Gesellschaft

Fürs Klima demonstrieren und trotzdem in die Ferne fliegen: Warum klimabewusstes Verhalten schwer fällt

Ein Flugzeug fliegt über Sonnenblumen hinweg. Foto: Christoph Schmidt/dpa

Weniger fliegen und Auto fahren, mehr Rad und Bahn: Immer mehr Menschen möchten was gegen die Klimaerwärmung tun. Doch es gibt psychologische Hürden.

Am Familientisch wird hitzig über Fleischkonsum diskutiert. In der Teeküche streiten sich Kollegen, ob Inlandsflüge noch okay sind. SUV-Fahrer stehen am Pranger. Hunderttausende demonstrieren auf den Straßen. Das Thema Klimaschutz treibt die Menschen so um wie nie. Immer mehr wollen was tun. Doch Anspruch und Wirklichkeit klaffen oft weit auseinander.

Unter Psychologen ist diese Diskrepanz als „Attitude-Behaviour-Gap“ (Einstellungs-Verhaltens-Lücke) bekannt. Gleich mehrere psychologische Hürden stehen klimaschonendem Verhalten im Weg.

24.01.2019, Belgien, Brüssel: Jugendliche haben den Unterricht geschwänzt, um an einer Demonstration gegen die aktuelle Klimapolitik teilzunehmen. Aber verhalten sich die Demonstranten auch klimabewusst? Foto: Nicolas Maeterlinck/BELGA/dpa

Umfragen zeigen, dass das grundsätzliche Umweltbewusstsein und das tatsächliche Verhalten recht weit auseinanderliegen. Eine ähnliche Diskrepanz zeigte eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur und der Meinungsforscher von Yougov von Anfang diesen Jahres. Demnach kann sich fast jeder Zweite vorstellen, der Umwelt zuliebe auf eine Flugreise zu verzichten – doch nur jeder Fünfte hat es schon getan.

Schon vor knapp 30 Jahren entwickelte der US-amerikanische Sozialpsychologe Icek Ajzen die sogenannte Theorie des geplanten Verhaltens. Die Theorie nennt Gründe, warum aus einer Einstellung nicht unbedingt das entsprechende Verhalten folgt.

Demnach können sogenannte subjektive Normen einen Menschen bremsen. Dabei geht es um erwartete Reaktionen der Umwelt. Halten mich Freunde und Familie für einen Ökofreak, wenn ich verpackungsfrei einkaufe oder ein Lastenrad leihe, um das Auto stehen zu lassen? Solche Gedanken prägen das Verhalten mit.

Klimabewusstes Verhalten muss auch machbar sein

Ähnlich wichtig ist, wie sich Mitmenschen verhalten. Beispiele dafür liefern Studien des Marketing-Psychologen Robert Cialdini. So warfen Menschen in einem Parkhaus eher Müll auf den Boden, wenn der Boden ohnehin schon zugemüllt war. Ein weiteres Beispiel: Menschen passten ihren Energieverbrauch an, wenn sie den Verbrauch ihrer Nachbarn erfuhren.

An den Rändern einer Straße, die als Fahrradstraße gekennzeichnet ist, stehen geparkte Autos. Weniger fliegen und Auto fahren, mehr Rad und Bahn: Immer mehr Menschen möchten was gegen die Klimaerwärmung tun. Doch es gibt psychologische Hürden. Foto: Jens Kalaene/zb/dpa

Beim Klimaschutz kommt hinzu, dass das Problem so groß erscheint, dass die eigenen Maßnahmen als wirkungslos wahrgenommen werden. Zudem gibt es den Gedanken: „Wenn nur ich mich einschränke und die anderen nicht, bin ich der Dumme.“ Allerdings muss auch klar sein: Die Klimaerwärmung kann nur abgemildert werden, wenn jeder Einzelne etwas tut – und die Politik entsprechende Vorgaben macht.

Für Psychologen ist auch entscheidend, ob ein Verhalten überhaupt machbar erscheint. In der Theorie des geplanten Verhaltens wird das als wahrgenommene Verhaltenskontrolle bezeichnet. Gibt es in einer Region keinen öffentlichen Nahverkehr und ist man nicht gesund genug zum Radfahren, bleibt manchmal nur das Auto.

Dabei gibt es nicht nur objektive Hürden: Wer hat schon die Kraft und das Geld, um immer ein perfekter Umweltschützer zu sein? Nicht zuletzt die Zeit spielt eine große Rolle. In Umfragen begründeten die meisten regelmäßigen Autofahrer ihre Fahrten mit Zeitersparnis.

Aber was kann man tun, um den inneren Schweinehund beim Thema Klimaschutz zu überwinden? Marcel Hunecke, Umweltpsychologe an der Fachhochschule Dortmund, empfahl vor einigen Monaten, zunächst kleine Schritte zu machen.

Manchmal sind andere Dinge wichtiger

“Man muss positive Erfahrungen sammeln. Als reines Verzichtsprogramm wird das nicht funktionieren“, sagte Hunecke. Außerdem könnten Motiv-Allianzen helfen. Es mache Sinn, Klimaschutz mit anderen positiven Effekten wie Gesundheit oder Lebensqualität zu verbinden. Warum nicht mal ein Erholungsurlaub in Brandenburg statt eine Safari in Südafrika?

Der Sozialpsychologe Sebastian Bamberg von der FH Bielefeld sagt: „Hilfreich ist, sich einen Plan zu machen, was man tut, wenn plötzlich eine Hürde auftaucht und man wieder ins alte Verhalten fallen will.“ Ähnlich wie bei einer Suchttherapie. Allerdings sei das enorm aufwendig.

Ein Airbus A340 der Fluggesellschaft Lufthansa rollt nach der Landung auf einer Brücke über die stark befahrene Autobahn 3 (A3) nahe des Frankfurter Flughafens. Foto: Silas Stein/dpa

Manchmal sind andere Dinge für Menschen schlicht wichtiger als Klimaschutz. Scheint der Schulweg des Kindes mit dem Rad zu gefährlich, tendieren Eltern eventuell trotz Abgasen zum Auto. Lebt die große Liebe in Übersee, dürfte selbst ein engagierter Klimaschützer in den Flieger steigen – auch wenn eine Flugreise nach New York mit knapp vier Tonnen CO2-Äquivalente zu Buche schlägt. Zum Vergleich: Im Schnitt verursacht ein Mensch in Deutschland 11,6 Tonnen im Jahr.

Oft überwiegen kurzfristige Bedürfnisse. „Mit vorausschauendem Denken hatte die Menschheit immer schon Probleme“, sagte der Göttinger Psychologe Borwin Bandelow kürzlich der „Neuen Presse“. „Das menschliche Hirn konzentriert sich seit Jahrtausenden auf Alles, was uns hier und jetzt bedrohlich erscheint, nicht irgendwann.“

Außerdem erschwert ein Paradox namens „unrealistischer Optimismus“ den Umweltschutz. Es besagt, dass Menschen für ihr eigenes Leben optimistischer sind als für andere Menschen. Das schmälert den Handlungsdruck. So hielt laut einer Befragung fast jeder Befragte die Umweltqualität weltweit für schlecht. Doch nur gut halb so viele sahen die Probleme für die eigene Gemeinde.

Hürden für umweltfreundliches Verhalten gibt es noch weit mehr. Der Umweltpsychologe Robert Gifford hat sogar 29 davon ausgemacht. Nicht zuletzt spielt Gewohnheit eine große Rolle, meint er. „Gewohnheiten mögen nicht die glamouröse Hürde sein, aber vielleicht die wichtigste für die Linderung der Folgen des Klimawandels.“ (dpa)

17 Antworten auf “Fürs Klima demonstrieren und trotzdem in die Ferne fliegen: Warum klimabewusstes Verhalten schwer fällt”

      • Einigen wir uns auf manipulierte Arsch…. Oder wie es Einstein ausdrückte : Ich glaube nicht an die Freiheit des Willens. Schopenhauers Wort: „Der Mensch kann wohl tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will“, begleitet mich in allen Lebenslagen und versöhnt mich mit den Handlungen der Menschen, auch wenn sie mir recht schmerzlich sind.

  1. Eastwind

    Es gibt Menschen, die deshalb ihr Verhalten nicht ändern, weil sie diese Klimahysterie für völlig überzogen halten und es wichtigere Dinge in ihrem Leben gibt. Den Klimawandel gibt es sowieso, weil es ihn immer schon gegeben hat. Deshalb sollte man sich den wirklich wichtigen Dingen des Lebens widmen.

    • Richtig erkannt!

      Richtig erkannt! Dadurch aber, daß den Eseln eine Möhre vorgehalten wird, kann deren Energie nicht im Kampf gegen die wichtigsten Entwicklungen überhaupt eingesetzt werden: Masseneinwanderung von „Menschen“ (ja, ja, wir sind alle Menschen, allen voran die, die hier messern, ja ja) , die Europa übernommen sollen. Die Gesellschaft ist gesaplten wie noch nie und sie wird es noch mehr. Ich weiß auf welcher Seite ich stehe.

      • Ekel Alfred

        @ Richtig erkannt, sagen Sie das nur nicht zu laut….sonst werden Sie als Rassist und Nazi bezeichnet….der Rechtsdruck der Polen ist erneut bestätigt worden….da kann auch ein Elmar Thevessen….ein Schleimer wie der klebrige Klaus Kleber im TV….und eine Karrenbauer….immer wieder versuchen gegen eine AfD, FPÖ u.a. aufzurufen….das Gegenteil wird der Fall sein….was man mit Gewalt verbieten will….reizt doch geradezu….

  2. Damit wird das neue ideologische Fundament einer Öko-Diktatur gelegt!! Da der Mensch freiwillig nicht das „Gute“ tut muss man ihn dazu zwingen. Die kommunistischen Umerziehungslager basierten auf dem selben Grundsatz. Der sozialistische Mensch musste zum Sozialismus erzogen werden um seinen Egoismus (z.B. zuerst für seine Bedürfnisse zu arbeiten statt für die Partei…) zu überwinden. Hat mit dem Sozialismus nicht funktioniert und wird auch mit dem Ökologismus nicht funktionieren. Weder das Versprechen des sozialistischen Paradises noch die Öko-Hölle lassen sich gegen den Freiheitsdrang durchsetzen. Wie rief schon Konrad Adenauer „wir wählen die Freiheit“ – das sollte man angesichts der heraufziehenden Öko-Diktatur niemals vergessen!!

  3. Wahl, Joachim

    Chapeau, den Einpeitschern der Klimasekte kann man nicht vorhalten, sie würden keinen guten Job machen. Da sehen Experten wie Stalin, Mao, Kim Jong-il und Konsorten ziemlich alt aus. Viele Sekten-
    anhänger scheinen förmlich den Untergang herbeizusehnen.

  4. Mockingjay

    Die Menschheit braucht zu viele Ressourcen, Klima hin oder her, unsere äußerst angenehme westliche Lebensweise ist für unseren Planeten auf Dauer so nicht zu bewältigen. Das wirtschaftliche Wachstum der Schwellenländer, die hin zu unserem Ressourcenverbrauch sterben, wird die globale Umweltproblematik noch weiter anheizen. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wurden ca. 60% der weltweiten Ökosysteme geschädigt oder übernutzt. Die Abholzung der Wälder, der Rückgang der Fischbestände, die zunehmende Wasserknappheit, sowie Verschmutzung von Böden und Wasser und der Verlust der Biodiversität sind die Folgen sowie eine abnehmende Fähigkeit der Erde, die Folgen unserer wirtschaftlichen Aktivitäten aufzufangen und zu kompensieren.
    In der Erdgeschichte gab es 5 große Massensterben, das letzte vor ca. 65 Millionen Jahren. Ein Asteroid mit der Größe des Mount Everest hat die Dinosaurier ausgelöscht und den Säugetieren den Aufstieg zur dominierenden Art ermöglicht.
    Heute ist der Mensch der Asteroid, der das Antlitz unseres Planeten für lange Zeit verändern wird.
    Die Menschen sind für unseren Planeten vom Symbionten zum Parasiten mutiert. Die grünen Moralapostel sind leider auch keine Alternative, sie predigen im Grunde meist Wasser und trinken, sobald sie ein Regierungsamt innehaben meist Wein. Als mündiger Bürger lehne ich die ständige bevormunden der Bürger durch dieses Parteienspektrum strikt ab.
    Allein durch Verbote und staatliche Bevormundung ist kein Ende der sich zukünftig immer mehr verschärfenden Umweltprobleme in Sicht.
    Es braucht neben einer ökologischeren Orientierung der Ökonomie auch stärkere Forschung an Projekten die erschwingliche, verfügbare, sichere und ressourcenschonende Energie einem Großteil der Erdbevölkerung zur Verfügung stellen. Ungefähr 80% der Primärenergie weltweit wir aus Fossilen Energiequellen erzeugt. Es braucht ein ergebnisoffenes und ganzheitliches Denken und Forschen, frei von Vorgaben einer Ökodiktatur oder reiner Marktorientierung.

  5. Deuxtrois

    Ich bin kein Klimaskeptiker oder Klimapaniker. Aber für die Unwelt kann jeder selbst etwas tun. Ich bin schon über 15 Jahre nicht mehr geflogen und ich lebe noch (welche Ironie). Es geht auch ganz gut ohne.

    • Weltretter

      Sie retten die Welt… Welch eine ironie. Meinen Sie echt, nicht in die Ferne fliegen, zBsp 1x im Jahr, würde helfen? Man lernt dazu, wenn man fremde Kulturen erlebt, you know? Probably not, no.

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