Sport

Deutscher Fußball in Turbulenzen: DFB-Präsident Grindel scheitert an sich selbst – Fehler am Fließband

21.06.2016, Frankreich, Paris: Der Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Rainer Koch (l-r), der damalige Präsident des Verbandes, Reinhard Grindel, und der Präsident der Deutschen Fußball Liga (DFL), Reinhard Rauball, stehen vor dem Spiel zwischen Nordirland und Deutschland bei der Fußball EM im Prinzenpark auf der Tribüne. Foto: Arne Dedert/dpa

AKTUALISIERT – Reinhard Grindel wollte ein moralisch unantastbarer DFB-Präsident sein. An diesem Anspruch scheiterte er radikal. Statt wie erklärt einen „neuen DFB“ zu bauen, geht der einstige Berufspolitiker nach knapp drei Jahren – so schnell wie kein Verbandschef seit 1905.

Nach fünf Minuten hatte Reinhard Grindel sein Mea-culpa-Statement hinter sich gebracht. Fünf Minuten, in denen der gescheiterte DFB-Präsident sich auch selbst die Frage stellte: „Wie ist das passiert?“

Eine geschenkte Luxus-Uhr von einem umstrittenen Funktionärs-Kollegen aus der Ukraine hat den viel kritisierten Chef des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) letztlich endgültig stolpern lassen.

Nur 1.082 Tagen nach seiner Wahl zum DFB-Präsidenten ist die Amtszeit des selbst ernannten Erbauers eines „neuen DFB“ schon wieder vorbei – kürzer war in 119 Jahren DFB nur Friedrich Wilhelm Nohe von 1904 bis 1905 an der Verbandsspitze.

Schon der erste große Wunsch von Grindel als DFB-Präsident war nach wenigen Monaten passé. Aus dem EM-Titel 2016, den er sofort nach seiner Wahl als Ziel ausrief, wurde bekanntlich nichts. Vorzuwerfen war ihm zumindest das nicht. Aber Grindel ist im höchsten deutschen Fußball-Amt vor allem an sich selbst gescheitert.

Der Prediger eines moralisch unantastbaren Fußball-Funktionärswesens musste sich letztlich an seinen Maßstäben messen lassen. Ob er mit diesem Malus seine Posten bei UEFA und FIFA noch bis zum Ablauf der Amtszeiten in zwei und vier Jahren behalten wird, darf ernsthaft bezweifelt werden.

Die Uhr aus der Ukraine war aber nur Auslöser und nicht Kern des Problems. Ausgerechnet der einstige Berufspolitiker mit Bundestagsmandat stürzte schnell im Fußball-Geschäft, weil ihm in entscheidenden Situationen der richtige Instinkt und vor allem die nötigen Seilschaften fehlten. Mit seinem Führungsstil machte sich Grindel angreifbar – auch deshalb sickerten seine gravierenden Fehler nun nach und nach an die Öffentlichkeit durch.

Letztlich über eine Luxus-Uhr gestolpert

Glaubwürdigkeit zurückgewinnen und Zusammenhalt sichern, predigte Grindel als oberstes Ziel für den DFB und fiel letztlich über das Geschenk von Igor Surkis, seinen für Ethikzweifel bekannten UEFA-Kollegen aus der Ukraine.

Die wenige Tage zuvor publik gewordenen Bonuszahlungen von 78.000 Euro als Aufsichtsrat einer DFB-Tochterfirma erwähnte Grindel in seinem Rücktrittsstatement gar nicht mehr. „Ich entschuldige mich dafür, dass ich durch mein wenig vorbildliches Handeln im Zusammenhang mit der Uhr Vorurteile bestätigt habe. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich nicht geldgierig bin“, sagte Grindel.

01.04.2019, Dortmund: Gala zur Einweihung der Hall of Fame des deutschen Fuflballs im Deutschen Fußballmuseum. Reinhard Grindel, DFB-Präsident, hält die Laudatio für Fußball-Legende Uwe Seeler auf der Bühne. Foto: Ina Fassbender/dpa

Geldgier wäre auch lange nicht der Vorwurf gegen den gebürtigen Hamburger gewesen. Eher enorme Ungeschicklichkeit in Führungsfragen wie die unnötige Vertragsverlängerung mit Bundestrainer Joachim Löw vor der WM 2018 und fehlendes Rückgrat, als es darum ging, Mesut Özil in der Erdogan-Affäre vor rechten Parolen zu schützen, kreidete man ihm an. Schnell waren Aussagen des Politikers ausgekramt, die ihn als Integrationsgegner outeten – konträr zur ausländerfreundlichen DFB-Politik.

Immer wieder mussten Grindel selbst oder seine Medienleute Statements einfangen, von missverständlichen Kommentaren zum Videobeweis bis zur Löw-Ausmusterung der WM-Helden Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng. Der einstige TV-Moderator Grindel war sich der Durchschlagskraft seiner Worte offenbar nicht bewusst.

Als Grindel an die Macht kam, war der DFB durch den Skandal um das Sommermärchen 2006 im Kern erschüttert. Der CDU-Mann nutzte das Machtvakuum nach dem Rücktritt von Wolfgang Niersbach ganz geschickt. Bei den Amateurverbänden durch seine Kontakte in Niedersachsen geschätzt und bei der Profiabteilung akzeptiert, erfüllte der heute 57-Jährige die Ansprüche – und er war im Gegensatz zu anderen zaudernden Kandidaten bereit, die Scherben zusammenzufegen.

Der strahlende Sieger war Grindel nie

Diese Karriere hatte dem oft recht spröde wirkenden Grindel niemand zugetraut, als er 2013 zum Schatzmeister des Verbands aufstieg.

Doch was Grindel auch anfasste, als strahlender Sieger konnte er sich nie präsentieren und hatte zudem noch das Pech, dass der sportliche Niedergang der Nationalmannschaft nach dem rauschenden WM-Sieg 2014 genau in seine Amtszeit fiel – kulminierend im Desaster in Russland im Sommer 2018. „Natürlich wäre meine Arbeit leichter, wenn sich sportlicher Erfolg einstellt“, konstatierte Grindel noch vor wenigen Wochen.

31.10.2016, Frankfurt/Main: Der damalige DFB-Präsident Reinhard Grindel (l) und Bundestrainer Joachim Löw unterzeichnen den neuen Vertrag von Löw. Foto: Simon Hofmann/Bongarts/dpa

Der Freshfields-Bericht zur Aufklärung der Machenschaften um die WM-Vergabe 2006 lieferte als erste große Aufgabe seiner Amtszeit keine befriedigenden Antworten. Grindel erklärte das Thema dennoch einfach für beendet.

Vollen Fokus richtete Grindel auf die EM-Bewerbung 2024. Der Zuschlag im September 2018 gab ihm Auftrieb. „Ich freue mich, dass ich einen Beitrag leisten konnte, die Euro 2024 nach Deutschland zu holen. Das ist eine hervorragende Perspektive für den Fußball an der Spitze und an der Basis“, sagte Grindel.

In kleineren Gesprächskreisen bezeichnet sich Grindel auch gerne als der Garant für die Heim-EM. Bei der UEFA heißt es hingegen hinter vorgehaltener Hand schon lange: Deutschland bekam die EM nicht wegen Grindel, sondern trotz Grindel. Beim Kontinentalverband soll er als zuständiger Mann für gute Unternehmensführung mit seiner verbissenen Haltung gegen jedes Fehlverhalten viele Funktionäre genervt haben. Umso erstaunlicher, dass Grindel selbst nun gerade über solch ein Fehlverhalten stürzte. (dpa)

5 Antworten auf “Deutscher Fußball in Turbulenzen: DFB-Präsident Grindel scheitert an sich selbst – Fehler am Fließband”

  1. Profitlich

    Nur Einer von Tausenden, die solches kassieren bzw Verheimlichen! Wie viele mögen doch in solchen Ämtern , siehe besonders auch in der Politik, dasselbe tun!? Die stecken sich die Taschen voll, und werden dabei immer gieriger. Gut das sowas auffällt und die Blamage sich deren erbarmt! Der Mann behält allerdings die wohl begüteten hohen Ämter bei der FIFA uns UEFA trotzdem noch. Sehr komisch!?

  2. delegierter

    gerade erst die Uhr umgestellt und jetzt endlich ist seine Zeit abgelaufen………
    Aber keine Sorge, höre gerade im TV der bleibt für den DFB in der UEFA und FIFA und bekommt dafür 500000 € im Jahr. Auf so ein Kissen muss du mal fallen…………
    Ein Faustschlag für alle Ehrenamtlichen in unseren Vereinen……………….

    • Pensionierter Bauer

      @delegierter, Sie haben vollkommen Recht, dass ist ein Faustschlag im Gesicht aller Ehrenamtlichen die sich drüben wie hier jedes Wochenende mit dem Nachwuchs bei Wind und Wetter herumschlagen. Gibt es in den Spitzenpositionen denn wirklich keine ehrlichen Menschenverstand mehr?
      Ob im Hochleistungssport, in der Politik oder in der Wirtschaft, überall wird nur noch abkassiert und Aufträge an Verwandte und Freunde vergeben. Aber all jene die denen das Geld in den Hintern schieben sind an solchen Ausuferungen mit schuldig.
      Jetzt hat auch der DFB seinen Lecerf(RIP).

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern