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Facebook-Whistleblowerin in Brüssel: Haugen setzt große Hoffnungen in neue Regeln der EU für Online-Konzerne

08.11.2021, Belgien, Brüssel: Frances Haugen (vorne r), Facebook-Whistleblowerin, spricht im Europäischen Parlament zu Europaabgeordneten. Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa

Die frühere Facebook-Mitarbeiterin Frances Haugen setzt große Hoffnungen in die europäischen Pläne, neue Regeln für Online-Konzerne zu entwickeln. Das Gesetz für digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) habe das Potenzial, global Maßstäbe zu setzen, sagte sie am Montag bei einer Anhörung im EU-Parlament in Brüssel.

Es könne andere Länder – auch die USA – dazu bewegen, neue Regeln einzuführen, betonte die Facebook-Whistleblowerin. „Aber das Gesetz muss stark formuliert sein und konsequent umgesetzt werden. Ansonsten werden wir die Gelegenheit verpassen, die Zukunft von Technologie und Demokratie in Einklang zu bringen.“ Solche Chancen gebe es nur ein Mal pro Generation.

Laut Haugen könnte die EU Regeln etablieren, die Risiken durch Online-Plattformen eindämmen und zugleich die Redefreiheit schützen. „Sie können der Welt zeigen, wie Transparenz und Aufsicht funktionieren müssen.“

08.11.2021, Belgien, Brüssel: Frances Haugen, Facebook-Whistleblowerin, kommt zu einer Anhörung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz des Europäischen Parlaments. Foto: Benoit Doppagne/BELGA/dpa

Die frühere Facebook-Mitarbeiterin Haugen hat eine große Sammlung interner Unterlagen heruntergeladen und dem US-Kongress, Behörden sowie ausgewählten Medien zur Verfügung gestellt. Die Informationen belegen ihr zufolge, dass der Konzern Profite über das Wohl seiner Nutzer stellt. Der Facebook-Konzern Meta weist die Vorwürfe zurück.

Zur Brüsseler Anhörung betonte das Unternehmen in einem Blogeintrag unter anderem, aktuelle Entwicklungen stützten nicht die These, dass Facebook und andere soziale Medien der Grund für die Polarisierung der Gesellschaft seien. So hätten bei Wahlen in den Niederlanden und Deutschland Parteien der demokratischen Mitte zugelegt und „die Unterstützung für stärker spaltende Parteien stagnierte oder ging zurück“ – während in diesen Ländern Facebook breit genutzt werde.

Die Säulen der EU-Pläne sind die Gesetzesvorhaben Digital Markets Act (DMA) und der Digital Services Act (DSA). Das Gesetz für digitale Märkte (DMA) befasst sich mit den wettbewerbsrechtlichen Aspekten. Das DSA geht gesellschaftliche Fragen an.

Bevor die Vorschläge der EU-Kommission umgesetzt werden, müssen EU-Staaten und Europaparlament sich noch auf eine Linie verständigen.

„Aftenposten“: Facebook zur Verantwortung ziehen

Die konservative norwegische Tageszeitung „Aftenposten“ (Oslo) kommentiert am Dienstag die Anhörung der Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen im Europaparlament in Brüssel:

„Facebooks eigene Analysen zeigen, dass Essstörungen, Depressionen und Angstzustände direkt mit der Nutzung von Instagram in Verbindung gebracht werden können. Dennoch haben sie keine notwendigen Schritte unternommen, um das Problem zu reduzieren. Stattdessen haben sie das Wissen um die Schädlichkeit ihrer Produkte vertuscht und die Gefahren nach außen hin heruntergespielt. (…) Auch hier in Norwegen und in anderen Ländern sollten die Alarmglocken läuten. Wenn Facebook nicht mehr Verantwortung übernimmt, ist es an den Volksvertretern, härtere Anforderungen an das Unternehmen zu stellen.“ (dpa)

2 Antworten auf “Facebook-Whistleblowerin in Brüssel: Haugen setzt große Hoffnungen in neue Regeln der EU für Online-Konzerne”

  1. Pensionierter Bauer

    So wie ich das ganze zwischen den Zeilen verstehe, wird zuerst an Facebook ein Exempel statuiert und man hofft, dass alle anderen, auch so kleine aber feine wie OD, sich dann schon dem neuen Zeitgeist der totalen „Transparenz“, unterwerfen werden. Alle anderen Plattformen wird man dann durch sanften aber stetigen Druck in die Knie zwingen.
    Der „seriöse Journalismus“ wird sich dann groß feiern und weiter Regierungspropaganda von früh bis spät über Stadt und Land verbreiten. Die braven Leutchen werden sich dann hinter den schönen Worten „wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten“ verstecken.
    Ich gehe davon aus, dass die Stunden des freien Internets gezählt sind.

  2. Robin Wood

    @Pensionierter Bauer
    Ich teile Ihre Befürchtungen.

    Mir fällt übrigens auch dies auf:
    Snowdon – ein Whistleblower wie F. Haugen – wurde Diebstahl von Regierungseigentum und widerrechtliche Weitergabe vorgeworfen und flüchtete ins Asyl, da ihm mindestens lebenslang Gefängnis droht.
    Assange veröffentlichte interne Dokumente von US-Streitkräften, die Kriegsverbrechen und Korruption dokumentierten und sitzt im Gefängnis.
     
    Haugen hat eine große Sammlung interner Unterlagen von Facebook heruntergeladen und dem US-Kongress, Behörden sowie ausgewählten Medien zur Verfügung gestellt. 
    Sie wird nicht strafrechtlich verfolgt.

    D.h. alle drei haben geheime Unterlagen Ihres Arbeitgebers „gestohlen“ und veröffentlicht. Bei Haugen handelt es sich um einen privaten Konzern, Snowdon und Assange haben geheime Dokumente des Staates veröffentlicht.
    Wieso hört man Haugen zu und verfolgt die zwei anderen? Sicher, es waren Staatsgeheimnisse, die von den beiden öffentlich gemacht wurden, aber es ging u.a. um Folter, also schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen eines westlichen Staates. Diese Menschenrechtsverletzungen werden aber nicht geahndet, USA macht weiter wie bisher und die westlichen Staaten, auch die EU, machen das alles mit.
    Wieso wird hier mit zweierlei Maß gemessen?

    Hätte es einen weltweiten Aufschrei gegeben, wenn nicht die USA betroffen gewesen wäre? Wenn man z.B. den Namen „Assange“ durch „Nawalny“ ersetzt und „USA“ durch „Russland“…?

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