Gesellschaft

Tippen oder Kritzeln: Sollten Schüler heutzutage überhaupt noch lernen, mit der Hand zu schreiben?

Eine Person schreibt bei einem Kurs in der Volkshochschule. Foto: Bernd Wüstneck/zb/dpa

Kaum ein Job, der heute noch ohne Tippen am Computer auskommt. Sollten Schüler also überhaupt noch lernen, mit der Hand zu schreiben? Unbedingt, meinen Forscher – allerdings nicht auf Kosten des Tippens.

A wie Apfel, B wie Birne, C wie Computer – mit Schulbeginn heißt es für Erstklässler: Schreiben lernen. Manche Buchstaben sind einfach, andere gelingen nicht direkt beim ersten Anlauf. Doch nach und nach erarbeiten sich die Grundschüler eine Technik, die sie ihr ganzes Leben lang begleiten wird – das Schreiben mit der Hand.

Schon seit Jahrzehnten diskutieren Wissenschaftler und Pädagogen über die Vor- und Nachteile verschiedener Schriftarten und Lernmethoden. Längst kommt heute auch das digitale Schreiben hinzu, das in vielen Berufen unverzichtbar ist.

Stifte und Hefte brauchen die Schüler nach wie vor. Foto: Shutterstock

Skeptiker sehen dadurch die Handschrift in Gefahr. Sie fürchten um das kulturelle Gut, aber auch um die motorischen Fähigkeiten, die beim Schreiben mit der Hand erlernt und gefördert werden. Wissenschaftler des Mercator-Instituts der Uni Köln haben nun bisherige Studien zum Thema ausgewertet.

„Auf Grundlage der bisherigen Forschungsergebnisse ergibt es daher keinen Sinn, das Handschreiben und Tastaturschreiben gegeneinander auszuspielen“, schreibt der Direktor des Mercator-Instituts, Michael Becker-Mrotzek. „Anstatt die Entweder-oder-Frage zu stellen, sollten Lehrkräfte besser beide Techniken fördern und fordern.“ Zwar gebe es Hinweise darauf, dass sich Schreiben mit der Hand positiv auf feinmotorische Fähigkeiten und das Gehirn auswirke. Andererseits gibt es den Forschern zufolge auch Erkenntnisse dazu, dass Schüler beim digitalen Tippen durchschnittlich längere, sprachlich richtigere und inhaltlich sinnvollere Texte abliefern.

Auch Christian Marquardt vom Schreibmotorik Institut beschäftigt sich seit Jahren damit, welche Bedeutung das Schreiben mit der Hand für den Menschen hat. Ihm zufolge ist es von Fähigkeiten der Schüler abhängig, ob das Handschreiben positive Effekte habe oder nicht. „Es gibt bei den guten Schreibern Vorteile, bei den schlechten Schreibern Nachteile“, sagt er.

Flüssige und lesbare Handschrift immer schwerer

Schreiben mit der Hand und das Tippen sind für den Experten zwei grundsätzlich unterschiedliche Abläufe. „Sie müssen beim Schreiben mit der Hand viel mehr in die Zukunft denken“, sagt Marquardt. Die Informationen müssten in kleine Einheit zerhackt und der Bewegungsfluss müsse vorausgeplant werden. Da das Tippen grundsätzlich schneller gehe, sei es dabei nicht so sehr notwendig, Informationen stark zu abstrahieren.

Foto: Shutterstock

„Es gibt da relativ massive Grabenkämpfe“, sagt Marquardt – zwischen Traditionalisten auf der einen Seite und jenen Vertretern auf der anderen Seite, die digitale Bildung vorantreiben wollen. Er selbst hält es – wie auch die Kölner Forscher – für sinnvoll, beide Methoden miteinander zu verzahnen. Wenn Kinder in der Handschrift einigermaßen sicher seien, könne man das mit digitalen Geräten unterstützen.

“Ich würde nämlich digitales Schreiben nicht nur aufs Tippen beschränken“, sagt Marquardt. So könne etwa ein digitaler Stift helfen, die Handschrift zu verbessern und Buchstaben sicher zu erlernen.

Doch das mit der Unterstützung wird zunehmend zum Problem, wie eine Online-Befragung unter Lehrern belegt, die der Verband Bildung und Erziehung vor einigen Monaten durchgeführt hat. Darin stellen Grundschullehrer bei mehr als einem Drittel ihrer Schüler Probleme fest, eine flüssige und lesbare Handschrift zu entwickeln. Die meisten sind sich einig: Ein spezielles Training und mehr Übung zuhause und in der Schule würden helfen. Dafür bleibt aber im hektischen Schulalltag oft keine Zeit.

So wichtig das Schreiben auch ist – es lernt sich nicht von allein. „Unser Schreibunterricht ist antiquiert und wird in dieser Form nicht überleben können“, kritisiert Marquardt. Durch größere und heterogenere Klassen hätten die Lehrkräfte gar nicht mehr ausreichend Zeit, um Kinder individuell zu fördern.

Entscheidend ist also nicht so sehr, welche Schrift man schreibt oder mit welchem Medium – sondern dass man Raum und Zeit bekommt, das Schreiben zu lernen. (dpa)

31 Antworten auf “Tippen oder Kritzeln: Sollten Schüler heutzutage überhaupt noch lernen, mit der Hand zu schreiben?”

  1. Feste drücken!

    Daß das überhaupt thematisiert wird zeigt, wie verkommen und technologisch verblödet wir hier sind.
    Die Zeit naht wenn die ach so klugen Menschen.in.?!+*.2 einen GPS brauchen werden um vor der Couch aufs Klo zu gehen. DAnn wird’s schiwerig: Was soll ich da tun?

    • Besorgte Mutter

      Dass viele Menschen bald den einfachsten Weg von A nach B ohne Navi nicht mehr finden werden, da stimme ich voll und ganz mit Ihnen überein.
      Was jedoch das Schreiben angeht, da gehöre ich zu denen die das ganze gequälte mit der Schönschrifft schon als ein Thema von vorgestern ansehen. Mal Hand aufs Herz, welche Texte werden denn noch Handschriftlich verfasst?
      Wenn überhaupt noch, dann sind es doch nur noch Notitzen für den eigenen Gebrauch.
      Ich bin bestimmt nicht dagegen dass die Handschrifft noch erlernt wird, aber das mitunter übertriebene Theater mit der Schönschrifft sollte schon zugunsten der guten Beherrschung der Tastatur beendet werden.

  2. Ich halte das Erlernen und Pflegen einer guten Handschrift für sehr wichtig. Nach meinen Erfahrunge besteht bein Zusammenhang zwischen Schriftbild und Fehlerhäufigkeit. Oft mögen die Schüler mit unleserlicher/schlechter Handschrift ihre eigenen Texte nicht mehr lesen bzw. können es selbst nicht mehr.

    Im Übrigen wird die Feinmotorik geschult, die Mensch auch in anderen Zusammenhängen benötigt.

    • Jockel F.

      Mit dem letzten Satz hast du natürlich Recht, das ist wissenschaftlich erwiesen.
      Ansonsten ist es selbstredend so, dass viele Menschen ihre orthographischen Unzulänglichkeiten (wohl eher unbewusst) hinter einer undeutlichen Schrift verstecken oder gar versuchen, das Schreiben mit der Hand ganz zu vermeiden.

    • Jockel F.

      Es heißt Pfusch.
      Und, nein, benötigen sie nicht. Auch die sind inzwischen digitalisiert und werden während den Prüfungen per Handy durchs Klassenzimmer geschickt. Und muss man das Handy vor der Prüfung beim Lehrer abgeben, dann bringt man halt ein zweites mit.

  3. Das Erlernen der Schreibschrift ist genauso wichtig wie das Erlernen des Rechnens: Kein Kind lernt Rechnen mit dem Taschenrechner! Oder ein ähnliches Beispiel ist die Buchführung: Jeder muss zunächst die Zusammenhänge über T-Konten lernen und verstehen, bevor man weitergehen kann.

    Es ist also unerlässlich, dass Kinder zunächst vernüftig Schreiben lernen, bevor man sie auf Tastaturen loslässt.

  4. Niemand lernt rechnen mit dem Taschenrechner und niemand lernt schreiben am Computer. Das Gehirn arbeitet „analog“ und Computer sind nur (phantastische) Werkzeuge – aber völlig wertlos wenn man die Grundlagen nicht beherrscht. Eine Reihe i schreiben und 1+1 =2 auf dem Papier rechnen, damit fängt das Lernen an, das ist die Basis von allem was danach folgt.

  5. Phenomen!

    Es ist nicht nur ein Problem der Kinder, es ist auch eine Nachlässigkeit von Erwachsenen geworden. Selbst unsere Politiker/innen sind angesteckt davon. Können nicht mal mehr rechnen z Bspl. So der Irrtum bei den hohen Zahlen welche bei den Kinderzulagen brach lagen. Kritzeln können sogar ganz hohe Persönlichkeiten. Die tun das um den andersdenkenden Kollegen am Rednerpult nicht in die Augen zu schauen. Sehr Empfehlenswerte Methode. Sieht gut aus von draussen.

  6. peter Müller

    Unsere Jugend hat sich verändert. Fragen Sie mal Kinder und Enkelkinder wer das Einmaleins im Kopf aufsagen kann. bei 3×9 ist schluss. Genauso können die nicht einen Wirsing von einem Weisskohl unterscheiden.

  7. Vereidiger

    Lesen – Schreiben – Rechnen – – Diese 3 sind die Grundlage nicht nur für das weitere schulische Fortkommen, sondern auch für die meisten Lebenslagen nach der Schulzeit. Wer an der Basis gut gemeinte, aber leider meist verfehlte Vereinfachungen vornimmt, vereinfacht den Kindern keinesfalls das spätere Leben.
    Für mich steht außer Frage, dass von Anfang an gelernt werden muss, so zu schreiben (auch und gerade handschriftlich), dass auch andere das ohne große Probleme noch lesen können. Ob das nun mit „Schönschreibung“ oder in anderen Formen geübt wird, ist mir egal. Das Ergebnis muss stimmen!

  8. Klar schreiben mit der Hand lernen. Wo soll sonst die nächste Generation Tätowierer herkommen. Wäre doch zu schade, wenn keiner mehr bunte Sprüche auf seinem Körper kritzeln lassen könnte.

  9. nachlassende Schulleistungen

    Die Schulleistungen lassen immer mehr nach, nicht nur in der Rechtschreibung. Das ist Tatsache.
    Woher kommt das? Reizüberflutung, gestörte Familienverhältnisse usw.
    Da ist die Schule auch oft machtlos und überfordert.

    • Seit den 80ern

      Das wurde in den USA bereits seit Ende der 80ern festgestellt. Und die Gründe sind klar wie Kristall.
      Seltsam, nicht wahr, sind die progressiven Ewigmorgigen doch immer der Meinung, daß früher alles schlecht war. Ein Bereich mehr, in dem man getrost behaupten darf: Früher war es besser.
      Und jetzt werden AchGott und die Ewigmorgigen aufschreien: 1933 ist wieder da.
      Wetten?

  10. Deuxtrois

    Eigentlicheine total überflüssige Debatte, genau wie dieser Artikel. In jedem noch so digitalisiertem Büro werden ab und an noch Dinge mit der Hand aufgeschrieben. Was soll es bringen, das Schreiben zu verlernen? Soll man sich als Analphabet wohl fühlen? Da kommen ja wieder echte „Experten“ zu Wort. Ich kenne keinen Pädagogen der das manuelle Schreiben abschaffen würde, also worum geht es nun wirklich?

  11. RaymondW

    Wenn ich jetzt nochmal etwas von Hand schreibe, muss ich mit erstaunen feststellen, dass das nicht mehr so flüssig und leserlich vonstatten geht. Es ist der Digitalisierung geschuldet, dass man es schlichtweg verlernt. Genauso ist das mit Sprachen, die man nicht (mehr) regelmäßig spricht. Ich habe immer die Apotheker bedauert wenn sie die gekritzelten Rezepte lesen mussten. Das hat sich zum Glück größtenteils geändert. Auch für die Schüler ist es wichtig eine gut leserliche Handschrift zu erlernen, denn Technik ist nur gut wenn sie funktioniert. Außerdem müssen (sollten) noch immer einige Dinge handschriftlich verfasst werden.

  12. Mal einen Punkt zur weiteren Diskussion:

    An Stelle von kursiver Schönschrift könnte man auch in Druchbuchstaben schreiben. Meine Klaue ist immer eine Kombination von Schrift- und Druckbuchstaben. Damit bleiben meine schnelle Notizen mehr oder weniger leserlich.

    • Großbuchstaben sind nazi!

      Vor 2 Wochen mahnte mich eBay an: Großbuchstaben wären… „abusive“.
      Daß man Kapitälchen nutzt um etwas hervorheben scheint den eBay-Leuten nicht einzufallen.
      Wir erleben spannnede Zeiten, alles wird „dekonstruiert“, alles wird durcheinander geworfen, alles wird schlechter.

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