Gesellschaft

Von „Bürger*innen“ und „BürgerInnen“: Wie nervig darf die geschlechtergerechte Sprache sein?

Illustration: Shutterstock

Kürzlich verkündete Sibylle Keupen, die neue grüne OB der Stadt Aachen, voller Stolz, dass man ab sofort bei der Stadtverwaltung die geschlechtergerechte Sprache eingeführt habe. Gendern soll in der Kaiserstadt zur Gewohnheit werden.

Es wird neuerdings heftig über die Notwendigkeit und die richtige Form für alle Geschlechter gestritten – über Varianten wie das Gendersternchen („Kolleg*innen“) oder das Binnen-I („KollegInnen“).

Wird der Genderstern bald selbstverständlich? Wird es in Zukunft seltsam wirken, dass Frauen mit der männlichen Form wie in „Lehrer“ mitgemeint sind?

Sibylle Keupen (Bündnis 90/Die Grünen), Oberbürgermeisterin der Stadt Aachen. Foto: Marius Becker/dpa

Das könnte passieren, ja es wird wohl auch passieren. Schon heute gibt es Moderatorinnen wie Anne Will im Fernsehen, die „Kolleg*innen“ sagen, mit hörbarem Stopplaut. Dann sind Männer und Frauen gemeint.

Vor allem in der Politik und in einem Großteil der etablierten Medien gehört es zum guten Ton, die geschlechtergerechte Sprache zu benutzen. In der Sendung „Börse vor acht“ in der ARD ist von „Anlegern und Anlegerinnen“ die Rede.

„Sprache ist ein wirksames und zugleich mächtiges Instrument – mit ihr bringen wir zum Ausdruck, was wir denken oder mitteilen möchten“, so Aachens Oberbürgermeisterin Keupen. „Wenn Frauen und Menschen verschiedener Geschlechter und Identitäten sprachlich nicht  erwähnt werden, bleiben sie in unserer Vorstellungskraft unsichtbar.  Um stereotype Geschlechterrollen aufzubrechen, ist die geschlechtersensible Kommunikation in unserer Verwaltung eine unabdingbare Voraussetzung.“

Flyer der Stadt Aachen über die gendergerechte Sprache in der Verwaltung.

Für die Einführung der geschlechtergerechten Sprache in der Aachener Stadtverwaltung dient ein Flyer als Arbeitshilfe, der darüber informiert, warum Gendern wichtig ist und wie man gendergerecht schreibt. Den Flyer „Ein Sternchen und doch kein Promi – zusammen machen wir gendergerechte Sprache berühmt“ findet man unter dem Link am Ende dieses Artikels.

Dass neuerdings Politik und Medien fortlaufend die gendergerechte Sprache benutzen, heißt nicht unbedingt, dass Otto Normalbürger dies auch gut findet. Eher ist sogar das Gegenteil der Fall.

Laut SWR hat eine Meinungsumfrage gezeigt, dass weniger als 30 Prozent der Deutschen das Gendern überhaupt wichtig finden. Über 70 Prozent haben gesagt, dass sie es für unwichtig halten oder sie keine feste Meinung zu dem Thema haben.

Argumente gegen das Gendern gibt es einige. So können durch die gendergerechte Sprache Lesbarkeit und Verständlichkeit von Texten verschlechtert werden. Texte werden länger, die Sonderzeichen im Wort stören und lenken vom eigentlichen Inhalt des Textes ab. Auch in Radio und Fernsehen empfinden viele das Gendern als nervig.

Häufig wird sogar kritisiert, dass durch das Gendern die Rolle der Geschlechter erst recht betont wird, was die Befürworter ja eigentlich vermeiden wollen. (cre)

Nachfolgend finden Sie den Flyer für die Aachener Stadtverwaltung, der als Leitfaden für die von Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen (Grüne) eingeführte gendergerevhte Sprache dienen soll:

Flyer der Stadt Aachen „Gendergerechte Sprache“

84 Antworten auf “Von „Bürger*innen“ und „BürgerInnen“: Wie nervig darf die geschlechtergerechte Sprache sein?”

    • Aix-le-Kapelle

      Weil ES im Französischen kein Neutrum gibt… „Il“ ou „elle“, and nothing else matters.
      ManN kann sich nur an den Kopf fassen und mit Sen. RAND PAUL die Leute, die so etwas unterstützen oder fodern oder födern: „What planet are you from?“. Der Traum der FreiMaurerei wird war: „“La construction d’un homme nouveau […] le fondement de notre démarche maçonnique – Die Erschaffung eines neuen Menschen […], Grundlage der Freimaurerei“ („Le sacré peut-il participer à la construction d’un homme nouveau?“ http://www.ledifice.net/3079-3.html).
      Wie sagte mal Arundhati Roy? „Pigs are cows“…

  1. schlechtmensch

    Ich fühle mich schon lange diskriminiert. Ständig hört man in den Medien von Mördern, Vergewaltigern, Dealern, Vebrechern, Rasern etc. Warum wird hier nicht ordentlich gegendert? Ich verlange Mörderinnen, Vergewaltigerinnen, Verbrecherinnen, Betrügerinnen, Raserinnen, Steuerhinterzieherinnen usw. Gleiches Recht für alle!

    • Germano-Belgier

      … und vor allem: DER Mensch, was ist mit DIE Menschin ?
      Wie es bereits im Artikel beschrieben steht, 70% der Befragten (und Befragtinnen ?) interessiert es nicht einmal! Aber je mehr man (und frau) es aufbauscht, desto mehr Wirbel entsteht, obwohl es doch im Grunde nur um die „geschriebene Gleichberechtigung“ geht. Ob sich das aber auch sprachlich umsetzen lässt, ohne holprig und unverständlich zu wirken, oder in endlosen Aufzählungen zu Enden, bezweifle ich stark.
      Der Höflichkeit halber lassen ich allen Frauen dieser Welt gerne den Vortritt („Sehr geehrte Damen und Herren…“), ohne mich diskriminiert zu fühlen. Man (und frau) kann es aber auch übertreiben…

  2. Der Entwicklung einer solchen Kunstsprache bzw. -schrift kann ich nichts abgewinnen.

    1. Diese Sternchen und InnenIs lösen kein Genderproblem. Möchten wir allen Befindlichkeiten gerecht werden (unentschieden, variable, von Frau zu Mann und umgekehrt, …), brauchen wir noch eine Reihe Sonderzeichen mehr. Wie wir diese dann gesprochen umsetzen???

    2. Die deutsche Sprache stellt 3 Geschlechter zur Verfügung, die französische 2 (damit hätten wir noch das humorvolle „Madame, le Ministre“), viele andere nur 1. Vor 25 Jahren strebte man eine Rechtschreibereform an: Großschreibung sollte entfallen, 53 Kommaregeln drastisch reduziert werden, das scharfe s entfallen, viel Wortschreibungen dem Ursprung des Wortes angepasst werden, … Am Ende blieb nicht viel davon übrig. Zielsetzungen damals war die geschriebene Sprache zugänglicher zu machen: für Schüler, Fremdsprachler und eigentlich alle. Um die Genderschreibungen und -aussprachen einem 6jährigen zu erklären, braucht es schon einiges an Sexualkunde.

    • Walter Keutgen

      Der., aufgepasst, „Madame, le Ministre“ ist nicht mehr gestattet. Es muss auch in Belgien zumindest „la cheffe“ heißen, wenn man von einer Frau spricht. In der französischen Nationalversammlung kann ein „Madame, le Président“ 2.500 EUR Strafe kosten.

      • Marion Schmitz-Reiners

        2.500 Euro Buße? Wie bitte? Ich lebe im flämischen Landesteil und im Niederländischen gibt es dieses Problem glücklicherweise nicht. Die Ansprache „Mevrouw de minister“ ist völlig korrekt. Ein Arzt und eine Ärztin sind „arts“ oder „doktor“, ein Student oder eine Studentin sind „student“. Erst im Kontext erfährt man dann, ob es um „zij“ oder „hij“ geht. Eigentlich finde ich das viel genderneutraler als dieses verwirrende Herumhammern auf dem Geschlecht.
        Übrigens: Noch gekünstelter sind Verlaufsformen wie beispielsweise „der/die Studierende“. Warum dann micht gleich „der/die Metzgernde“ oder „der/die Backende“? Ein*e Studierende studiert auch nicht ständig!

        • Ossenknecht

          Ich habe Studenten kennenlernen müssen, die offenbar immer nur Partymachende waren und nie Studierende.

          2.500 Euro Buße im Parlament, das ja der Darstellung der politischen Positionen aller Teile des Volks dient, halte ich für undemokratisch. Volksvertreter können nicht an vorgegebene sprachliche Mittel gebunden sein und müssen zur Verdeutlichung ihrer Position auch unangenehm satirisch sein dürfen oder jemanden ein *rschloch schimpfen. Gerade weil es unangenehm ist und die Meinung verdeutlicht. Wer nur bestimmte Standpunkte verträgt soll nach Moskau oder Peking umziehen.

      • Der Schaumschläger brauchte Aufmerksamkeit. Und wurde schließlich geahndet und im Protokoll vermerkt. Strafe: Zahlung eines Viertels seiner monatlichen Entschädigung oder 1.378 €. Aber in 2014 war das noch „Geld“ …

  3. besserwisser

    Ecolo=Ecolo
    männlich von Ecolo=???
    weiblich vonEcolo = Ecolo“innen“ oder Ecolo“ginnen“??
    plural von Ecolo= Ecolo’s
    Was soll all dieser Quatsch??
    Wie krank sind doch einige Sprach und Umweltverbesserer?
    Es gibt wichtigers als dass .

    • Walter Keutgen

      Corona 2019, nein auf Europe1 oder Classic21 der RTBf gehört. Der Abgeordnete war von Front National (jetzt umbenannt) hatte nach der Bemerkung der Präsidentin auf „Madame, le Président“ als die sprachliche Regel bestanden. Sie hat auf das Règlement der Nationalversammlung bestanden und hinzugefügt „Vous me manquez de respect“.

      • Corona2019

        @- Walter Keutgen

        Glaube ich Ihnen .

        Jetzt versteht man auch besser weshalb die Mühlen in der Politik langsam Mahlen .

        Nur drei Sekunden für diese Bemerkung ist völlige Zeit Verschwendung .

        Aber die Art der Ansprache scheint ja wichtiger zu sein als erfolgreiche Arbeit .

        • Walter Keutgen

          Corona2019, 5/11 scheint sich oben auf denselben Fall zu beziehen und nennt den Parlamentarier einen Schaumschläger. Dass das mit 1.378 € ausgegangen ist, kann sein. Sollte das ein Viertel der monatlichen „Entschädigung“ – da habe ich doch das deutsche Diäten lieber – sein, dann verdienen die Parlamentarier der Grande Nation nicht viel.

  4. Das ist doch eigentlich ein alter Hut oder sollte zumindest einer sein. Ich habe mich schon als Kind mit großem Unverständnis darüber gewundert, dass meine Großmutter nicht einmal auf dem Klingelschild an der Wohnungstür vorkam. Behördenpost an beide Großeltern war nur an den Herrn des Hauses adressiert, vielleicht noch nach dem Muster „Eheleute Hubert Müller“. Und heute dominiert die männliche Form, außer wenn es um so genannte „Frauenberufe“ geht, Friseurin, Arzthelferin, Grundschullehrerin, aber die Gymnasiallehrerin soll sich Gymnasiallehrer nennen lassen, die Ärztin Arzt. Jetzt mal ehrlich, wollen wir dieses antiquierte Gehabe eigentlich für alle Ewigkeit durchziehen, zementieren? Glauben wir wirklich ernsthaft, dass das dauerhaft Bestand haben kann? Man nehme mal ein 100 Jahre altes Buch in die Hand. Dann merkt man schnell, dass Sprache keineswegs in Stein gemeißelt ist, sich vielmehr wandelt, ein Spiegel der Zeit ist, insbesondere auch des Stellenwerts der Geschlechter zueinander. In Gesellschaften, in denen Frauen (bzw. „das Weib“, „das Frauenzimmer“) seit Jahrhunderten nichts zu mucken haben bzw. hatten und unterdrückt und benachteiligt werden, kommen sie auch nicht in der Sprache vor. Aber Sprache lebt, Sprache schafft Bilder in den Köpfen, schafft Bewusstsein. Sprache war noch nie statisch, sondern änderbar, anpassungsfähig auch im Hinblick auf Gleichberechtigung. Sternchen u. ä. im Wort finde ich auch nicht besonders schön, spreche aber problemlos, ohne dass mir davon als Mann ein Zacken aus der (nicht vorhandenen) Krone fällt, von Kolleginnen und Kollegen, Lehrerinnen und Lehrern usw. Soviel Zeit kann man sich ruhig nehmen (und das sollte doppelt für die galanten, bigotten Kavaliere gelten, die Damen eifrig die Türen aufhalten, aber mit der Gleichberechtigung äußerst zurückhaltend sind). Und man muss nicht so tun, als ob davon nun gleich das Abendland unterginge. Das sind auf die Dauer chancenlose Rückzugsgefechte der Rückwärtsgewandtheit, über die man in einiger Zeit nur noch schmunzeln wird wie heute schon über das „Fräulein“ und darüber, dass Frauen noch vor gar nicht allzu langer Zeit keinen Arbeitsvertrag ohne Zustimmung des Gatten schließen durften usw.

    • Marion Schmitz-Reiners

      Hinzufügend möchte ich erwähnen, dass auf belgischen Todesanzeigen (NL/FR), wenn eine Adelige dahingegangen ist, aus einer – das Beispiel ist erfunden – „Jonckvrouw Hilde Peeters“ eine „Gravin Eugène van Pitteghem de Beaucourt“ geworden ist. Das finde ich erst wirklich krass!

  5. Ossenknecht

    Make Doppelnennung great again: Frauen und Frolleins wie Sibylle Keupen sind Komiker, die keine Gelegenheit auslassen sprachlich eindeutig hinaus zu posaunen, dass sie nicht in die Gruppe der vermeintlich Bevorzugten aufsteigen wollen sondern in allen allen allen Bereichen weiterhin eine getrennte Gruppe bilden. Ihr veralteten weißen Heteroschweine: Wir gehören nicht zusammen! Niemals! Solidarität ausgeschlossen! Spaltet die Gesellschaft in unversöhnliche Scheidenopfer und penetrante Penishirne! Egal um welches Thema es gerade geht!

    Das Gender-Sternchen steht für den missing Link zwischen Männchen und Weibchen. Auf Suche nach diesem fehlenden Glied hat m’r schon eine Menge für ausgestorben gehaltene Genders wiederentdeckt. Dem Charakter der Sache gemäß streng außerhalb der Penis-dominierten Naturwissenschaften.

    Warnung: Ossenknechts traditionelles Geschlecht geht hier niemand was an. Wir lassen uns nicht auseinander dividieren! Auch nicht anhand unseres Alters, unserer Haut- und Haarfarbe, unserer Muttersprache.

  6. Peer van Daalen

    Wer die Sprachkulturen der Völker – und hier insbesondere die deutsche Sprachkultur – „gendert“ ist geisteskrank und gehört konsequent ignoriert oder in die Irrenanstalt!

  7. Georg Kremer

    Bleibt nur zu hoffen, dass in Ostbelgien niemand glaubt, sich ein Beispiel daran nehmen zu müssen. Glücklicherweise unterscheiden die Grünen in Belgien sich von ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen nicht zuletzt dadurch, dass sie im Sprachgebrauch weniger indoktriniert sind.

  8. Guido Scholzen

    Sogar in der DDR sagte man „Frau Ingenieur.“
    Die Menschen im Osten damals waren im alltäglichen Umgang damit viel weiter als dieser linke Gender-Quatsch im westlichen Neo-Marxismus.
    Und das Tolle daran: In einer von vielen Theorien dieser „Gender-Forschung“, eine Pseudo-Wissenschaft, gibt es nur EIN Geschlecht! denn das weibliche und männliche Geschlecht sind „soziale Konstruktionen“. Diese Fantasten würden am liebsten Uni-Sex-Toiletten aufstellen.
    Wer leugnet, dass ein jeder Mensch einen biologischen Vater und eine biologische Mutter hat, also dass zwei natürliche Geschlechter von Nöten sind, um Menschen zu kreieren, der hat nicht alle Latten am Zaun.

    Summa summarum: Wenn es doch angeblich nur ein Geschlecht gibt und nur soziale Konstruktionen sind, warum dann dieses umständliche und ermüdende „-er*innen“? Damit konstruktieren die ‚Genderologen‘ doch etwas, was es nicht gibt, nämlich soziale Geschlechtsunterschiede!!!???🤔🤔🤔
    Diese Gender-Forschung widerspricht sich in vielerlei Hinsicht selber in ihren eigenen Aussagen.

    • Aber Guido

      Ja, manchmal schreibst du gar nicht so schlecht..
      Wobei, in deinem Alter wirst du hoffentlich im Sitzen p…… . Aber.. keine schlafende Hunde wecken sonst verpflichten sich die Emanzen im Stehen zu p……

    • Walter Keutgen

      Zeezand, es ist doch umgekehrt, die Rechteschreibereform hat das meiste einfacher und logischer gemacht. Die Gendersprache macht es schwieriger. Übrigens: Sibylle Keupen wird auch nicht VerbrecherInnen sagen.

      • Hans Eichelberg

        „Übrigens: Sibylle Keupen wird auch nicht VerbrecherInnen sagen.“

        Herr Keutgen, wenn Sibylle Keupen es nicht sagt, dann sagen wir das.
        Also, alle VerbrecherInnen müssen ihre Strafe absitzen.

  9. Ich weiß schon gar nicht mehr wie ich meine Frau (oh, darf man das so schreiben?), oder die „Mensch*In“ (besser ?) aus meiner Lebensgemeinschaft, korrekt ansprechen soll. Richtig kompliziert wird es bei Themen die sich im menschlichen Nahbereich abspielen (wegen Corona halte ich mich da aktuell an die AHA-Regeln), da stehe ich ja bei falscher Formulierung schon mit einem Bein im Knast. Aber vielleicht gibt es demnächst eine DG Beratungsstelle um den gendergerechten Umgang in Lebensgemeinschaften zu vermitteln. Irgendwie müssen ja die zahlreichen Absolventen der Sozialwissenschaften (hi, hi…) untergebracht werden.

      • Ramona R.

        @Baby
        Mit „Schatz“ kommt @Dax nicht weiter, denn ´der Schatz´ ist männlich. Bei Maus wird es kompliziert, denn es gibt „Mäuserich“, aber Maus ist jetzt nicht speziell weiblich; Maus ist eher der Sammelbegriff. „Mäusin“ gibt´s nicht!
        Es ist fast so kompliziert wie mit dem Huhn: das männliche ist der Hahn, weiblich die Henne und selbst de Kleinen haben einen eigenen Namen: Küken. Eigentlich ist keiner Huhn!

    • MitteNlos

      Sozial, oder asozial, ist ein Schlüsselbegriff.
      Die Sozialwissenschaften, die eigentlich keine sind (eine Gesellschaft kann nicht wissenschaftlich untersucht werden, das ist BS…, Aspekte derer, ja, aber als Ganzes nicht, denn sie sind immer viel zu komplex), und die Psychologie, versuchen seit ca. der Mitte des 19 Jahrhunderts, die Biologie zu verdrängen (das ist alles schon 1.000 mal demonstriert worden). Mit horrenden Folgen, die wir heute in ihrem ganzen Wahnsinn erleben. „What Planet are they from?“ frage ich mich immer öfters…

  10. Die Schweizer Verfassung sah vor, dass die das Wahlalter erreichenden Schweizer wahlberechtigt seien. Als sich irgendwann Schweizerinnen darauf beriefen, damit seien sie ja wohl auch gemeint, entschied das Schweizer Bundesgericht: Nein, so sei das nicht zu verstehen, Schweizer seien natürlich nur die Männer. Aufgrund einer Volksabstimmung (natürlich nur der Männer) würde dann im Februar 1971 das Frauenwahlrecht eingeführt. Da können sich die Schweizerinnen freuen, dass sie nicht vom Votum einer kleinen ostbelgischen Gruppe älterer Herren abhängig waren, die in diesem Forum ihre unterbewussten Kastrationsängste, ihren Frust und ihr Wutbürgertum rauslassen.

    • Artikel 136 der Schweizer Bundesverfassung in der Fassung seit 1971:
      „Die politischen Rechte in Bundessachen stehen allen Schweizerinnen und Schwei­zern zu, die das 18. Altersjahr zurückgelegt haben und die nicht wegen Geistes­krankheit oder Geistesschwäche entmündigt sind. Alle haben die gleichen politi­schen Rechte und Pflichten.
      Sie können an den Nationalratswahlen und an den Abstimmungen des Bundes teil­nehmen sowie Volksinitiativen und Referenden in Bundesangelegenheiten ergreifen und unterzeichnen.“

    • Walter Keutgen

      Oh nein, die Jurisprudenz schwankt zwischen dem napoleonischen „aboyer les lois“ und „kreativer Rechtsprechung“. Das Schweizer Verfassungsgericht hat also „Schweizer“ juristisch und nicht sprachlich als Schweizer Männer gewertet, weil das schon immer so gemacht wurde, sonst hätte es kreative Rechtsprechung geübt. Folgerichtig ist dann die Frage an die Legislative gegangen, die dann „Bürger und Bürgerinnen“ hingeschrieben hat. Einen Zusatzartikel, der „Bürger“ erklärt, so was macht man nicht. Das wäre ja zugeben, das Gesetzestexte zweideutig sein können.

      Der letzte Kanton, der Frauen das Wahltrecht gegeben hat, war Appenzell. Die Männer haben sich standhaft gewehrt. Sind Sie umgeknickt, weil in Appenzell öffentlich auf dem Gemeindeplatz abgestimmt wurde und die Frauen zuschauten?

  11. Richtig, die Frage, ob etwas „schon immer so gemacht wurde“, formt die Sprache und ihr Verständnis mit. Wo Frauen jahrhundertelang unter einer Art Vormundschaft gehalten und als Anhängsel der Männer verstanden werden, kommen sie in der Sprache nicht vor. Damit und nicht mit dem generischen Maskulinum hat der herkömmliche Sprachgebrauch etwas zu tun.
    Zu Ihrer Frage: Die Appenzeller konnten nicht mehr anders. Das Bundesgericht hat im November 1990 entschieden, dass die Ausgrenzung der Frauen einen Verstoß gegen die Bundesverfassung darstelle (in der – inzwischen – auch die Gleichberechtigung der Geschlechter verbrieft worden war). Außerdem war der politische Druck sehr groß, denn die Schweiz hätte ohne Frauenwahlrecht der Menschenrechtskonvention nur unter Vorbehalt beitreten können, und das wäre denn doch zu peinlich gewesen.

      • Na, dann wird es für Sie ja Zeit, sich an die Strafverfolgungsbehörden zu wenden. Bitte informieren Sie das Forum über den Fortgang. Straftatbestand? Ketzerei oder ähnlich? Verstoß gegen die Maßstäbe der guten alten Zeit, gegen die biologische Ordnung (was immer die mit dem hier diskutierten Thema zu tun haben soll)?

    • Walter Keutgen

      Oh nein, so wie ich mich erinnere hat Appenzell das Wahlrecht für Frauen in den siebziger Jahren eingeführt. Die Schweiz hat lange auf Beitritt zur Menschenrechtskonvention verzichtet.

      Auf Deutsch ist die Mehrzahl generisch weiblich. Also gibt es schon lange ein sprachliches Gleichgewicht.

      • In Appenzell Außerrhoden durften die Frauen auf kantonaler und örtlicher Ebene schon ab 1989 wählen, in Appenzell Innerrhoden nach dem genannten Entscheid des Bundesgerichts. Wikipedia bietet einen ausführlichen Überblick, auch über die Diskussion nach 1971. Dort kann man übrigens Argumentationen gegen das Frauenwahlrecht nachlesen, die das Herz unseres biologistischen Mitschreibers (und einiger anderer älterer Herren hier) erfreuen wird, aber heute bei der großen Mehrzahl der Männer (und der Frauen, die sich in diesem Forum hier kaum zu Wort melden) nur noch Schmunzeln verursachen würde:
        Wahlberechtigte Frauen würden schwer haben, die Achtung der Gesellschaft zu wahren. Ihre Einbeziehung in politische Entscheidungen werde so unweigerlich zum Verlust ihrer Weiblichkeit führen usw.
        Und die Biologisten unter uns konnten ja auch sonst in Europa von den ausschließlich männlich besetzten medizinischen Lehrstühlen noch um 1900 hören, dass das weibliche Gehirn nicht geeignet sei, ein Universitätsstudium zu bewältigen.
        Es erstaunt mich immer wieder, wieviel Restbestände derartigen Aberglaubens es auch heute offenbar noch gibt.

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