Politik

EU will an Gaspreisdeckel „arbeiten“: Kein Durchbruch beim Gipfel in Brüssel – nur ein (fauler?) Kompromiss

20.10.2022, Belgien, Brüssel: Pedro Sanchez (l-r), Ministerpräsident von Spanien, Krisjanis Karins, Ministerpräsident von Lettland, und Olaf Scholz, Bundeskanzler von Deutschland, sprechen mit den Medien, als sie zu einem EU-Gipfel im EU-Ratsgebäude eintreffen. Foto: Olivier Matthys/AP/dpa

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz musste sich beim EU-Gipfel in Brüssel wegen des Kurses seines Landes in der Energiekrise reichlich Kritik anhören. Am Ende einige man sich dennoch auf ein gemeinsames Vorgehen. Ein typisch (fauler?) europäischer Kompromiss: Kein Durchbruch, aber Einheit gewahrt.

Im Streit über die richtigen Maßnahmen gegen die hohen Energiekosten haben die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten einen Kompromiss gefunden. Nach rund zehnstündigen Verhandlungen stand beim EU-Gipfel in der Nacht zum Freitag die Abmachung, an einem Preisdeckel gegen extrem hohe Gaspreise zu arbeiten und andere Optionen weiter zu prüfen.

21.10.2022, Belgien, Brussels: Ursula von der Leyen (l), Präsidentin der Europäischen Kommission, und Charles Michel, EU-Ratspräsident, sprechen auf einer Pressekonferenz während eines EU-Gipfels. Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa

„Wir haben uns zusammengerauft“, sagte Scholz in Brüssel. Dies sei ein gutes Zeichen der Solidarität. Die Details möglicher Maßnahmen zur Begrenzung der Gaspreise blieben allerdings unklar.

Auf die Frage, ob er sich in der Energiediskussion beim Gipfel isoliert geführt habe, sagte Scholz: „In keiner Weise.“ Scholz war vor dem Gipfel Egoismus in der Energiekrise vorgeworfen worden. Selbst der französische Präsident Emmanuel Macron warnte ihn davor, Deutschland in Europa zu isolieren.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte nach dem ersten Gipfeltag an: „Wir werden einen Marktkorrekturmechanismus einführen, um Episoden überhöhter Gaspreise zu begrenzen.“ Ihre Behörde werde nun mit den Fachministern der EU-Staaten an einem Gesetzesvorschlag dafür arbeiten.

In den Schlussfolgerungen des Gipfels zum Thema ist von einem „vorübergehenden dynamischen Preiskorridor“ für den Handel mit Gas die Rede, der jedoch nicht die Versorgungssicherheit gefährden dürfe. Das nächste Treffen der Energieminister ist bereits am kommenden Dienstag.

20.10.2022, Belgien, Brüssel: Emmanuel Macron (l), Präsident von Frankreich, und der deutsche Kanzler Olaf Scholz (r) nehmen an einem bilateralen Treffen während eines EU-Gipfels teil. Foto: Olivier Hoslet/Pool EPA/AP/dpa

Ein Preisdeckel für Gas wird in der EU schon seit Monaten gefordert, u.a. von Belgiens Premierminister Alexander De Croo. Allerdings gibt es unterschiedliche Konzepte, wie der Preis begrenzt werden soll. Eine mögliche Option ist etwa ein Deckel auf den Preis für Gas, das zur Stromproduktion genutzt wird. Dieser dürfte – auch wegen des Widerstands Deutschlands – erstmal nicht kommen. Zunächst soll es dem Gipfel-Beschluss zufolge eine Kosten-Nutzen-Analyse geben. Zudem dürfe ein solches Modell nicht dazu führen, dass der Gasverbrauch zunehme.

„Das ist ein großer Schritt nach vorne, aber ich werde erst zufrieden sein, wenn die Preisobergrenze Realität wird und die Rechnungen weiter sinken“, kommentierte De Croo.

Weniger umstritten war beim Gipfel die Unterstützung für den jüngsten Vorschlag der EU-Kommission, die Möglichkeit für gemeinsame Gaseinkäufe zu schaffen. Ziel ist, dass Unternehmen in den EU-Staaten ihren Bedarf bündeln und in den Verhandlungen mit anderen Ländern so die Preise drücken können. Noch in diesem Jahr hatten sich die Länder auf dem Gasmarkt teils gegenseitig überboten. Ziel ist, dass das neue System bis zum Frühling funktionsfähig ist. (dpa/cre)

23 Antworten auf “EU will an Gaspreisdeckel „arbeiten“: Kein Durchbruch beim Gipfel in Brüssel – nur ein (fauler?) Kompromiss”

    • Das Problem dabei, die Stromproduktion lässt sich, dank „Energiewende“, nicht vom Gasbedarf entkoppeln. Somit kann man den Strommarkt auch preislich nicht vom Gasmarkt entkoppeln. Es gibt Leute die seit Jahren vor dieser Entwicklung warnen, wurden aber als „Schwurbler“ in die, vornehmlich rechte Ecke, gestellt.

  1. deuxtrois

    Nicht nachvollziehbar ist für mich die Blockadehaltung der Bundesregierung in Deutschland zum Gaspreisdeckel: Sie fürchten den kalten Winter, aber scheinbar nicht die hohen Kosten. Das Land, in dem die Medien vor Angst schäumen, spricht sich gegen einen Gaspreisdeckel aus.

    Nachvollziehbar ist das definitiv nicht.

    • Doch, das ist nachvollziehbar wenn man das Lügengebäude der Politik und ihrer Hofschreiber durchschaut. Es besteht in D ein physischer Gasmangel also MUSS Gas eingespart werden. Nur ein entsprechend hoher Preis erzwingt die Einsparung, daher sind die Deutschen Politiker gegen diesen „Preisdeckel“. Wird der Gaspreis erschwinglich dann wird der Gasverbrauch so hoch liegen dass der Gasmangel zur Abschaltung der Industrie, und letztlich auch der Haushalte, zwingen wird. Das Ende der „Energiewende“. Das darf NIE geschehen, also Rationierung über den Preis und weiter mit der Illusion der „grossen Transformation“. Die Politiker wissen genau was sie da tun, nur das Stimmvieh soll es nicht bemerken….

  2. Sind alles Clowns unsere Politiker. Auf der ganzen Welt nicht mal Ein richtiger dabei. Der Scholz stellt nun Bitterwenig dar, er grinst Fortwährend reibt sich die Hände, und sagt: Seit alle froh und munter, und wir lassen gar keinen im Stich8 Eine Nullnummer von oben bis unten!

  3. Ekel Alfred

    In Deutschland sind laut deutschen TV-Nachrichten von 84 Millionen Menschen NUR 6 Millionen Menschen betroffen….das interessiert die übrigen 78 Millionen Menschen erst gar nicht….denn….der Mensch ist ein Egoist von Natur aus….

  4. „Gaspreisdeckel“
    Als ob dieser Blödsinn funktioniert. Der Preis wird nur auf Alle umgelegt.
    Hier ein Deckel, da ein Deckel, Planwirtschaft vom feinsten und dann von Marktwirtschaft reden. Lächerlich.

    Für alle die es noch nicht mitbekommen haben:
    Die Börsennotierungen haben sich vom Spitzenwert Anfang des Sommers? fast halbiert!!
    Die Gaspreisrally hat längst vor Putins „Spezialoperation“ begonnen.
    Nur erzählt das niemand dem Volk,

    Schönen Gruss aus einem Land wo man das Auto für knapp 1€/L tanken kann

    • Eifel_er

      Sicher bin ich da nicht richtig informiert. Doch da, wo der Spritpreis um 1 Euro liegt, kann das nur in den Kameltreiber-Ländern sein. Diese zocken aber somit die anderen Länder ab.
      Wenn du schon so etwas ablässt, dann kannst du auch mitteilen wo du so günstig tankst.

      • Das sehen Sie falsch. Es ist erstaunlich dass so viele, eigentlich die meisten, noch immer nicht verstanden haben dass unser Finanzminister der grösste Preistreiber am Energiemarkt ist. Könnten wir zu den Preisen tanken die die „gierigen“ Konzerne aufrufen, es würde die Tankrechnung mehr als halbieren. Wollen die meisten das nicht verstehen? Oder warum sucht man immer da Schuldige wo sie nicht sind…..

  5. Erst jetzt beginnen die Medien und Politiker sich mit der Preisbildung am Strommarkt zu beschäftigen, der Meritorder. Was haben diese „Energieexperten“ eigentlich bis jetzt gemacht?
    Das Prinzip der Meritorder ist der physikalischen Besonderheit im Strommarkt geschuldet. Entgegen den Werbesprüche der Ökostromanbieter gibt es keinen grünen, grauen, Kohle- oder Atomstrom, es gibt nur „Strom“. Das ist ein virtuelles Produkt, nicht wie Kartoffel die man in Säcken handeln kann. Eigentlich verkaufen die „Stromproduzenten“ nur die Leistungsbereitstellung ihrer Anlagen. Diese Leistungsbereitstellung MUSS immer GENAU dem aktuellen Bedarf entsprechen. Jetzt erfolgt der Zuschlag der Anbieter über ein Bieterverfahren, der Meritorder. Dabei bietet jeder seine Anlagen zum Preis x an und der Zuschlag erfolgt in der Reihenfolge vom billigsten zum teuersten der noch benötigt wird um das Stromnetz stabil zu halten. Die Kritik entzündet sich jetzt daran dass dann alle den Preis des teuersten Anbieters bekommen. Was sonst? Wenn ich als billigster Anbieter sehe dass der letzte in der Reihe den 3-fachen Preis bekommt, ich aber nicht, dann nehme ich mein Angebot sofort aus der Auktion und biete dann auf den höheren Preis. Mit der Folge dass das dann jeder so macht und es nie zum Abschluss kommt – das Licht geht aus. „Strom“ ist ein virtuelles Produkt welches mit realem Geld bezahlt werden muss. Das ist komplizierter als der blöde Spruch der Ökos „Wind und Sonne schicken keine Rechnung“. Politiker und ihre Hofschreiber bemerken das so langsam…..

  6. Robin Wood

    Interessant, was die EU so alles erlaubt…
    Ein interessanter Artikel auf Focus Online zum Thema Gas-Preis/Gas-Kartelle

    https://www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/gastbeitrag-von-gabor-steingart-mit-fiesen-tricks-zocken-uns-die-gas-kartelle-ab-und-der-staat-hilft-flei%C3%9Fig/ar-AA13Zqux?cvid=6d821ac938914fd4b401730cf1f49ff8
    „Gastbeitrag von Gabor Steingart – Mit fiesen Tricks zocken uns die Gas-Kartelle ab – und der Staat hilft fleißig.
    Vor den Küsten Europas warten LNG-Tanker lieber auf höhere Preise statt ihre Ladung zu löschen. Die Profitgier der Händler ist enorm. Aber auch normale Reedereien treiben ihr Spiel mit der Krise – mit Genehmigung der EU-Kommission. Die Zeche für das Kartellgebaren zahlen am Ende die Verbraucher.

    Der Sachverhalt in Kürze: Mehr als 30 Tankschiffe mit verflüssigtem Erdgas schwimmen derzeit vor der europäischen Küste, sie fahren mit drei bis acht Knoten, also weniger als halber Kraft. Sie fahren im Kreis. Sie spielen auf Zeit. Sie spekulieren. Das derzeit zurückgehaltene LNG in den Schiffen könnte rund 2,7 Millionen Haushalte ein ganzes Jahr lang mit Energie versorgen, aber die Gaspreise sind den Händlern zu stark gefallen.

    Damit nicht genug: Neben den LNG-Schiffen treiben auch die normalen Reedereien wie Hapag-Lloyd ihr Spiel mit der Krise – und wieder spielt Vater Staat eine dominante Rolle. Mit 18 Milliarden Euro Nettogewinn wird Hapag-Lloyd dieses Jahr das voraussichtlich profitabelste Unternehmen Deutschlands sein. Ohne den Staat wären diese Superprofite nicht denkbar.
    Der Hintergrund: Vor 13 Jahren erlaubte die EU-Kommission den Reedereien, sich wider aller Kartellgesetze zu Konsortien zusammenschließen zu dürfen. In der Tarnsprache der Bürokraten hieß diese Operation „Gruppenfreistellungsverordnung für Konsortien“.
    Die beteiligten Firmen konnten ihr Glück kaum fassen: In der Folgezeit gründeten die Reeder drei Allianzen, mit denen sie 80 Prozent des Weltmarktes unter sich aufteilten.

    Das Verrückte: Diese bis zum Jahresende prognostizierten 18 Milliarden Euro Nettogewinn werden mit einem Steuersatz von weniger als ein Prozent versteuert. Es gibt keine Übergewinnsteuer. Es gibt nicht mal die normale Steuer. Es gibt stattdessen ein vom Staat genehmigtes Kartell, das die durch Krieg und Pandemie bedingten Lieferengpässe schamlos ausnutzt und die eigenen Frachtraten in die Höhe treibt.

    Vielleicht sollten die Medien den Staat auf dem Weg der Genesung begleiten, indem sie etwas Unerhörtes tun, nämlich kritisch über die Regierung berichten.“

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