In der DG hat das Theater im Herbst Hochkonjunktur. In St.Vith findet vom 16. bis 21. Oktober das 25. Internationale Theaterfest der Deutschsprachigen Gemeinschaft statt, und ab Ende Oktober wird das Grenzlandtheater Aachen sieben seiner acht laufenden Produktionen auch im Eupener Jünglingshaus zeigen.
Die Jubiläumsausgabe des Internationalen Theaterfestes in St.Vith steht unter dem Motto „Entschleunigung“. Was es damit auf sich hat, erläutern Roger Hilgers, Kurt Pothen und Viola Streicher, die das künstlerische Leitungsteam des 25. Theaterfestes bilden, wie folgt: „Das diesjährige Motto des Theaterfestes ist ein Appell an uns selbst: Theater sollte sich nicht ausruhen, zurücklehnen, es sich nicht bequem machen und mit den bestehenden Verhältnissen arrangieren, sondern in Bewegung bleiben. Wir entschleunigen und verschnaufen, nicht um Fett anzusetzen, sondern um Kraft zu schöpfen und um gegen den Strom anzuschwimmen.“
Die Annektierung der Ostkantone
In St.Vith wird Theater in den unterschiedlichsten Formen gezeigt: Akrobatik-, Tanz-, Figuren-, Musik-, Objekttheater, Theater mit Worten und ohne Worte. Zu Gast sind Künstler aus Italien, der Schweiz, Frankreich, Deutschland, der Wallonie, Brüssel und Flandern.
Besonders hervorzuheben ist das Stück „Le carnaval des ombres“ der Compagnie „Rideau de Bruxelles“ (ist allerdings schon ausverkauft), bei dem Serge Demoulin als Spieler und Autor gleich doppelt für den belgischen Kritikerpreis nominiert ist. Er erweist mit dem Stück eine Hommage an seine Heimat Weismes und Malmedy. Mit Subtilität, Humor und Entschiedenheit enthüllt er ein oft verschwiegenes Kapitel belgischer Geschichte: die Annektierung der Ostkantone durch das nationalsozialistische Deutschland 1940 und das Schweigen des belgischen Staates. Im Anschluss an die Aufführung findet ein Zuschauergespräch mit dem Autor und dem ostbelgischen Historiker Freddy Cremer statt.
Grenzlandtheater Aachen wieder in Eupen
„Warum eigentlich nicht in Eupen?“ Diese Frage stellte sich im Frühjahr Uwe Brandt, Intendant des Aachener Grenzlandtheaters, und er gab auch gleich die Antwort: Ab Ende Oktober bis Juli 2013 wird die Aachener Bühne sieben ihrer acht laufenden Produktionen auch im Eupener Jünglingshaus zeigen.
Für das Aachener Haus ist das gewissermaßen eine Rückkehr. Seit 1950 bis in die 90er Jahre spielte das Grenzlandtheater regelmäßig in Ostbelgien. Dem jetzt geplanten Neustart waren Kontakte der Stadt Eupen zur Städteregion Aachen – das Theater gehört dem Kreis Aachen – und des Kulturellen Komitees zum Intendanten Uwe Brandt vorausgegangen.
Zum ersten Mal geht am 27. Oktober um 20 Uhr im Jünglingshaus der Vorhang auf für das Shakespeare-Stück „Ein Sommernachtstraum“. Bei der Premiere in Aachen wurde die Inszenierung mit Beifall überhäuft. Es folgen u. a. das Musical „La Cage aux Folles“, die Komödie von Dario Fo, „Offene Zweierbeziehung“, und ein Schauspiel von Max Frisch: „Biografie: Ein Spiel“.
„Anspruchsvoll, aber zugänglich“
Karin Breuer vom Kulturellen Komitee hofft auf eine Zusammenarbeit mit dem Grenzlandtheater, die über diese eine Spielzeit hinausgeht. Auch Uwe Brandt ist optimistisch und lobt die neue Spielstätte.
Gerade rechtzeitig wurde das Jünglingshaus für 50.000 Euro mit einer neuen Bestuhlung ausgestattet. Die Kosten teilen sich Stadt Eupen und Deutschsprachige Gemeinschaft.
Als „anspruchsvoll, aber zugänglich“ charakterisiert Karin Breuer die Produktionen des Grenzlandtheaters – ein Urteil, mit dem Uwe Brandt durchaus leben kann. Für ihn gehört seine Arbeit zur allgemeinen Daseinsfürsorge: „Theater ist kein Luxus, sondern ein Grundnahrungsmittel“.
Übrigens gibt es die Karten für die erste Spielzeit auch im Abo für 135/115 Euro. Das ist deutlich günstiger als eine Fahrt mit Nebenkosten nach Aachen, wo das Grenzlandtheater bei einer Auslastung von 98 Prozent häufig ausgebucht ist.
Weitere Infos im Internet jeweils unter www.theaterfest.net und www.grenzlandtheater.de
GERARD CREMER und ULRICH KÖLSCH
ein Grundnahrungsmittel ? Dann sind wohl nicht wenige Ostbelgier bereits geistig verhungert und/oder nicht schlau genug, um das Theaterfest zu besuchen.
Es ist schon bedauerlich, dass Agora trotz internationaler Erfolge regional kaum Anerkennung findet.
Stattdessen vergnügt sich das ostbelgische Volk lieber in sinnfreien Dorftheatervorstellungen.
Wie dem auch sei, jedem das seine ! Auf Ebene des Theaterfestes werden die Akteure sich schon gegenseitig ihre Wunden lecken.
Ich bin der Meinung, dass auch anspruchsvolleres Theater ohne staatliche Beihilfen funktionieren kann.
Das dörfliche Theater scheint wohl eher auf den Geschmack des Publikums zugeschnitten zu sein. Mag so manches Stück auch nicht ein geistiger Ausbruch sein, so finden diese Stücke doch jedes Jahr ein großes Publikum. Diese Vereine können sich auch ohne (zu) große Subventionierung seitens der DG über Wasser halten. Die zu Weilen recht arrogante, selbstverliebte Art mit der so mancher Kulturschaffende (Agora, IreneK,…) in der DG auftritt findet da eben keinen Platz bei den („dummen, kleingeistigen“) Ostbelgiern. Wie wäre es, so manche Fördergelder in ein Kulturzentrum in Eupen zu stecken, mit Bühnen für geistreiche und geistlos Kunst gleichermaßen.
Sehr geehrter Herr Grabowski,
Ihren Einsatz für das Theaterfest in allen Ehren, aber als Schauspieler bei einer Laiengruppe, verbitte ich mir derart herabstufende Kommentare. Es gibt sehr wohl anspruchsvolles Laientheater. Auch wenn wir darauf angewiesen sind in gewisser Regelmäßigkeit Stücke „für das Dorf“ zu spielen, da die nunmal unsere Karten kaufen.
Sollten Sie mit 300 ebenso intellektuellen Freunden vorbeikommen, spielen wir auch gerne Oscar Wilde.
Wieso werden hier sinnlos künstliche Gräben gezogen? Das professionelle Theater der AGORA und die Dorfgruppen ergänzen und befruchten sich doch wunderbar!!! So sind zahlreiche Akteure der Theatergruppe Crombach treue Besucher des Theaterfestes und der AGORA-Premieren – und die Schauspieler der AGORA sind treue Besucher in Crombach! Um nur ein Beispiel zu nennen. Dass ein Theater wie die AGORA auf einer ganz anderen Ebene arbeitet und dafür auch Zuschüsse erhält, erscheint mir logisch. Die Mitarbeiter leben davon – es ist ihr Beruf. Die DG braucht kritische Köpfe und kritisches Theater, welches mal die Tür aufmacht und frische Luft rein lässt. Ich jedenfalls freue mich schon auf eine Prise frische Luft auf dem Theaterfest in St. Vith – und auf einen kurzweiligen Abend mit Dürrenmatt in Crombach.
Hallo zusammen,
Die Frage stellt sich doch, warum Agora bei der Bevölkerung nicht angenommen wird. Ich sehe das so: Es ist schwere „Kost“ und als Schüler wird man genötigt dorthin zu gehen, oder mann muss Strafarbeit schreiben (zumindest war es bei mir so, vor 10 Jahren). Allein dieser Zwang macht, dass die Schüler sich dagegen sträuben! Außerdem ist der Stundenplan so straff, dass die Lehrer keine Zeit haben das Stück im Unterricht zu erläutern (Ausnahmen bestätigen die Regel). Das zeigt doch schon, dass „ein Theaterstück zu verstehen“ in unseren Lehranstalten, die nur auf Leistung trainieren, nicht als wertvoll angesehen wird.
Die Vermittlung von Theater in der Schule ist nach aktuellen Massstäben viel mehr als „ein Stück verstehen“. Es gibt in der Kunst keine Deutungshoheit. Es stimmt, dass der Stundenplan „straff“ ist – aber es werden auch Schlüsselkompetenzen abverlangt, für deren Vermittlung sich Theater hervorragend eignet. Übrigens die ganz eigene Methode der Agora ganz besonders… Und das Projekte „Junge Agora“ hat mit tollen Mädels ein tolles, sehr kurzweiliges Stück zur Aufführung gebracht. Ich weiss nicht, ob die Agora bei der hiesigen Bevölkerung nicht angenommen wird?! Ich höre auch (auch!) viel Lachen in einer Aufführung der Truppe. Aber um das zu beurteilen, müssten Sie sich vielleicht noch mal ein Stück ansehen, Herr oder Frau Altweltaffe.
N.B.: Es ist nicht schlimm, seine Meinung unter seinem richtigen Namen zu veröffentlichen. Versuchen Sie es mal – tut gar nicht weh!