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Macron, daheim in Frankreich durch die „Gelbwesten“-Krise stark geschwächt, will jetzt wieder Europa reformieren

13.12.2018, Belgien, Brussels: Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, kommt zu einem EU-Gipfel. Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa

Zuletzt kannte man den einstigen politischen Senkrechtstarter vor allem innenpolitisch unter Druck – geschwächt von der „Gelbwesten“-Krise. Jetzt ergreift Macron im Europawahlkampf die Initiative. Kritik lässt nicht lange auf sich warten.

Emmanuel Macron ist kein Mann der kleinen Gesten. Immer wieder sucht der französische Präsident die große Bühne. Auf dem Höhepunkt der „Gelbwesten“-Krise wandte er sich mit einer Fernsehansprache an die Franzosen. Und jetzt – kurz vor der Europawahl – veröffentlicht er einen Gastkommentar in großen Zeitungen aller EU-Staaten.

„Bürger Europas, wenn ich mir heute erlaube, mich direkt an Sie zu wenden, dann tue ich das nicht nur im Namen der Geschichte und der Werte, die uns einen, sondern weil dringend gehandelt werden muss“, beginnt der Reformer seinen leidenschaftlichen Appell für Europa und gegen Populismus.

„Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg war Europa so wichtig. Und doch war Europa noch nie in so großer Gefahr“, warnt der 41-jährige ehemalige Investmentbanker. Mitreißende Worte finden, das kann Macron. Doch macht er wirklich neue Vorschläge?

10.12.2018, Frankreich, Marseille: Emmanuel Macron, Präsident von Frasnkreich, ist während einer Fernsehansprache an die Nation auf vier TV-Bildschirmen in einem Elektrofachgeschäft zu sehen. Foto: Claude Paris/AP/dpa

Er spricht sich in seinem Appell für „einen Neubeginn in Europa“ für strenge Grenzkontrollen und eine gemeinsame Asylpolitik mit einheitlichen Regeln für Anerkennung und Ablehnung aus. Dazu soll es eine gemeinsame Grenzpolizei und eine europäische Asylbehörde geben.

Doch neu ist das nicht. Konkrete Pläne für all das liegen bereits seit langem auf dem Tisch – nur konnten sich die EU-Staaten bislang nicht auf die Umsetzung einigen.

Macron fordert einen Vertrag über Verteidigung und Sicherheit, lässt aber unklar, warum es ein solches Abkommen braucht. Bereits heute gibt es nämlich nicht nur in der Nato, sondern auch im EU-Vertrag eine Klausel, die den Angriffsfall regelt. Zu der von Macron gewünschten Erhöhung der Militärausgaben haben sich die EU-Staaten bereits verpflichtet.

Weitreichend klingen vor allem Macrons Vorschläge zur Wettbewerbspolitik. Der Franzose will Unternehmen bestrafen oder verbieten, die strategische Interessen und wesentlichen Werte der EU untergraben – zum Beispiel in den Bereichen Umwelt, Datenschutz oder Steuern. Zugleich soll es eine bevorzugte Behandlung europäischer Unternehmen geben, wenn es um öffentliche Aufträge und strategische Branchen geht. Was Macron nicht sagt ist, dass es bereits heute zahlreiche EU-Regeln dazu gibt.

Ein europaweiter Mindestlohn, angepasst an die länderspezifischen Verhältnisse und jedes Jahr gemeinsam neu verhandelt: Mit dieser Forderung buhlt Macron wohl vor allem um die Unterstützung von sozialdemokratischen und linken Wählern. Die Aussichten für eine schnelle Umsetzung solcher Vorschläge sind allerdings gering.

Europäische Klimabank, Europakonferenz…

Um den ökologischen Wandel zu fördern und zu finanzieren, fordert Macron eine Europäische Klimabank. Er sagt dabei nicht, dass bereits jetzt jährlich Milliardensummen aus dem EU-Haushalt für Projekte im Bereich Klimaschutz ausgegeben werden. Die bereits existierende Europäische Investitionsbank gilt als der weltweit größte multilaterale Geldgeber für Klimaprojektfinanzierungen. Völlig unklar bleibt, warum es da noch eine Klimabank braucht.

Um seine Vorstellung von Europa voranzubringen, will Macron noch vor Ende dieses Jahres mit den Vertretern der EU-Institutionen und der Staaten eine Europakonferenz ins Leben rufen. Der französische Präsident verschweigt allerdings auch hier, dass die Debatte über eine Reform der EU bereits seit 2017 läuft.

02.12.2018, Frankreich, Paris: Ein Mann fährt mit seinem Fahrrad an einem Graffiti „Macron = Louis 16“ an der Opera Garnier vorbei. Louis XVI. war König von Frankreich während der Französischen Revolution 1789. Foto: Kamil Zihnioglu/AP/dpa

Es ist nicht das erste Mal, dass Macron ehrgeizige Pläne zum Umbau der EU vorlegt. Im Herbst 2017 hielt er seine berühmte Sorbonne-Rede und forderte die „Neugründung eines souveränen, vereinten und demokratischen Europas“. Von den großen Hoffnungen ist wenig geblieben – auch weil Deutschland bei vielen Ideen nicht so richtig mitspielen wollte.

Macron – der große Europäer also? Für Kritiker kommt der Vorstoß des Reformers zur Unzeit, denn der Präsident ist innenpolitisch weiter unter Druck. Er solle sich erstmal um die Probleme vor der eigenen Haustür kümmern, heißt es da. Brennende Autos, Tränengas und eingeschlagene Scheiben – die meisten haben wohl noch die Bilder der gewalttätigen „Gelbwesten“-Ausschreitungen im Kopf.

Richtig ist, dass jedes Wochenende weniger von ihnen demonstrieren. Doch die schwerste Krise seit Beginn seiner Amtszeit ist noch lange nicht ausgestanden. Mitte März muss Macron liefern – dann endet die von ihm ins Leben gerufene Bürgerdebatte. Und die Franzosen erwarten konkrete Ergebnisse.

Bei der Europawahl liefert sich Macrons Partei La République en Marche in Frankreich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Marine Le Pens Rassemblement National. Es steht sinnbildlich für die Situation in Europa – Progressive gegen Populisten. Macrons Vorstoß ist nun vor allem ein Angriff auf die Nationalisten in der EU.

Sein Lieblingsgegner dürfte dabei der ungarische Regierungschef Viktor Orban sein, der politisch so ziemlich alles verkörpert, was Macron ablehnt. Doch auch der ist angriffslustig und hat mit seinen Anti-EU-Kampagnen längst zum Gegenschlag ausgeholt. (dpa)

12 Antworten auf “Macron, daheim in Frankreich durch die „Gelbwesten“-Krise stark geschwächt, will jetzt wieder Europa reformieren”

  1. Ekel Alfred

    Macron macht sich Sorgen um Europa….der Rechtsdruck wird zunehmen….die Schlaftabletten, die traditionelle Parteien über Jahre dem Bürger verpasst haben, sind wirkungslos geworden….die dafür verantwortlichen Politiker haben bewusst dem Willen des Volkes entgegengewirkt….der Bürger ist nicht gegen Europa, wohl gegen dieses übergrosse Europa….

    • @ Wahl, Joachim

      Als Regierungschef eines der größten Länder Europas und Gründungsmitgliedes der EU hat er durchaus das Recht Vorschläge für eine Reform zu machen und diese Debatte endlich anzustossen.
      Schlimm finde ich das Schweigen und die Untätigkeit die aus europas Hauptstädten kommt.
      Fakt ist, die EU ist im derzeitigen Zustand nicht Konkurrenzfähig. Wenn sich da nicht bald etwas ändert kehren wir zur Kleinstaaterei und damit zur Bedeutungslosigkeit zurück.

  2. Mac‘ und die „demokratische EU“. What a killing joke…
    Der Fall „Orban-Ungarn“ zeigt wer die EU regiert:
    „“Viktor Orbán muss die Anti-Brüssel-Kampagnen seiner Regierung sofort und
    endgültig stoppen. Er muss sich bei den anderen Mitgliedsparteien der
    EVP-Parteienfamilie entschuldigen. Wesentlich ist, dass die von George
    Soros unterstützte Universität CEU dauerhaft in Budapest bleibt, ihre
    Existenz dort gesichert ist und sie wieder US-Diplome ausgeben kann.“
    Soros hat das Sagen in Brüssel. Die muTTikulti-Gesellschaft ist keine Verschwörung, sondern ein Wunsch der Globalisten.
    Hier die Liste der EU-Soros-Handlanger:
    https://legacy.gscdn.nl/archives/images/soroskooptbrussel.pdf
    http://theduran.com/the-list-of-soros-names-226-meps-in-europe-who-are-under-the-control-of-george-soros/

  3. Was viele leider vergessen Zitat aus der Wiener Zeitung: „620 Milliarden US-Dollar weltweit und bis zu 900 Millionen Euro allein aus Österreich sollen einer Studie zufolge jährlich am Fiskus vorbei in Steueroasen fließen. Das hat laut einem Bericht des „Standard“ vom Mittwoch eine Gruppe von Wirtschaftsforschern unter Leitung des Berkeley-Ökonomen Gabriel Zucman bezogen aufs Jahr 2015 errechnet…….
    Bei Facebook sind gar keine Gewinne in den Finanzkonten ausgewiesen – die Studienautoren schätzen den Gewinn des US-Unternehmens allein für 2016 auf knapp zwölf Milliarden Euro. Insgesamt sind nur 17 Prozent der Gewinne von multinationalen Konzernen überhaupt in den Finanzdaten sichtbar.“

    Ich kann Macron gut verstehen, dass er ein einheitliches Steuersystem möchte. Wir würden alle massivdavon profitieren. Schätzungsweise werden über 100 Milliarden am Fiskus vorbeigeschleust.
    Mit diesem Geld könnte man sicher besseres anfangen…
    Immer vorsicht mit den Europa feindlichen Aussagen klar kostet Europa Geld, aber es kostet noch mehr Geld kein Europa zu haben.

  4. Wahl, Joachim

    Lieber Herr EDIG, Sie sagen es. Er hat das Recht, etwas einzubringen, aber nichts weiter!!! Was das allerdings mit der Größe des Landes damit zu tun hat, erschließt sich mir nicht. Weiterhin gibt es einen Unterschied zwischen Europa und der EU!
    Was heute daraus gemacht werden soll, steht in absolutem Gegensatz zum Grundgedanken der von Ihnen angesprochenen Europa-Gründer. Diesem Gedanken lag der Souveränitätserhalt eines jeden Mitgliedstaates zugrunde und nicht die Reduktion Europas auf Frankreich und D’land. Nie mehr Krieg, wieso dann die Diskussion über eine französisch/deutsche Armee?????

    • Nie mehr Krieg, wieso dann die Diskussion über eine französisch/deutsche Armee?????

      @ Wahl, Joachim

      Vielleicht weil auf die einstige „Schutzmacht“ USA heute kein Verlass mehr ist, vielleicht aber auch nur weil einige begriffen haben das Europa sich selbst schützen muss und nicht jedes „Abenteuer“ der Amerikaner mitgehen muss.

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