AKTUALISIERT – Was kommt nach dem desaströsen Ende von Liz Truss als Chefin der britischen Regierung? Die konservative Tory-Partei will diese Frage so schnell wie möglich klären. Doch die Partei ist tief gespalten. Und die Kommentare der internationalen Presse sind für die Torys verheerend, wie eine Auswahl an Pressestimmen zeigt.
„La Repubblica“: Fall Truss zeigt Scheitern des Populismus. „Die Premiers, die zwischen 2016 und 2022 an die Spitze des Vereinigten Königreichs berufen wurden, gehören alle zu den Konservativen, die einst die Partei des Establishments und die älteste Partei in Europa war und in den Händen eines Populisten wie Boris Johnson, danach in denen einer Anti-Etatistin wie Truss endete. Ersterer war davon überzeugt, die Wiedergeburt Churchills zu sein, die zweite bemühte sich auf fast komische Weise, Margaret Thatcher nachzuahmen, ohne jedoch das politische Gespür oder die Entschlossenheit zu haben, die jener das Label ‚Eiserne Lady‘ eingebrachte. Um das Abdriften zu erklären, das die Tories an den Rand dessen gebracht hat, was einer ihrer Abgeordneten ‚eine potenziell existenzielle Krise’ nennt, reicht ein Wort: Brexit. (…) Eine diese Woche veröffentlichte Statistik zeigt, dass die Exporte Großbritanniens in die EU nach dem Brexit um 16 Prozent gesunken sind – ein klares Zeichen für den entstandenen Schaden. Der Einbruch des Pfunds in den vergangenen Tagen hat den Schaden von Truss‘ Fiskalpolitik unterstrichen. Die Moral ist, dass die vom Brexit zerriebenen Premiers der Konservativen die deutlichste Demonstration des Scheiterns von Populismus und Radikalismus sind.“
„The Irish Times“: Truss‘ Vision war eine Fata Morgana. „Großbritannien braucht dringend eine Phase der politischen Stabilität, aber die Konservativen scheinen nicht in der Lage zu sein, diese zu gewährleisten. Der Brexit wirft einen langen Schatten. Er ist bei weitem nicht die einzige Ursache für das, was geschehen ist – eine Reihe unglücklicher politischer Entscheidungen spielten eine wichtige Rolle. Aber die dem Brexit zugrunde liegenden Widersprüche werden durch eine Regierung offenbart, die verspricht, die Steuern zu senken und das Wachstum anzukurbeln, und das vor dem Hintergrund einer Wirtschaft, die ins Stocken geraten ist. Das kommt davon, wenn man den freien Zugang zu seinem größten Markt in der Nachbarschaft – der EU – verschließt. (…) Die Vision, die Liz Truss als eine Wirtschaft ‚niedriger Steuern und hohen Wachstums’ bezeichnete, die durch die ‚Freiheiten‘ des Brexit beflügelt werden sollte, erwies sich als Fata Morgana.“
„De Standaard“: Die Briten sollten wieder wählen können. „Die eingerosteten Konservativen haben nach zwölf Jahren an der Macht die Orientierung völlig verloren. Die Ernennung von Liz Truss zur Parteivorsitzenden (und damit zur Premierministerin) legte einen Systemfehler unerbittlich offen. Die rund 200.000 Mitglieder der Konservativen Partei repräsentieren nur einen sehr kleinen Teil der Wählerschaft. Zudem ließen sie sich hauptsächlich von individuellen Interessen leiten, die das Füllen des eigenen Bankkontos über das Gemeinwohl stellten. Um die Legitimität wiederherzustellen, müssen die Briten dringend erneut an die Wahlurnen gehen.“
„The Telegraph“: Truss hatte Großbritanniens Probleme erkannt. „Ihre Analyse der Probleme des Landes war richtig: Jahre niedriger Produktivität und hoher Steuern haben das Unternehmertum erstickt und das Wachstum eingeschränkt, ohne das die öffentlichen Dienstleistungen, für die die Öffentlichkeit immer mehr ausgeben möchte, nicht finanziert werden können. (…) Die Absetzung der Premierministerin ändert nichts an den düsteren wirtschaftlichen Realitäten, mit denen sich Liz Truss in der vergangenen Woche auseinandersetzen musste, nachdem sie Jeremy Hunt zum Schatzkanzler ernannt hatte. Er hat ihre Wachstumsstrategie fast vollständig demontiert. Dennoch wird ihr Nachfolger die jahrzehntelange Verwaltung des Niedergangs umkehren müssen. Er oder sie wird das Land auf den Schock vorbereiten müssen, künftig im Rahmen seiner Möglichkeiten leben zu müssen – etwas, wozu die Labour-Partei ungeachtet des Aufrufs von Sir Keir Starmer zu allgemeinen Neuwahlen denkbar schlecht gerüstet ist.“
„Le Figaro“: Boris Johnson träumt nach Truss-Rücktritt von Comeback. „Kann die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt, die zwei Jahre und drei Premierminister nach der Umsetzung des Brexit am Ende ihrer Kräfte ist, aus dieser Abwärtsspirale herauskommen? Die Tories versprechen, innerhalb einer Woche einen neuen Vorsitzenden zu wählen, was die Optionen auf einen parteiinternen Machtkampf beschränkt. (Ex-Premierminister) Boris Johnson, der 2019 als letzter vom Volk gewählt wurde, träumt nun von einem churchillschen Comeback im Namen des ‚nationalen Interesses’. Werden die Parlamentarier vergessen, wie sie ihn vor weniger als vier Monaten aus dem Amt gejagt haben? Der britische Nervenzusammenbruch ist noch nicht ausgestanden, aber ‚the show must go on!‘“
„Lidove noviny“: Erst Kehrtwende kostete Truss den Job. „Politiker gehen gewöhnlicherweise nicht unter, weil sie einen Fehler machen. Was zählt, ist, wie sie mit diesem Fehler umgehen. Der katastrophale Fehler von Liz Truss bestand darin, eine totale Kehrtwende zu vollziehen. Statt irgendwelche Korrekturen an ihrem ‚Mini-Haushalt’, der vor allem aus Steuersenkungen bestand, vorzunehmen und sich zu fiskaler Nachhaltigkeit zu bekennen, legte sie eine 180-Grad-Wendung hin. Sie warf ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng hinaus und zeigte damit allen, dass sie weder ihren eigenen Überzeugungen noch ihren Wählern oder ihrem eigenen Parteiflügel treu bleiben kann.“
„Financial Times“: Die Tories eint die Angst vor Wahlen. „In den sechs kurzen Wochen der Amtszeit von Liz Truss wurde nicht nur das wirtschaftliche Ansehen Großbritanniens ruiniert, sondern auch seine Reputation für politische Stabilität. (…) Die Tory-Partei hat sich als unfähig erwiesen, als zerrissen durch Fraktionskämpfe, als verächtlich gegenüber der Rechtsstaatlichkeit und als Partei ohne überzeugende wirtschaftliche Ideen. Das einzige, was die konservativen Abgeordneten eint, ist die Angst vor einer Parlamentswahl. Diese Sorge ist begründet, denn der Schaden, den die letzten beiden Regierungen angerichtet haben, zeigt sich in den Umfragen deutlich. Die Tories sollten nicht weitermachen dürfen, wenn sie kein neues Mandat der Wähler erhalten. Das britische Volk – und nicht die Abgeordneten oder die 170.000 Mitglieder der Konservativen Partei – muss jetzt über seine politische Zukunft entscheiden.“
„NZZ“: Großbritannien braucht Politiker mit realistischer Vision. „Truss hatte Großbritannien ein gut gemeintes, radikales Reformprogramm zum falschen Zeitpunkt mit den falschen Mitteln aufzuzwingen versucht. Dafür hatte sie weder im Parlament noch in der Bevölkerung oder in der Wirtschaft den nötigen Rückhalt. Die konservative Fraktion im Unterhaus hat sie brüsk gestoppt und den Fehler ihrer Wahl zur Parteivorsitzenden in Rekordzeit korrigiert. (…) Der erste Schritt ist damit geschafft. Der schwierigere zweite soll in den nächsten sieben Tagen folgen: Wer kann die zerstrittene Partei hinter sich vereinen und das Land rasch wieder auf sicheren wirtschaftspolitischen Grund führen? (…) Auf einem ganz anderen Blatt steht, wie Fraktion und Partei den dritten und schwersten Schritt zu bewältigen gedenken, der noch vor ihnen liegt: Was wollen die Tories überhaupt für Großbritannien erreichen? Welches Großbritannien wollen sie gestalten? Der nächste konservative Premierminister wird vor demselben Problem stehen. Auch wenn sich all die süßen Versprechungen der Brexit-Hardliner bisher nicht erfüllt haben und sich vielfach Ernüchterung breitmacht – der Austritt aus der EU ist eine Tatsache. Jetzt braucht es Politiker, die eine realistische und attraktive Vision für Großbritannien entwickeln und umsetzen.“
„The Guardian“: Großbritannien braucht einen Neuanfang. „Es ist durchaus möglich, dass die Tory-Partei dem Land in der nächsten Woche eine Truss 2.0 aufzwingen wird. Ein solches Ergebnis wäre schrecklich für die Tory-Partei und die britische Demokratie, und es wäre katastrophal für Großbritannien. Die Partei würde unführbar und das Land unregierbar erscheinen. Die Märkte könnten wieder verängstigt werden, vor allem, wenn es zu einem weiteren Wechsel des Finanzministers käme. Doch am meisten leiden würde die Bevölkerung, die ohnehin schon unter Kosten- und Budgetproblemen ächzt, während die Zahl derer, die auf Lebensmittelspenden angewiesen sind, einen Rekord erreicht. Deshalb ist die wahre Lösung für die Krise der Tories eine Neuwahl, und zwar eher früher als später. Nur eine neue Regierung mit einem neuen Mandat kann dem britischen Volk den Neuanfang ermöglichen, den es braucht und verdient.“
„de Volkskrant“: Farce in Westminster muss ein Ende haben. „Mitten in einem Krieg und einer noch nie da gewesenen Energiekrise ist das Vereinigte Königreich dem Chaos und der politischen Instabilität zum Opfer gefallen. Nach 44 Tagen der Inkompetenz und der ideologischen Verblendung ist die Amtszeit von Liz Truss zu Ende gegangen. Damit ist das Fiasko für die britischen Konservativen perfekt. Seit dem Brexit hatten sie keine fähige Führung mehr. (…) In dieser Krise braucht Großbritannien eine kompetente und erfahrene Persönlichkeit der Mitte, die das Land zusammenhalten kann. Die Europäische Union braucht einen stabilen Partner. Obwohl die Briten die EU verlassen haben, zeigt der Kampf in der Ukraine, dass sie für Europa militärisch und geopolitisch unverzichtbar sind. Dies ist ein weiterer Grund, warum die Farce in Westminster ein Ende haben muss.“
„Frankfurter Rundschau“: Unwürdiger Machtkampf. Der Rücktritt von Liz Truss ist wohl die erste konstruktive politische Entscheidung der britischen Premierministerin. Sie beendet das selbstverschuldete Gezerre um ihre Person und den unwürdigen Machtkampf um den Posten des Regierungschefs. Ein Befreiungsschlag ist es allerdings weder für die Tory-Regierung noch für das gebeutelte Land. Die turbulenten Wochen der Regierung Truss enden in einer Bankrotterklärung für die Konservativen. Die verunglückte Steuerreform von Truss hat nicht nur dem Ruf einer seriösen Partei in Wirtschaftsfragen geschadet. Das Ende der neoliberalen Politik nach dem Vorbild von Margaret Thatcher lässt die Torys planlos zurück. Doch statt sich inhaltlich erneuern zu können, müssen sie im zwölften Regierungsjahr nun den fünften Premier finden. Der erneute Streit über den neuen Premier wird die Regierung wieder lähmen, statt die zahlreichen Herausforderungen des Landes anzugehen wie Energiekrise, Folgen des Brexit und das Streben der Schotten um Unabhängigkeit.“
„Augsburger Allgemeine“: Kann es noch schlimmer werden? Eigentlich nicht. „Liz Truss geht. Sie musste gehen. Die Frage war nur noch, wann. Am Ende waren es einfach zu viele Patzer, Kehrtwenden und Fehlentscheidungen. (…) Es ist eine traurige Bilanz nach zwölf Jahren Tory-Regierung, die – und das ist wohl das schockierendste – immer noch an der Macht ist. Denn statt Neuwahlen zu ermöglichen, will die Partei selbst einen neuen Premierminister finden – wieder einmal. Zwar verspricht die Partei, sich schnell zu einigen. Ob das gelingt, ist jedoch offen. Denn die Frage, wer nun folgt, ist ungeklärt. Sogar Boris Johnson ist als neuer, alter Premierminister im Gespräch. Kann es noch schlimmer werden? Eigentlich nicht. Aber in Großbritannien scheint in diesen Tagen alles möglich.“ (dpa)
Na ja, wenigstens hat sie schnell verstanden dass man Visionen nicht umsetzen kann. Eine Erkenntnis der sich die Politdarsteller*Innen auf dem Kontinent weiter verweigern. Hier „dekarbonisiert“ man tapfer weiter. Wie sagte Herr Arimont:“ wir erlassen Gesetze an die sich alle Unternehmen halten müssen“. Was er vergass, es gibt etwas was über der parlamentarischen Gesetzgebung steht ( nein, nicht Gott…) die Physik. Auch bestimmte ökonomische Gesetze lassen sich nicht durch Parlamentsmehrheiten ausser Kraft setzen. Wie gesagt, der Lernprozess ist schmerzhaft….
Dax*iene,
Sie scheinen ja ein*e enge*r Vertraute*r zu sein.
Klären Sie uns auf? Welche konkreten Visionen hatte sie denn?
Natürlich ist es beschämend, als ehemalige Wirschaftsexpertin bei Shell und Cable & Wireless keine Ahnung von den „ökonomischen Gesetzen“ zu haben…
5/11, die Vision war, dass wenn man den Reichen und Gesellschaften mehr Geld lässt, sie es ausgeben und es so den Armen zugute kommt.
Diese Vision ist ein neoliberaler Irrglaube. Die Reichenmaximieren ihre Gewinne, WEIL sie die für sie Arbeitenden schlecht bezahlen, und zwar so schlecht, dass man aus ehrlicher Hände Arbeit gerade so über die Runden kommt und keine großen Sprünge machen kann, im Alter dann mit einer miserablen Rente da steht. Hauptsache, die Dividende für die Aktionäre steht. Wenn sich jemand einen Privatjet oder einen Ferrari kauft, bleibt der Arbeiter beim Flugzeughersteller oder bei Ferrari trotzdem auf seinem kaum auskömmlichen Level. Eigentlich leben wir in einem neofeudalen System, die Sahneschicht trägt nur keine Hermelinkragen mehr.
…es wurde ja schon prognostiziert, dass diese Person nichts taugen kann, da sie ihr Fähnchen schneller wendet, als der Wind drehen kann und egal aus welcher Richter der kommt… Einen ‚radikalen Wirtschaftswachstum‘ zu wollen zeugt von Asozialität par ‚exellence’… verry british
Ganz im Gegensatz zu Silvio Berlusconi, der mit 9 Jahren und 53 Tagen der Ratspräsident, der nach dem Zweiten Weltkieg Italien am längsten regiert hat, ist (https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4sident_des_Ministerrats#Italienische_Republik_(ab_1946)).
Gut dass diese Kriegstreiberin weg ist. Eine WEF-Scherge weniger an der Macht! Nun bleibt noch zu hoffen dass im November in den USA die Republikaner bei den Zwischenwahlen gewinnen. Dann gibt es doch noch eine kleine Chance auf Friedensverhandlungen.
AKTUALISIERT – Verheerendes Echo in der internationalen Presse auf desaströses Ende von Liz Truss als Premierministerin. https://ostbelgiendirekt.be/liz-truss-tritt-zurueck-334490
Wir werden es noch erleben (und ich bin 60) dass GB wieder um Aufnahme in die EU bittet.
Staatsverschuldung auch aus belgischer Sicht atemberaubend weil man die EU Foerderungen ausgleichen wollte (finanziert durch Schulen) und dann das Steuerpaket, das die Finanzmaerkte und das Pfund ins Straucheln brachte….der Brexit faengt an zu wirken wenn auch vielleicht durch die Hintertuer. Und dann Schottland…., in Nordirland mehren sich Stimmen auch unter Unionisten, dass ein Anschluss an die Republik als autonome Provinz ala Suedtirol oder DG vielleicht gar nicht ’so bad at all;.
Britannien wird nie den ganzen derzeitigen Zirkus der EU mitmachen (‚immer weitergehende Integration usw.‘) Aber vielleicht koennte ja ein Wiedereintritt mit ‚ja aber….‘ auch einen gewissen Reformprozess in der EU ausloesen, STimmen dafuer gibts genug, nur der politische Mut fehlt in allen Lagern. Man soll den Mut ja nicht aufgeben.
Na zum Glück ist diese Trussi – eine Politdarstellerin welche erklärte, sie fühle sich bereit, notfalls als Erste Atomwaffen einzusetzen, sollte sie zur Premierministerin gewählt werden – weg vom Pudding.
https://www.ukrinform.de/rubric-polytics/3557392-truss-fuhlt-sich-bereit-notfalls-atomwaffen-einzusetzen.html