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Els Herrebout spricht im BRF über die Übergangsregierung Herman Baltia (1920-1925)

General Herman Baltia. Foto: Die Lupe

Herman Baltia war vor fast 100 Jahren, von 1920 bis 1925, für die Kreise Eupen und Malmedy zuständig und führte zu Beginn eine sogenannte Volksbefragung, bekannt als „la petite farce belge“, durch.

Der BRF hat die Historikerin und Archivarin Els Herrebout eingeladen, über die damalige Episode in der Geschichte des heutigen Ostbelgiens zu referieren.

Vor 100 Jahren schickt Belgien sich an, die deutschen Kreise Eupen und Malmedy zu übernehmen. Die alliierten Besatzungstruppen ziehen darauf hin ab. Brüssel hat sich für eine autonome Übergangsregierung entschieden. Ihr erster Auftrag ist es, die sogenannte Volksbefragung durchzuführen. Bekannt wird sie als „la petite farce belge“.

Els Herrebout, die Leiterin des Staatsarchivs, ist Präsidentin des Zentrums r Regionalgeschichte in der DG. Foto: Gerd Comouth

Dies beschädigt das Gouvernement Baltia nachhaltig. Die Historikerin und Archivarin Els Herrebout geht in ihrem Vortrag unter anderem folgenden Fragen nach: Wie lebte es sich im Generalgouvernement, fünf Jahre lang? Und wer war Herman Baltia? Die Übergangsregierung, ein Fluch oder ein Segen?

Der Vortrag findet statt an diesem Donnerstag, dem 3. Oktober 2019, im BRF-Funkhaus in Eupen um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei. Aus organisatorischen Gründen wird um Anmeldung gebeten: per Mail an info@brf.be, per Telefon 087/59 11 11.

25 Antworten auf “Els Herrebout spricht im BRF über die Übergangsregierung Herman Baltia (1920-1925)”

  1. Baltia war seinerzeit bestimmt ein Fluch. Die große Mehrheit hier wollte nicht belgisch sein und brachte dies auch in der größten Demonstration die es in Eupen je gab zum Ausdruck. Seine Methoden waren undemokratisch und unsere Vorfahren wurden wie in einer fremden Kolonie behandelt.
    Allerdings gab es dann einige Zeit später den bekannten Alptraum mit dem Dritten Reich. und damit wurde dann viele Jahrzehnte später aus dem Fluch ein Segen. Ich denke heute ist eine große Mehrheit dankbar Belgier zu sein und hier im Wohlstand einer geschützten Minderheit zu leben. So ändern sich die Zeiten . Vive la Belique!

  2. Ostbelgier

    Ob Baltia ein Segen oder ein Fluch war, ist aus heutiger Sicht schwer zu beurteilen. Verschiedene Aktionen aus seiner Zeit sind auch unter Druck der damaligen öffentlichen Meinung und Stimmung in Restbelgien entstanden und durchgeführt worden. Da er nur dem Premierminister unterstand und seine Order von da bekam, war er nicht immer Herr seiner Entscheidungen. Die Unschlüssigkeit der damaligen Belgischen Regierung, die sogar an Rückgabe der Gebiete an Deutschland gedacht hatte, aber von Frankreich aufgehalten wurde, spiegelt das Dilemma wider, dass durch die Annektion einer Deutschsprachigen Bevölkerung mehr Probleme entstanden sind als gut war. Der Versuch einer Assimilation, die bereits bei Baltia anfing und danach intensiv weiterbetrieben wurde, führte schließlich zu der Teilung der Bevölkerung in prodeutsch und probelgisch in der Vorkriegszeit. Trotzdem hat Baltia in verschiedenen Bereichen Fingerspitzengefühl bewiesen und gewisse Zugeständnisse gemacht, wie in dem Sprachengebrauch in der Presse und in den Schulen. „La petite Farce belge“ ist ihm nicht ganz anzukreiden.

  3. Ali Mente

    Also ich bin nicht dankbar, Belgier zu sein. Ich würde, ebenso wie meine Eltern und Großeltern nicht gefragt. Vor 100 Jahren riss man meine Eltern aus ihrem Vaterland heraus und unterdrückte sie.

    Könnten wir in Ostbelgien einfach von Belgien weg? Ich denke nicht. Seit 100 Jahren…

    • Frankenbernd

      Grundsaetzlich ist da was dran was Sie sagen. Meine Grosseltern wurden nie Belgier im ‚Kopf‘, meine Eltern bedingt aber meine Generation und die unserer Kinder sind einfach in Belgien aufgewachsen, wir kennen es nicht anders. Daher war es fuer uns einfacher Belgien als ‚Vaterland‘ anzunehmen. Es war sicher auch deswegen einfacher weil es sich in Belgien nach 1945 ebenso wie in der BRD gut leben liess. Dazu kam der ‚RdK‘ dann die Autonomie mit der DG etc. Es wurde einem leicht gemacht ‚Deutsch-Belgier‘ zu sein. Abgesehen davon war unseren (Gross-) Eltern nach 1944/45 klar, dass sich das Thema ‚Heim ins Reich‘ schlicht weg erledigt hatte und man passte sich an.

    • Das ist ja das schöne in einem freien Europa: Niemand ist dazu gezwungen in einem Land zu leben in dem er nicht leben möchte. Jeder kann ohne weiteres in ein anderes EU-Land ziehen, dort arbeiten und leben. Jeder ist seines Glückes selber Schmied.

      • Walter Keutgen

        belgier, aufgepasst, die Niederlassungsfreiheit in Europa ist nicht zu 100% gewährt. Sie schreiben es selbst: „arbeiten“. Daran hängt es. Wenn man aber z.B. in Deutschland auf Hartz-IV fällt, kann Deutschland ausweisen. Ende 2011 hat Belgien eine Französin mit zwei Kindern ausgewiesen, die seit Jahren in Belgien von der Sozialhilfe lebte. Außerdem gibt es eine Regelung für Ruheständler, sie dürfen in dem Land bleiben, wo sie die letzten 5 Jahre gearbeitet haben und ansonsten, wenn die Krankenversicherungsfrage geregelt ist, was für einen der sein Leben in einem EU-Land auch der Fall ist, wenn man die Formalitäten kennt.

    • Frankenbernd

      „Koennten wir in Ostbelgien einfach von Belgien weg“?
      1. Es gibt dafuer keine Mehrheit, nicht ansatzweise. Ueber 90%, gefuehlt 100% der Menschen hier sind entweder ueberzeugte Belgier (‚letze wahre Belgier‘) und/oder haben sich schlichtweg arrangiert.
      2. Es gibt keine Absicht in der EU bzw. bei den belgischen Nachbarn, das Thema ‚Grenzaenderungen‘ auf die Tagesordnung zu setzen. ‚Katalonien‘, ‚Schottland‘ haben gezeigt wie schwierig das ist und es ist politisch eigentlich nicht gewollt. Und in Belgien waere es nur moeglich, wenn Belgien auseinanderbricht, d.h. Flandern eine eigene Republik wuerde. Selbst der N-VA hat erkannt, dass das auch im Ausland nicht populaer ist also ’schiebt man das auf die lange Bank‘. Denn ohne die Einwilligung der ‚Aufnahmelaender‘ (im Falle Ostbelgien also D und/oder Lux) ginge es nicht.

  4. Frankenbernd

    Ich bin sehr dankbar, dass man hier nicht dem ‚Geschichtsverfaelscher‘ Ruland die Gelegenheit, gibt, sich ueber das Thema auszulassen. Die ganze ‚Anschlussgeschichte‘ ist sehr kompliziert, war fuer unsere Vorfahren schmerzlich und von Belgien katastrophal gehaendelt. Ein Dr. Ruland hingegen spricht vom ‚Segen des Anschlusses‘ der es aus damaliger Zeit nicht war. Bin gespannt auf die Aeusserungen von Frau Herrebout

  5. Peter Mûller

    Ich kann mich nur wundern über die „Ich bin Stolz Belgier zu sein.“ 90 % fühlt sich als wahre Belgier. Was ist ein wahrer Belgier. Wer ist denn wahrer Belgier. Die Flamen, Wallonen oder wir. Ich glaube, dass viele lieber mit unserem Nachbarn leben würden, als mit unseren Flamen oder Wallonen, wenn Sie sich entscheiden müssten. Will nur keiner sagen. Was würden die Stolzen Belgier sagen, wenn Sie nur ein Paar Meter weiter zur Weltgekommen wären. Wenn die Grenzen wieder geschlossen würden , dann will ich mal das Geschrei hören.

  6. Dä Schünne

    Mal Hand aufs Herz, wir sind lupenreine deutsche. Ohhh, ich weiß dies zu sagen ist verpönt aber genau so ehrlich muss man sagen das es uns mit unserem Minderheitenschutz super geht. Minister, Parlamente, Behörden alles aus Brüssel finanziert, super. Wer will da ernsthaft noch deutscher sein? Niemand.

  7. Besorgte Mutter

    Interessante, informative und sehr gut besuchte Veranstaltung. Frau Herrenout hat alle Aspekte des Herrn Baltia gut beleuchtet. Leider war die Tonqualität manchmal etwas schlecht

  8. Mario Mausen

    Was sind wir ?
    Wir Ostbelgier sind die einzigen wahren Belgier (sagt man), wir freuen uns wenn die Deutschen vor uns bei der Fußball WM rausfliegen, wir essen gerne Fritten und all die anderen belgischen Spezialitäten,… aber viele schauen nur deutsche Fernsehsender, wir sind Fans vom 1.FC Köln, Dortmund oder Bayern und kaufen oftmals lieber in deutschen Geschäften als in belgischen Geschäften… Wallonen sagen mir ich hätte einen schrecklichen deutschen Akzent wenn ich französisch spreche und Deutsche sind amüsiert über meinen französischen Akzent wenn ich deutsch spreche… Ich denke Ostbelgier sind, dank ihrer Geschichte, eine ganz besondere Mischung und vielleicht ein gutes Beispiel für den perfekten Europäer… Ich bin stolz Ostbelgier zu sein !

    • Jockel F.

      Wer sind wir?
      Inzwischen nicht einmal mehr Deutschsprachige (vgl. DG), geschweige denn Deutsche (vgl. RDK), sondern Ostbelgier. Wir hatten nach 1945 das zweifelhafte Glück, das die Bundesdeutschen nicht hatten: Wir konnten uns ins Belgiersein flüchten. Das Trauma aber, das in kollektiven Selbsthass mündete, ist dies- wie jenseits der Grenze das gleiche.
      „Wir“ freuen uns, wenn „die Mannschaft“, die nicht einmal mehr die Nationalfarben trägt und die in etwa so deutsch ist, wie die Vorstädte von Paris französisch, rausfliegt? Schon leicht bescheuert, oder?
      Die Spanier essen übrigens auch gerne Fritten. Sie schneiden sie etwas kleiner und nennen sie patatas bravas. Andalouse mögen Sie doch auch, oder?
      Ja, stimmt, die wenigsten hierzugemeinschaft beherrschen noch ausreichend Französisch, um belgisches Fernsehen zu schauen. Das war einmal anders und daran ändern auch zurecht gebogene DELF-Testungen nichts, wie sie von unseren ProDGisten gern als Feigenblatt organisiert werden.
      Sie sehen sich selbst als „perfekten Europäer“? Diese Selbstbezeichnung ist so typisch deutsch, mehr geht nicht (siehe oben). Schon einmal einem Polen begegnet, der die EU vor sein Mütterchen Polska stellt oder gar einem „perfekten Afrikaner“? Letztere Bezeichnung mutet seltsam an? Ach…

    • Im Osten nichts Neues

      “ Ich denke Ostbelgier sind, dank ihrer Geschichte, eine ganz besondere Mischung und vielleicht ein gutes Beispiel für den perfekten Europäer“

      A propos“ Geschichte“ und „gutes Beispiel für den perfekten Europäer“.
      Sind denn diejenigen, oder besser gesagt, deren Nachkommen die uns 1919 und nach 1945 als „pays rédimés“ (wieder) zu sich“ aufgenommen“ haben, auch „perfekte Europäer“?

  9. Intipuca

    Die Frage ob Belgier oder Deutscher stellt sich überhaupt nicht. Deutschland hat 1914 einen Krieg außerhalb der eigenen Grenzen geführt und ihn verloren. Baltia als General hat seine Aufgabe als Belgier zufriedenstellend oder auch gut erfüllt. Es ist eine Glück, wir nun Belgier wurden!
    Die meisten, die eine Rückkehr nach Deutschland unterschrieben, waren Eisenbahner. Hier wurden nun die belgischen Eisenbahner aktiv und drängten die Kollegen Richtung Osten.
    Achtung, ich bin kein Historiker. Nur liegt es auf der Hand, daß soziale und pragmatische Gründe nun dominant wurden. Ein Nachkarten ist beliebig.

    • Wahnsinn

      Es waren vor allem Beamte, die in der Abstimmung für Deutschland optierten. Aber warum? Weil all die anderen Menschen fürchten mussten, vertrieben und ausgewiesen, gegängelt und drangsaliert zu werden, denn es wurden Listen geführt. Und wenn ich einige Kommentare lese, in denen es heißt: „Wem es nicht gefällt, der kann ja gehen…“, dann erinnert dies sehr an diese Verfolgungen.

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