Allgemein

Die Briten gehen, ihre Sprache bleibt: Das Englische wird in der Europäischen Union weiter dominieren

Foto: Shutterstock

Deutsch ist in Europa die verbreitetste Muttersprache, vor Französisch. Englisch werden nach dem Brexit nur noch gut 5 Millionen der dann 447 Millionen EU-Bürger von Hause aus sprechen. Man könnte glauben, das wirke sich auch auf die Sprachwahl der EU-Beamten aus.

Wenn die Briten der Europäischen Union Ende Januar den Rücken kehren, lassen sie in Brüssel etwas zurück: ihre Sprache. „Nach der Brexit-Entscheidung haben manche insgeheim gehofft, dass nun das Deutsche und das Französische an Bedeutung gewinnen“, sagt ein Dolmetscherin in der EU-Hauptstadt. „Aber da wird wohl nichts draus.“ Zu übermächtig ist das Englische dort seit dem Beitritt des Vereinigten Königreichs im Jahr 1973 geworden.

29.07.2010, Belgien, Brüssel: Eine Übersetzerin sitzt bei der EU-Kommission in der Dolmetscherkabine und übersetzt die Sitzung. Foto: picture alliance / dpa

Zwar hat die EU 24 Amtssprachen – jeder Bürger kann sich in seiner Sprache an die Brüsseler Behörden wenden und bekommt Antwort in seiner Sprache. Zwar sorgen Dolmetscher im Europaparlament dafür, dass alle Abgeordneten den Debatten in ihrer Muttersprache folgen können. Zwar sind Deutsch und Französisch dem Englischen als Arbeitssprachen in der mächtigen EU-Kommission gleichgestellt – theoretisch zumindest. Doch in der Praxis dominiert Englisch.

Die EU-Broschüre „Translation in figures 2019“ – nur verfügbar auf Englisch – belegt die Vorherrschaft mit Zahlen. „Wir übersetzen alle offiziellen EU-Sprachen“, erklärt der Übersetzungsdienst der Kommission darin – und zwar 1.937.002 Seiten aus dem Englischen, 74.725 Seiten aus dem Französischen und 38.535 Seiten aus dem Deutschen. Es folgen Spanisch, Polnisch und Griechisch. Schlusslichter sind Maltesisch mit 237 und Irisch mit 0 (null) Seiten.

Ein Mitarbeiter des Protokoll-Stabes der Europäischen Union hisst am 04.12.2017 vor der EU-Zentrale in Brüssel eine britische Flagge. Foto: Virginia Mayo/AP/dpa

Auf Malta und in Irland wird auch Englisch gesprochen – dort leben zusammen knapp 5,3 Millionen der nach dem Brexit noch 447 Millionen EU-Bürger. Beide EU-Länder setzten einst durch, dass genauso das Maltesische und das Irische offizielle Amtssprachen in der EU wurden. In der Praxis benutzen sie meist das Englische. «Ich denke nicht, dass es irgendeine Änderung geben wird», sagt ein Brüsseler Diplomat, der nicht genannt werden will.

Das sieht der Historiker Kiran Patel ähnlich: „Großbritannien und Irland traten gleichzeitig am 1.1.1973 bei, und allein schon aus dem Grund, dass Irlands Mitgliedschaft durch den Brexit unberührt ist, wird sich an Englisch als Amtssprache nichts ändern“, erklärt der Professor, der an der Ludwig-Maximilians-Universität in München Europäische Geschichte lehrt. „De facto mag es zu kleineren Verschiebungen kommen, aber das würde ich kaum erwarten.“

Das bedeutet: In 99 Prozent aller Sitzungen bei Kommission, Rat, EU-Ausschüssen und EU-Agenturen mit Dolmetschereinsatz würde weiterhin ins Englische übersetzt, in 75 Prozent ins Französische und in 60 Prozent ins Deutsche. Ins Slowakische, das nach dem Brexit etwa ebensoviele Muttersprachler in der EU zählt wie das Englische, wurde 2018 in lediglich 12 Prozent dieser Sitzungen simultan gedolmetscht.

Eine junge Frau mit einem Englisch-Wörterbuch. Foto: Pixabay

„Der Brexit wird keinerlei Einfluss auf das rechtliche Regelwerk und die bewährten institutionellen Praktiken der Kommission haben“, stellt die Brüsseler Behörde entsprechend fest. Für viele Nord- und Osteuropäer scheint das Englische im täglichen Gebrauch einfacher zu sein als Deutsch oder Französisch. Und wenn Lobby-Gruppen in Brüssel neue Mitarbeiter suchen, ist fast immer ein exzellentes oder muttersprachliches Englisch gefordert.

Ein Wandel allerdings könnte sich mittel- bis langfristig bemerkbar machen: Wenn es beim Brexit und der Übergangsfrist bis Ende 2020 bleibt, wird Großbritannien laut EU-Kommission nur noch bis August 2021 Lehrkräfte für die vier Europäischen Schulen in Brüssel abstellen. Wenn künftig weniger britische Beamte ihre Kinder in die englischsprachigen Klassen schicken, schrumpft dort die Zahl der Schüler. Irgendwann fehlt dann einfach der Nachwuchs. (dpa)

17 Antworten auf “Die Briten gehen, ihre Sprache bleibt: Das Englische wird in der Europäischen Union weiter dominieren”

    • Walter Keutgen

      Polarlicht, „immer“? Der ganze Hochadel, von Kaiser Karl V bis Maria-Theresia sprach und schrieb französisch. Es stimmt, dass Französisch wie Deutsch zu kompliziert ist, um heute Weltsprache zu sein. Esperanto (s. unten), Spanisch und Niederländisch sind leichter.

      Ich denke, dass vor Großbritanniens Beitritt schon Englisch Arbeitssprache in der EU war. Jedenfalls war die europäische Währungseinheit gleich dem USA-Dollar.

      Interessant ist auch, ob die südenglische Aussprache dann verloren geht. Am deutschen Fernsehen hört man durchweg eine US-amerikanische. 60 km nördlich von London gleicht die Aussprache wieder der US-amerikanischen.

      • Jonathan

        Das Englische wird gern als leichte Sprache angesehen – ist sie allerdings überhaupt nicht, zumindest wenn man sie korrekt sprechen will. Englisch nach dem Brexit als Arbeitssprache langfristig beizubehalten ist undemokratisch und wird einem europäischen Geist nicht gerecht. Eine weitere Institutionalisierung des Englischen würde Neokolonialismus gleichkommen. Englisch ist entgegen der weit verbreiteten Annahme keine NEUTRALE Sprache. Es ist die Sprache der anglophonen Gemeinschaften. Der Demokratie zuliebe sollte man sich sie sich nicht importieren.

  1. Lingua Franca

    Die Sprachenregelung der EU-Institutionen kann nur geändert werden wenn alle Mitgliedstaaten dieser Änderung zustimmen. Es ist wohl eher unwahrscheinlich, dass beispielsweise Irland sich dafür ausspricht Englisch fallen zu lassen.

  2. Marcel scholzen eimerscheid

    Die Briten gehen, aber die englische Sprache bleibt. Ist nicht das erste Mal. Die Entkolonisation war auch durch diese Tatsache gekennzeichnet. Die englische Sprache und Kultur sind der Exportschlager der Briten. Wie zB das Common Law.

      • Marcel scholzen eimerscheid

        Englisch ist wirklich praktisch. Es gibt überall immer einer, der ein paar Brocken versteht. Beim Englischen gibt es eine Besonderheit. Es gibt mehr Menschen, die es als Fremdsprache sprechen als Muttersprachler. Und jedes Land benutzt englische Ausdrücke auf eigener Art und Weise. War mal vor etlichen Jahren in Malta zum Englischlernen und erzählte, dass Geldautomaten in Belgien „Mister Cash“ genannt werden. Die Leute haben mit Erheiterung reagiert. Die korrekte englische Bezeichnung ist ja ATM.

  3. Linguist

    Ich sprach zufällig mit einem Kardiologen, der vorige Woche an einem internationalen Kongress in Paris teilgenommen hatte. Sprache der Vorträge und Diskussionen: Englisch.
    Als ich ihn scherzhaft fragte, wie das in Belgien sei, antwortete er, es gebe zwar noch eine „belgische“ Kardiologenvereinigung, aber auch bei diesen nationalen Zusammenkünften werde … Englisch gesprochen.
    Englisch ist nun mal eine Weltsprache. Unsere Söhne haben oft im Ausland zu tun. Verkehrssprache überall: Englisch.

    Dass die deutsche Sprache eine so untergeordnete Rolle spielt, haben sich die Deutschen durch ihre Anglomanie selbst zuzuschreiben. Die Franzosen treten da bedeutend selbstbewusster auf.
    Wenn die Deutschen so weitermachen, wird ihre Sprache zu einer Art Pidgin-Englisch werden.

  4. Michel078

    Englisch wird aus den europäischen Institutionen verschwinden. Irland hat Irisch als Sprache der Kommunikation mit der EU und Malta mit Maltesisch gewählt. Nur das Vereinigte Königreich wählte Englisch. Das heißt, wenn das Land die EU verlässt, verliert Englisch automatisch seine offizielle Gültigkeit, und zwar unter den aktuellen Texten (ein Land, eine Sprache). Dieses Verschwinden ist umso logischer, als in der neuen Europäischen Union, die am 1. Februar 2020 geboren wird, das geopolitische Gewicht von Englisch fast Null sein wird. Es wird nicht länger die Sprache der Kommunikation eines Landes sein und nur von fünf Millionen Einwohnern (den Iren) als Muttersprache gesprochen werden. Es wird weniger Muttersprachler haben als Ungarisch oder Slowakisch und daher zum Verschwinden verurteilt sein. Und Französisch ist sehr gut in der Lage, die Fackel zu übernehmen. In einem AFP-Versand, der am vergangenen Sonntag veröffentlicht wurde, wird erwähnt, dass 80% der Angestellten der Europäischen Kommission bereits Französisch sprechen. So stark das englische Verschwinden das Französisch profitieren, der mechanisch die gemeinsame Sprache innerhalb der europäischen Institutionen werden wird, und durch die Erweiterung, dass die Europäer, weil die drei europäischen Metropolen (Brüssel, Luxemburg und Straßburg) sind frankophonen und Viele europäische Länder sind Teil der Internationalen Organisation der Frankophonie oder möchten Teil davon sein. Siehe die folgende hübsche Karte:
    https://www.francophonie.org/sites/default/files/2019-09/Carte_88%20etats%20et%20gvts%20OIF.pdf

  5. Marcel scholzen eimerscheid

    Ok Sie meinen, Französisch löst Englisch in der Verwaltung ab. Dann gibt es mehr offizielle Dokumente in Französisch wie in Englisch. Das ist nur eine Seite der Geschichte.

    Das wird nichts an der Tatsache ändern, dass Englisch die wichtigste Verkehrssprache zwischen den verschiedenen Akteuren auf EU-Ebene bleibt. Es gibt eben mehr Leute auf der Welt, die Englisch können als Französisch. Besonders in Ost und Nordeuropa.

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern