto: Stefan Rousseau/PA Wire/dpa

„Die Mehrheit der Impfungen wird von Hausärzten vergeben“, erzählt der Mediziner Azeem Majeed vom Imperial College London. Bei ihren Impfzentren sind die Briten erfinderisch: So werden auch leere Stadien, Rennbahnen, Einkaufszentren und sogar Kirchen wie die berühmte Westminster Abbey zu Impfzentren umfunktioniert.

– BENACHRICHTIGUNGEN ÜBER HAUSÄRZTE: Üblicherweise sind die Briten im staatlichen Gesundheitsdienst NHS mit einer Nummer registriert – und damit bei einem Hausarzt in ihrer Nähe. Neben dem offiziellen Brief vom NHS kontaktieren die Hausarztpraxen ihre Patienten auch direkt per SMS oder Telefon, wenn sie beim Impfen an der Reihe sind. Wer keine Benachrichtigung erhält, aber nach offizieller Impfreihenfolge trotzdem dran ist, bekommt auch ohne Einladung einen Termin.

– TERMINVERGABE: Über ein landesweit einheitliches Buchungssystem lassen sich online Impftermine in den Zentren buchen. Dabei stehen meist mehrere Orte zur Auswahl, außerdem lassen sich genaue Uhrzeiten buchen. Wer lieber vom Hausarzt geimpft werden möchte, muss sich manchmal etwas länger gedulden, kann dort aber auch – meist telefonisch – einen Termin ausmachen. Wer benachrichtigt wurde, aber keinen Termin bucht, gerät nicht aus dem Blick. Der sogenannte Immunisierungs-Management-Service hakt per Anruf nach. Außerdem bekommt man SMS mit einer Terminerinnerung aufs Handy geschickt.

16.03.2021, Großbritannien, London: Menschen stehen vor einer Apotheke Schlange und warten darauf eine Impfdosis mit dem Corona-Impfstoff des Herstellers Astrazeneca verabreicht zu bekommen. Foto: Frank Augstein/AP/dpa

– KEINE LAGERUNG: Die Briten legen die zweite Impfdosis nicht zurück. Was im Kühlschrank ist, wird auch geimpft. Man vertraut darauf, dass noch genug Impfstoff verfügbar ist, wenn die zweiten Termine anstehen. Bislang hat sich das ausgezahlt – allerdings ist das Land auch weniger von Lieferengpässen betroffen als die EU. Erst vor wenigen Tagen gab es die erste Meldung, dass einige Millionen Dosen aus indischer Produktion später kommen.

– ABSTAND ZWISCHEN DEN TERMINEN: Großbritannien setzt auf größere Abstände zwischen erster und zweiter Dosis. Beim Astrazeneca-Impfstoff handhaben das andere Länder mittlerweile genauso, nachdem weitere Daten zur Wirksamkeit veröffentlicht wurden. Die Briten strecken jedoch auch bei Biontech/Pfizer das Intervall – und versorgen damit einen größeren Teil ihres Landes mit einer Teil-Immunität durch die erste Dosis.

– ÜBRIGE DOSEN: „Wir verschwenden keinen Impfstoff“, sagt der Mediziner Majeed. Arztpraxen führen Listen mit Patienten, die schnell zur Praxis kommen können, falls am Abend Impfdosen übrig bleiben. So gibt es immer wieder auch Menschen, die geimpft werden, obwohl sie eigentlich noch gar nicht an der Reihe sind – aber zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

– MEHR MUT ZUM RISIKO: Während etliche EU-Staaten wegen sehr seltener Fälle an seltenen Nebenwirkungen wie Blutgerinnseln zeitweise aussetzen, impften die Briten weiter. Die britische Zulassungsbehörde rief Menschen mit länger anhaltenden Nebenwirkungen zwar auf, sich Rat beim Arzt zu suchen. Allerdings betont die Regierung durchgehend, die Vorteile der Impfung seien bei weitem größer als die Risken. Der medizinische Regierungsberater Jonathan Van-Tam sagt: „Impfstoff rettet keine Leben, wenn er im Kühlschrank liegt.“ (dpa)

14 Antworten auf “Jeder zweite Erwachsene geimpft: Was Briten besser machen als Europa – Johnson feiert „fantastischen Erfolg“”

  1. Frittewelsch

    Zu allererst haben die mal früh genug Impfstoffe bestellt (im Gegensatz zur EU) und werden damit auch als erstes mit grösseren Mengen beliefert. Der Rest ist dann eher nebensächlich und eine Implikation der Verfügbarkeit.

    • Walter Keutgen

      Frittewelsch, der Rest ist eben nicht nebensächlich. In Deutschland liegen haufenweise gehortete Impfdosen herum. Frankreich, Deutschland und Belgien sind halt Bürokratiemonster.

  2. Johann Klos

    Tja, wenn man Ämter wie das Gesundheitswesen an “ nette Jungs ohne besondere Qualifikation “ vergibt sollte man sich im Nachhinein nicht wundern mit welcher Effizienz im Ernstfall solche Strategen wirkliche Probleme meistern.

    • Walter Keutgen

      Halbwahrheiten, Sie haben sich ein fast wahres Pseudonym ausgesucht. Wie wäre es mit Unwahrheiten? Die EU hat überhaupt nichts mit dem Impfen zu tun und da hapert es bei uns und in Deutschland.

  3. Rudi Zuckert

    Die Briten machen das schneller und besser weil da nur ein paar richtige Entscheider bestimmen!
    Und nicht wie bei uns hier, wo jeder Regionale Möchtegerne seinen Senf und Ideen dazugeben will, und gibt. Genau solche Misere ist es in der BRD. Da will auch jedes Land irgendwie, irgendwas zu sagen haben, schon allein für’s Image!? Da sind zumindest einige Länder fast so Gross wie ganz Belgien! Wenn man sieht das unser MP immer dabei ist, und das für einige Tausende Leute, da muss man sich das seine schon dabei bedenken?? Wie bei so vielem, zu viele Köche verderben den Brei.

    • Ich denke die Kosten des MP zu den Konzertier… wären besser in die Impfungen gesteckt worden! Da wäre das Thema in OB durch! Israel hat ca. soviele Einwohner wie….! Da ist das Thema durch!

  4. delegierter

    das kommt davon, wenn die Posten nach Parteikarten an gescheiterte Politiker und deren Verwandte verteilt werden.
    Hätte man fähige Leute, dann bräuchte man nur ein viertel an Personal und es würde auch nicht teurer.

    • Es sind noch nicht einmal fähigere Leute notwendig! Die Unfähigen müssten nur bereit sein Staatsstellen durch Digitalisierung einzusparen und durch das frei werdende Kapital die tellen in der Privatwirtschat zu besetzen! Aber es scheint leider so das die lieber alles in den Ruin ziehen statt der Logik ins Auge zu blicken!

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