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Wieder mehr Homeoffice: Fluch oder Segen?

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Der Konzertierungs-Ausschuss hat am Dienstag die Corona-Lage in Belgien erörtert. Neben der Ausweitung der Maskenpflicht und des Covid-Safe-Tickets soll auch das Homeoffice dazu beitragen, die zuletzt drastisch gestiegene Zahl der Neuinfektionen zu reduzieren. Wer aber profitiert vom Homeoffice und wer leidet darunter?

Nach gut anderthalb Jahren Corona-Pandemie zeichnen Studien und Umfragen ein differenziertes Bild der psychologischen und körperlichen Folgen der Telearbeit. Das gilt etwa für eine im Fachblatt „Nature Human Behaviour“ veröffentlichte Untersuchung von Microsoft.

Eine Frau arbeitet im Homeoffice in ihrem Wohnzimmer und nimmt an einer Telefonkonferenz teil. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Der Technologieriese, der die Analyse selbst in Auftrag gegeben hatte, ordnete im März 2020 Homeoffice an. Die Studie analysierte nun Daten und Kommunikation von fast 61.000 Mitarbeitern von Dezember 2019 bis Juni 2020.

Ergebnis: Im Homeoffice wurde zwar mehr gearbeitet, Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen litten allerdings.

Konkret verbrachten die Angestellten weniger Zeit mit direkten Einzelgesprächen, stattdessen nutzten sie verstärkt E-Mails oder Textnachrichten. Dies führe dazu, so die Autoren, dass Mitarbeiter isoliert und Informationen weniger ausgetauscht würden. Und das könne sich negativ auf Produktion und Innovation auswirken.

Für Hannes Zacher, Arbeits- und Organisationspsychologe an der Universität Leipzig, bildet die Studie indes nur eine Seite ab. „Während die Microsoft-Analyse eher eine negative Perspektive bietet, gibt es auch Evidenz in der Forschung, der zufolge die Ermöglichung von Homeoffice positiv von Mitarbeitenden angenommen werden kann – allerdings nur dann, wenn es in einem bestimmten Rahmen bleibt.“

Auf Dauer kann das Homeoffice das Gespräch von Angesicht zu Angesicht nicht ersetzen. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Demnach legen Untersuchungen nahe, dass ein bis zwei Tage Homeoffice pro Woche ideal seien für die Zufriedenheit und selbstberichtete Produktivität. In einem solchen Rahmen wäre es möglich, die Kommunikation eben nicht nur digital zu gestalten, sondern auch persönliche Gespräche zu führen.

„Aus psychologischer Sicht ist eine Videokonferenz immer noch besser als eine E-Mail. Auf Dauer kann sie das Gespräch von Angesicht zu Angesicht aber nicht ersetzen, insbesondere dann, wenn es darum geht, vertrauensvoll miteinander zu sprechen, kreativ zusammenzuarbeiten oder Konflikte zu lösen.“

Zacher selbst hatte Ende 2019 begonnen, knapp 1.000 Erwerbstätige zu ihrer physischen und psychischen Gesundheit zu befragen. Der Beginn der Pandemie ließ daraus eine Langzeitstudie werden: Seit März 2021 werden die Teilnehmer monatlich befragt. So sammelte der Psychologe Beobachtungen zu den Folgen der Corona-Krise auf die Arbeitswelt.

„Vor der Pandemie waren extrovertierte Menschen im Vergleich zu introvertierten diejenigen mit dem höheren Wohlbefinden“, nennt Zacher ein Beispiel. Das habe sich umgekehrt: „Extrovertierte waren eher gestresst von der Situation, während Introvertierte damit besser zurechtkamen.“ Gerade zurückhaltende Menschen hätten Formate wie Videokonferenzen sogar als angenehmer empfunden.

Eine Mutter im Homeoffice. Foto: Shutterstock

Gleichzeitig sahen Zacher und seine Kollegen, dass Teams schneller in Subgruppen zerfielen – eine Beobachtung, die zu einem Ergebnis der Microsoft-Studie passt.

„Eine mögliche Sollbruchstelle ist die zwischen Mitarbeitenden in Präsenz und solchen, die im Homeoffice arbeiten“, erläutert er. Hier müsse die Unternehmensführung darauf achten, dass keine Gefühle der Ungleichbehandlung entstünden: „Führungskräfte müssen die Arbeitsstrukturen gut kommunizieren und begründen, damit weder Zufriedenheit noch Unternehmenskultur leiden.“

Bei aller Diskussion um mobiles Arbeiten sollte auch nicht vergessen werden, dass der Arbeitsort auch eine wichtige Ressource sei: „Das Büro wirkt als großer Gleichmacher, in dem jeder die gleichen Möglichkeiten hat“, sagt Zacher. Im Gegensatz dazu kämen beim Arbeiten zu Hause sozioökonomische Faktoren zum Tragen: „Kinderlose Paare in einer großen Wohnung können sicherlich besser am heimischen Schreibtisch arbeiten als Alleinerziehende oder jüngere Mitarbeiter, die beispielsweise in WGs oder beengten Räumen wohnen.“ (dpa/cre)

7 Antworten auf “Wieder mehr Homeoffice: Fluch oder Segen?”

  1. Ich arbeite seit 40 Jahren in der Industrie und da bestehen gewisse Vorbehalte zwischen Arbeiter und „denen auf den Büros“. Die Diskussion über „home office“ verstärkt das nur und belastet das Betriebsklima. Was die Politiker, allesamt „Schreibtischtäter“, wohl nie verstehen werden. Die Arbeiter und Handwerker müssen ran an die Maschinen, egal ob Covid oder nicht, Abstandregeln sind etwas für Schreibtischtäter, die Arbeitsabläufe an Industriemaschinen lassen sich nicht immer durch eine „1,5m Abstandsregel“ bewältigen. In den Brotfabriken von Fonk und Kockartz werden wohl > 50% der Brote gebacken die in OB über die Theke gehen, was wenn diese Arbeiter einmal konsequent „auf Abstand“ gehen? Politik und Journalismus agieren so als ob die gesamte Arbeitswelt so funktioniert wie sie es aus ihrer Blase kennen, von zu hause oder auch gar nicht, macht eh keinen Unterschied….

  2. @Baudimont: und bei den Spritpreisen ist Homeoffice ein Segen! Mit dem was da eingespart wird, kann ich locker mein Büro im Winter beheizen. Wer natürlich zu Fuss oder mit dem Fahrrad zur Arbeit kann ist natürlich in einer anderen Situation…

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