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CDU-Vorsitz: Drei Favoriten und Norbert Röttgen als Überraschungskandidat

18.02.2020, Berlin: Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, steht zu Beginn einer Pressekonferenz vor Medienvertretern. Foto: Christoph Soeder/dpa

Friedrich Merz, Jens Spahn, Armin Laschet – sie alle gelten als Anwärter auf den CDU-Vorsitz. Richtig aus der Deckung gewagt hat sich bislang keiner von ihnen. Das tut nun überraschend ein anderer Politiker aus Nordrhein-Westfalen: Norbert Röttgen.

Nein, er sei nicht der vierte Bewerber aus Nordrhein-Westfalen, sondern der erste, der sich öffentlich und offiziell um den CDU-Vorsitz bewerbe. Der Satz kann durchaus als Kampfansage von Norbert Röttgen gewertet werden an die bisherigen „Favoriten“: Ministerpräsident Armin Laschet, Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz und Gesundheitsminister Jens Spahn – alle wie Röttgen aus NRW.

Laschet und Spahn sprachen zuletzt davon, dass eine Teamlösung das Beste wäre, um eine Kampfkandidatur und damit eine weitere Spaltung der Partei zu vermeiden.

18.02.2020, Berlin: Norbert Röttgen, (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, spricht bei einer Pressekonferenz. Foto: Michael Kappeler/dpa

Natürlich sei auch er für ein Team. „Wie sollte man auch dagegen sein?“, fragte Röttgen. Er habe aber bei dem Teamgedanken den Verdacht, dass man – im Hinterzimmer? – zu „machtpolitischen Lösungen“ komme. Es gehe eher um Taktik, wie man die Interessen Einzelner unter einen Hut bringen könne. Inhalte blieben auf der Strecke. „Das Verfahren hat mich nicht überzeugt.“ Und er sei auch nicht am bisherigen Prozess von „Kandidaten oder Vielleicht-Kandidaten“ beteiligt gewesen.

Seine Vorstellung: Bis zur Sommerpause auf einem Sonderparteitag den Vorsitz neu wählen, dann bis Ende des Jahres in Absprache mit der CSU die Kanzlerkandidatur regeln. Wobei der oder die Parteivorsitzende selbstverständlich den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur habe. Er stelle sich offen dem Wettbewerb, sagt Röttgen.

Allerdings wäre Röttgen wohl ohne eine offizielle und öffentliche Ankündigung seiner Kandidatur gar nicht erst in dieses Verfahren hineingekommen. Ihm hängt die verlorene NRW-Landtagswahl 2012 nach und der anschließende Rauswurf aus dem Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel. Auch kann er sich anders als die drei Favoriten wohl auf keine größeren parteiinternen Truppen stützen. In seinem Heimatverband NRW gebe es für Röttgen jedenfalls keine breite Unterstützung, glaubt man in der Partei.

22.11.2018, Berlin: Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Vizevorsitzender der CDU, aufgenommen bei einem dpa-Interview. Foto: Michael Kappeler/dpa

Röttgen selbst sagt, er wolle sich auch nicht einordnen lassen in mehr oder weniger konservativ oder auf der Mitte-Linie Merkels. Er macht also auf eigene Rechnung, wie etliche in der Partei meinen.

Doch nun hat Röttgen die Option, es auf eine Kampfkandidatur ankommen zu lassen, was man in der Parteispitze vermeiden wollte. Ob er sie nutzt und mit einem achtbaren Ergebnis seinen Marktwert als Außenpolitiker mit Option, Minister im Auswärtigen Amt zu werden, oder auf den Fraktionsvorsitz wahrt, ist offen.

Möglicherweise lässt er sich auch vorher doch noch in ein „Team“ einbinden mit entsprechenden Zusagen. Jedenfalls dürfte er die Favoriten irritiert und deren Pläne durcheinander gebracht haben.

Röttgens überraschender Auftritt lässt an diesem Tag jedenfalls ein Treffen fast in den Hintergrund rücken, das sonst wohl vor allem das politische Berlin beschäftigt hätte. Nicht einmal zweieinhalb Kilometer entfernt zur Bundespressekonferenz, wo Röttgen gerade seine Überlegungen präsentiert, lässt sich Merz um 11.45 Uhr in einer silbergrauen Limousine mit HSK-Kennzeichen – Hochsauerlandkreis – in die Tiefgarage der CDU-Zentrale in Berlin fahren. Er ist kaum zu erkennen, blättert in einer Zeitung.

Erst fast zwei Stunden später verlässt Merz das Adenauerhaus wieder, eigentlich waren 60 Minuten für das Gespräch mit Annegret Kramp-Karrenbauer angesetzt. Die scheidende Vorsitzende und Verteidigungsministerin hat sich bereits gut 20 Minuten vorher im gepanzerten Dienstwagen aus der Tiefgarage fahren lassen.

31.10.2018, Berlin: Friedrich Merz (CDU) äußert sich bei einer Pressekonferenz zu seiner Kandidatur für das Amt des Parteivorsitzenden der CDU. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Merz habe sich in der Zwischenzeit wohl schon seinen künftigen Arbeitsplatz als CDU-Chef angeschaut, wird vor dem Adenauerhaus gefrotzelt. Inhaltlich gibt es anschließend nur einen dürren Satz des Sauerländers: „Es war ein sehr gutes Gespräch.“

Hört man sich in der CDU um, gibt es verschiedene Lesarten, was die Ankündigung Röttgens für die auf Touren kommende Personaldebatte in der Union und die anderen Kandidaten bedeuten könnte.

Einigkeit besteht vor allem darin, dass Röttgen kaum reelle Chancen auf den Parteivorsitz habe. Er habe einen ohnehin schon komplizierten Findungsprozess zusätzlich erschwert. Eine Kampfkandidatur sei nun viel wahrscheinlicher geworden. Zumal man in der CDU den Eindruck gewonnen hat, Merz werde sich nur in ein Team einbinden lassen, wenn er die Nummer eins – sprich: Parteichef – werde.

Dabei waren in der Parteispitze seit der Rückzugsankündigung von AKK vor gut einer Woche fast nur Stimmen zu hören, die nicht nur eine erneute Kampfkandidatur vermeiden wollten, sondern auch einen langwierigen Prozess mit Regionalkonferenzen wie 2018 vor der Wahl von AKK zur Merkel-Nachfolgerin. Eine weitere Spaltung der Partei soll unbedingt vermieden werden – angesichts der unübersehbaren Gefahr, dass die Grünen bei der Bundestagswahl am Ende auf Platz eins liegen und den Kanzler stellen.

Ob nun als nächster Laschet seinen Hut in den Ring wirft? Am Dienstag feiert er erstmals daheim in NRW seinen 59. Geburtstag.

Zunächst hatte sich der CDU-Bundesvize nicht offiziell erklärt, genauso wenig wie Merz und Spahn. Gibt es am Ende doch noch eine Absprache zwischen Laschet und Spahn? Und wie könnte die aussehen?

26.02.2018, Berlin: Jens Spahn (CDU) spricht auf dem 30. Parteitag der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU). Foto: Bernd Von Jutrczenka/dpa

Laschet steht vor dem Problem, dass er eigentlich in NRW als Spitzenkandidat für die Landtagswahl im Frühjahr 2022 gebraucht wird. Sollte er für den CDU-Vorsitz kandidieren und dann bei der Bundestagswahl als Kanzlerkandidat verlieren, dürfte die weitere Karriere im Land dahin sein.

Spahn hat bisher nur erklärt, er sei bereit, Verantwortung zu übernehmen. Für welchen Posten, lässt er bislang offen. Es gibt die Spekulation, er könne nach der Bundestagswahl zum Fraktionsvorsitz greifen – der derzeit aber mit Ralph Brinkhaus von einem weiteren machtbewussten NRWler besetzt ist.

Außerdem: Bei vier möglichen Kandidaten aus dem stärksten CDU-Verband NRW ist kaum zu erwarten, dass sich die anderen Parteigliederungen damit abfinden, wenn diese versuchen würden, dass Fell des Bären unter sich zu verteilen.

Genauso wenig wie die Frauen in der Partei. Kramp-Karrenbauer wird an diesem Mittwoch mit Spahn und Laschet reden, auch ein Gespräch mit Röttgen steht an. Am Rosenmontag will sie in Präsidium und Vorstand über das weitere Vorgehen berichten. Ob sich bis dahin weitere Kandidaten offiziell aus der Deckung wagen? (dpa)

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