Im Vorfeld der Plenarsitzung von diesem Montag, dem 15. September, bei der Ministerpräsident Oliver Paasch (ProDG) eine mit Spannung erwartete Gemeinschaftspolitische Erklärung abgeben wird, kündigte die ProDG-Fraktion im Rahmen einer Pressekonferenz einen personellen Wechsel an und warf außerdem einen Ausblick auf die jetzt beginnende neue Sitzungsperiode 2025-2026.
Aus diesem Anlass stellte „Ostbelgien Direkt“ dem ProDG-Fraktionsvorsitzenden Freddy Cremer (68) drei Fragen.
OD: Weshalb ist Freddy Cremer nie Minister oder Parlamentspräsident geworden?
Freddy Cremer: Ich bin seit Januar 2011 Abgeordneter im Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Seit 2019 bin ich Vorsitzender der ProDG-Fraktion, die seit den Wahlen von Juni 2024 mit acht Mandataren die weitaus stärkste Fraktion im Parlament stellt.

ProDG-Fraktionsvorsitzender Freddy Cremer ist seit Januar 2011 Mitglied des Parlaments der DG. Foto: Helmut Koch
Die Koordination der Fraktionsarbeit und die Leitung des Fraktionssekretariats sind zeitintensive Aufgaben, die von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden, die aber für das gute Funktionieren der parlamentarischen Arbeit von Bedeutung sind. Ich fühle mich pudelwohl in dieser Rolle und die Arbeit in diesem achtköpfigen Team ist bereichernd.
Mit Ihrer Frage setzen Sie mir aber einen Floh ins Ohr. Da ich noch recht jung bin, werde ich mich im Falle einer Wiederwahl und weiteren Mehrheitsbeteiligungen von ProDG zuerst in der kommenden Legislatur für ein Ministeramt und in der darauffolgenden Legislatur für das Amt des Parlamentspräsidenten bewerben. Oder vielleicht auch in umgekehrter Reihenfolge.
OD: Was ist so reizvoll an der Tätigkeit des Fraktionsvorsitzenden, die im Wesentlichen darin besteht, das zu wiederholen, zu bestätigen und zu loben, was ProDG-Ministerpräsident Oliver Paasch vorher schon herausposaunt hat?
Freddy Cremer: Ich verstehe mich keinesfalls als Vasall oder Herold des Ministerpräsidenten. Mein Tagesgeschäft besteht nicht darin, Lobpreisungen auf den Ministerpräsidenten anzustimmen. Als Vorsitzender der stärksten Mehrheitsfraktion besteht meine Hauptaufgabe darin, an der Umsetzung des Koalitionsabkommens und des Regierungsprogramms, auf das man sich nach den Wahlen vom 9. Juni 2024 geeinigt hat, schrittweise umzusetzen und das Regierungshandeln, das sich keineswegs auf die Person des Ministerpräsidenten beschränkt, im Parlament und in der Öffentlichkeit zu unterstützen. Das hat nichts mit einer auf die Person des Ministerpräsidenten fokussierten devoten Servilität zu tun. Das ist Loyalität zu dieser Mehrheit und zu dieser Regierung.

Freddy Cremer (r) mit Greffier Stephan Thomas (l) bei der offiziellen Einsetzung des neuen Parlaments der DG im Juni 2024. Foto: Patrick von Staufenberg
Das bedeutet aber im Umkehrschluss keineswegs, dass die Mehrheitsfraktionen Regierungsstandpunkte blindlings und kritiklos übernehmen. In vielen fraktions- und mehrheitsinternen Versammlungen wird das Regierungshandeln Punkt für Punkt auf den Prüfstand gelegt.
Ich muss mich aber nicht medienwirksam ans PDG-Rednerpult stellen und die Regierung kritisieren oder in Pressemitteilungen meinen politischen Unmut äußern. Das würde die Debatte sicher anheizen, aber andererseits das Handeln dieser Mehrheit nach und nach aushöhlen. Daran würde jede Regierung scheitern; ein illustres Beispiel dafür lieferte die Ampelkoalition in Deutschland.
Das entspricht nicht meinem Verständnis von verantwortungsvoller Politik. So kann parlamentarische Demokratie nicht funktionieren. Wenn man mir dann den Vorwurf macht, ich würde Regierungsstandpunkte wiederholen, kann ich durchaus mit diesem Einwand leben.
OD: Haben Sie eigentlich verstanden, weshalb ProDG nach der PDG-Wahl von Juni 2024 ein Bündnis mit der CSP eingegangen ist, obwohl die alte Koalition mit SP und PFF weiterhin eine Mehrheit hat?
Freddy Cremer: Wenn ich das nicht verstanden hätte, wäre ich fehl am Platz. Hierzu einige Erläuterungen. Anders als noch beim Urnengang 2019, als die drei damaligen Koalitionspartner gesagt hatten, im Falle einer Mehrheit der Sitze im PDG die Zusammenarbeit fortzusetzen, hat ProDG vor den Wahlen vom 9. Juni 2024 keine Koalitionsaussage gemacht. Unser Spitzenkandidat hatte schon lange vor dem Wahlgang unzählige Male erklärt, dass man zuerst das Wählervotum abwarten würde, um erst dann Sondierungsgespräche zu führen. Von den drei Koalitionspartnern musste nur die SP Stimmen einbüßen.

Wahlsieger Oliver Paasch (Bildmitte) wird am Abend des 9. Juni 2024 im Klubheim des FC Eupen von ProDG-Mitgliedern und ProDG-Sympathisanten gefeiert. Foto: Patrick von Staufenberg
Ein Koalitionswechsel ist nichts Ungewöhnliches, er gehört zum demokratischen Habitus. Er ist sogar eine wichtige Gelingensbedingung für ein demokratisches Gefüge. Wenn die SP nach der Bildung der neuen Koalition „Zeter und Mordio“ schreit, kann ich das zwar nachempfinden, aber der Vorgang hat nichts Frevelhaftes. Es gibt keine Nibelungentreue, die die unabhängige Bürgerbewegung ProDG an die SP bindet. In der Politik ist nichts für die Ewigkeit.
Zudem zeigten sich gegen Ende der Legislatur 2019-2024 innerhalb der Koalition – wenn ich einen Vergleich aus der Atomkraft heranziehen darf – politische „Haarnadelrisse“. Es gab zunehmend Spannungen, so dass auch in unseren ProDG-internen Gremien die Stimmen nach einem politischen Wechsel immer lauter wurden.
Doch es war im Wesentlichen keine Entscheidung gegen einen ehemaligen Koalitionspartner, sondern vielmehr eine Entscheidung für einen neuen Koalitionär. Man hat sich für diese neue Koalition entschieden, weil die inhaltlichen Schnittmengen in Kernbereichen unserer Zuständigkeiten sehr groß sind, auch wenn es in Einzelfragen inhaltliche Unterschiede gibt.
In dieser Legislatur werden richtungsweisende Entscheidungen getroffen werden müssen – ich nenne nur die Verabschiedung der Raumordnungsgesetzgebung, die Umsetzung der Bildungsvision, anstehende institutionelle Reformen, Sparzwänge – die eine große gesellschaftliche Akzeptanz und eine breite Mehrheit im PDG erfordern. Diese Bedingung ist mit dem neuen Koalitionspartner gegeben. (cre)
Personeller Wechsel in der ProDG-Fraktion
Wechsel in der ProDG-Fraktion zum Start in die neue Sitzungsperiode: Lisa Göbbels hat beschlossen, ihren Platz im Parlament der DG zur Verfügung zu stellen. Ausschlaggebend für diese Entscheidung sei die Geburt ihres zweiten Kindes sowie ihre beruflichen Aufgaben als Schulleiterin der Grundschule des Königlichen Athenäums Eupen, hieß es.
Das Mandat von Lisa Göbbels wird künftig Karin Messerich übernehmen. Sie ist 54 Jahre alt und stammt aus St. Vith. Seit 18 Jahren lebt sie mit ihrer Familie in Breitfeld-Wiesenbach. Sie ist verheiratet und Mutter von drei Kindern.
Beruflich ist sie seit 1993 als Grundschullehrerin tätig. Neben ihrer Lehrtätigkeit hat sie sich zusätzlich zur Bauernhofpädagogin ausbilden lassen. Seit mittlerweile acht Jahren lehrt sie das Thema Bienen mit viel Engagement in Kindergärten, Grund- und Sekundarschulen.
Auch ehrenamtlich engagiert sie sich stark: Als Stadtführerin in St. Vith, in der Bürgerinitiative zur Burg St. Vith sowie im Möhnenkomitee der Stadt ist sie fest im lokalen Leben verankert.
Keine Koalitionsaussage=alles war schon abgeklärt.
Nach wie vor hat keine wirkliche Debatte stattgefunden.