Allgemein

„Niemand muss in Europa Angst haben, wenn er in ein 20 Jahre altes Flugzeug steigt“

Simon Pannock vor der Website von airportzentrale.de.

Es ist jetzt anderthalb Wochen her, dass in den französischen Alpen ein Passagierflugzeug der Fluggesellschaft Germanwings abstürzte. Alle 150 Insassen kamen ums Leben. Das Unglück erscheint immer noch unfassbar. „Ostbelgien Direkt“ hatte die Gelegenheit, mit einem Luftfahrtexperten ein Gespräch zu führen über die Katastrophe und ihre Folgen.

Simon Pannock ist Gründer und Redakteur des Onlinemagazins airportzentrale.de. Zusammen mit einer Eupener Webdesign-Agentur entwickelt er zurzeit eine neue Website.

Nachfolgend das Gespräch mit Simon Pannock, der auch als Hörfunkjournalist arbeitet, im Wortlaut.

OD: Herr Pannock, wenn man weiß, dass kein technischer Defekt zum Absturz des Airbus A320 von Germanwings geführt hat, sondern der Copilot absichtlich den Crash provoziert hat, ist das eher beruhigend oder doch beunruhigend?

Pannock: Sowohl als auch. In erster Linie ist es für Germanwings und den Mutterkonzern Lufthansa sehr beruhigend zu wissen, dass die Technik einwandfrei funktioniert hat. Auch vor dem Hintergrund, dass kurz nach dem Absturz in mehreren Medien das doch sehr hohe Alter der A320-Maschine kritisiert wurde. Sie war 24 Jahre alt, aber dennoch auf dem neuesten technischen Stand. Der Airbus wurde regelmäßig gewartet. Alle sechs Jahre erfolgt ein sogenannter C-Check, bei dem die Flugzeuge komplett auseinander gebaut, überprüft und wieder zusammengesetzt werden. Bei dieser Gelegenheit werden auch technische Updates vorgenommen. Das verunglückte A320-Flugzeug hatte seine letzte große Inspektion im Sommer 2013.

OD: Und was ist Ihrer Ansicht nach das Beunruhigende?

„Nur die Piloten kennen sich im Cockpit aus“, sagt Simon Pannock. Foto: Shutterstock

Pannock: Sehr beunruhigend ist, dass der Copilot in Eigenregie das Flugzeug zum Absturz gebracht hat und dies von der Crew nicht verhindert werden konnte… Wurde die Sicherheitstür zwischen Cockpit und Kabine doch extra für eine ungewollte Flugzeugübernahme nach dem 11. September 2001 eingebaut. Man nennt sie auch „Post-9/11-Tür“.

OD: Einen technischen Defekt kann man beheben, aber gegen das menschliche Versagen bzw. einen erweiterten Selbstmord kann man wenig tun. Oder doch?

Pannock: Alle Fluggesellschaften, mit denen ich in den letzten Tagen Kontakt hatte, stellen sich genau diese Frage. Fast alle Airlines in Europa setzen jetzt die 2-Personen-Regel im Cockpit um. Doch der Nutzen dieser Regel ist fraglich. In den USA gibt es sie schon länger. Viele Crewmitglieder bezweifeln den Nutzen. Verlässt ein Pilot das Cockpit, wird eine Flugbegleiterin gerufen. Nicht selten bekommt sie gesagt: „Setze dich hin, packe nichts an, verhalte dich ruhig.“ Fakt ist: Nur die Piloten kennen sich im Cockpit aus. Ob die Flugbegleiter tatsächlich einen Absturz verhindern könnten, ist sehr fraglich. Gleichwohl ist die Hemmschwelle höher, wenn das Cockpit durch eine weitere Person besetzt ist.

OD: Es wurde zuletzt Kritik an den Medien wegen der Berichterstattung zum Flugzeugunglück in den Alpen geübt, u.a. an den Talksendungen. Ist die Kritik Ihrer Ansicht nach berechtigt?

Eine Germanwings-Maschine dieses Typs stürzte in Südfrankreich ab. Foto: Shutterstock

Eine Germanwings-Maschine dieses Typs stürzte in Südfrankreich ab. Foto: Shutterstock

Pannock: Leider haben einige Medien beim Wettlauf um die meisten Hörer-Zuschauer-Leser ihre journalistischen Grundwerte vergessen. Gegenseitig hat man sich mit neuesten Spekulationen überboten, Gerüchte wurden als Fakten verkauft und Menschen vorverurteilt. Das ist sicherlich nicht berechtigt gewesen.

OD: Welcher Aspekt der Flugzeugkatastrophe wurde Ihrer Ansicht nach überbewertet, und was kam in der Berichterstattung der Medien zu kurz?

Pannock: Lange Zeit wurde das Alter der Maschine kritisiert. Massiv wurde versucht, einen technischen Fehler, den man nicht kannte, plausibel zu machen. Sicherlich ist es schwer, aus keinen Infos irgendwelche Neuigkeiten zu zaubern. Doch das Alter einer Maschine hat überhaupt nichts mit ihrem Zustand zu tun, wie ich bereits vorhin erklärt habe. Niemand muss in Europa Angst haben, wenn er in ein 20 Jahre altes Flugzeug steigt. Die EU führt eine Blacklist für Airlines, die nicht den europäischen Standards entsprechen. Diese Airlines dürfen nicht in den europäischen Luftraum einfliegen. Die Liste wird jährlich aktualisiert.

OD: Und was kam zu kurz?

Pannock: Im Wesentlichen wurde alles ausgeschlachtet. Nachrichtensender haben 24 Stunden am Tag nur ein Thema gehabt, da wurde viel erzählt. Vielleicht sogar ein wenig zu viel.

OD: Welche Folgen wird die Katastrophe haben, abgesehen davon, dass die meisten Airlines jetzt vorschreiben, dass immer zwei Personen im Cockpit sein müssen?

Eine Gedenkstele in der Nähe des Absturzgebiets. Foto: dpa

Eine Gedenkstele zu Ehren der Opfer in der Nähe des Absturzgebiets. Foto: dpa

Pannock: Es gibt massive Unsicherheiten. Sowohl bei der Crew als auch bei den Passagieren. Ich hörte von Piloten, die nun jeden Passagier persönlich mit einem Handschlag und den Worten „Ich will auch wieder nach Hause“ begrüßen. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite sitzen die Ingenieure und Politiker, die sich derzeit die Köpfe zerbrechen. Airbus will in Zukunft Blackboxen verbauen, die bei einem Aufprall aus dem Flugzeug geschleudert werden und dadurch – mit etwas Glück – nicht den gleichen Schaden wie das Flugzeug nehmen. Doch ist die Blackbox gefragt, ist es eh schon zu spät… Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière will eine Ausweispflicht auf allen Flügen im Schengen-Raum einzuführen. Was das soll, weiß ich nicht. Wir haben kein Terroristenproblem auf europäischen Flügen, und die – verzeihen Sie mir – Identität der Piloten sollte den Airlines bekannt sein. (cre)

OD: Noch ein Wort zu www.airportzentrale.de. Was ist das Besondere an Ihrer Website? Welches ist Ihr Zielpublikum?

Pannock: Wir berichten täglich aus der Luftfahrtbranche. Unsere Leser arbeiten häufig selbst in der Reise- oder Luftfahrtbranche. Aber genauso werden wir von vielen Luftfahrtbegeisterten gelesen. Derzeit entwickeln wir mit einem jungen Entwicklerteam aus Belgien eine neue Webseite. Mit der neuen Seite werden wir uns fit für die Zukunft machen. (cre)

Siehe auch www.airportzentrale.de

Siehe auch Artikel „Flugsdatenchreiber gefunden – Copilot informierte sich im Internet über Selbsttötung“

16 Antworten auf “„Niemand muss in Europa Angst haben, wenn er in ein 20 Jahre altes Flugzeug steigt“”

  1. Mischutka

    Wenn Simon Pannock sagt, eine 2-Personen-Regel im Cockpit sei nicht immer gut, wenn da einer kommandiert : „Setz dich hin und packe nichts an“ hat er sehr wohl Recht ! Da können 3 oder 4 Personen anwesend sein und wenn die nichts dürfen, ist das zwecklos.
    Anders wäre es (meiner Meinung nach), wenn z.B. der Autopilot NUR von 2 Personen ausgeschaltet werden könnte. Also wenn einer das Cockpit verlässt, kann der andere alleine gar nichts machen. Bei der heutigen Technik MUSS das doch möglich sein. Und wenn einer auf Toilette muss, bleibt er dort garantiert keine 10 – 15 Minuten. Ausserdem müsste es doch auch möglich sein, dass es dem „ausgesperrten“ Piloten immer gelingt, durch persönlichen Geheimcode, den nur er kennt, eine Tür immer zu öffnen. Es könnte ja auch mal ein technischer Defekt vorliegen. Hoffentlich ist man jetzt seitens der Ingenieure wieder etwas schlauer geworden. Ich sage hoffentlich.
    MfG.

      • Gudrun Geisler

        @Marc Van Houtte: Verstehe. Verstehen tu ich aber nicht, warum, trotz nicht Kolabieren der Piloten, manche Sitze, nach Lande-Anflug, immer vollgepinkelt sind (erklärt evtl.manche „Delayed“ beim nächsten Start…). Vielleicht sollten die Airlines, statt Tageszeitungen, Windelpakete anbieten.

        • Marc Van Houtte

          Dieauf den Sitzen machen sollen halt den Zug nehmen mit dem Auto fahren einen anderen Job suchen und auf ihren Urlaub in der Ferne verzichten.
          Übrigens gegen die Leute mit Flugangst die ich kenne zur Toilette.
          Kann ich nur empfehlen Frau Geisler.

      • Mischutka

        @ Marc Van Houtte :
        Hallo Marc… das glaube ich sehr gerne. Es ist nur so, dass die Landungen nicht mit AP geflogen werden, sondern von Hand. Genau wie der Start. Und jeder der beiden Piloten kann alleine starten und landen. Das wird immer wieder neu geübt. Das hat mir mal ein Pilot von Bxl.Airlines erklärt. (der übrigens längere Zeit in Eupen gewohnt hat).
        MfG. und frohe Ostern.

        • Marc Van Houtte

          @Mischutka
          Deine Infos sind veraltet.
          Der AP kann bis zur Decision Altitude/Height geflogen werden.Es gibt sogar die Automatiche landung.
          Der AP ist dann im Vertical-Speed-Hold.
          VNAV‘: halt das Flugzeug auf den Glideslope entsprechend dem eingegebenen
          Wert für NAV1 (muss im Autopilot-Dialog eingegeben werden) mittels
          Höhenruder. Voraussetzung ist dass das eingegebene NAV1 ein ILS ist und das
          ILS über ein Glideslope-Signal verfügt.

          • Mischutka

            @ Marc Van Houtte :
            Hallo Marc, du kannst sehr gut Recht haben, dass diese Info „veraltet“ ist. Denn es ist ziemlich genau 12-13 Jahre her, als dieser Berufspilot mir das erklärt hat. Interessant die genauen Infos deinerseits. Ich selbst bin schon ca. 30 x geflogen. Davon aber 25 x im Winter auf den A****. (Und nur 5 x in Urlaub)…..
            MfG.

  2. Eastwind

    Für Otto Normalpassagier wäre in der Tat ein technischer Defekt das kleinere Übel gewesen. Einen technischen Defekt kann man erkennen und beheben. Wenn man aber fürchten muss, dass sich hinter einem äußerlich ganz normal aussehenden Piloten oder Copiloten ein lebensmüder Verrückter versteckt, dann wird einem angst und bange.

  3. Wie schnell die ein Deckel drauf gemacht haben mit diese Geschaehnisse!!
    Jetzt berichtet keine mehr davon- fuer mich bleibt es dass der copilot unschuldig ist!
    wie 9/11 in 10 jahren werden wir die Wahrheit kennen!
    Die mascine kann schon lang ferngesteuert sein!!
    Siehe Field Mcconnell thema Boeing uninterruptable auto pilot- Schon seit 1990 wurden alle boeings u airbus damit ausgestattet!!
    Es wird boswillig hier was gemacht!!!!!!
    Fuer die die es verstehen: Maranathana

  4. Was ist denn das für ein Spezialist, den man gefunden hat ? Zusammengestellte Webseite mit Fotos und Informationen….das ist alles. Keinerlei Hinweis zu entsprechender Ausbildung oder Erfahrung….man wende sich bitte an die entsprechenden Behörden oder aber an ausgewiesenen Spezialisten. Nur weil ich mit einer Modelleisenbahn spiele, bin ich kein Spezialist für Bahnunglücke….ein bisschen mehr Niveau, wäre gut in der Angelegenheit !

  5. Jonas B.

    @GB Kleiner Tipp. Einfach Google befragen. Ist nicht schwer, dann finden Sie heraus, dass der Spezialist Journalist ist und für zahlreiche große Medienhäuser tätig ist.
    Was haben Sie denn erwartet? Schulzeugnisse?

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern