Politik

Belgische Politik interessiert im Ausland keine Socke

Die belgische Fahne weht auf dem Dach des Königlichen Palasts in Brüssel. Foto: Shutterstock

Belgiens König Philippe hat Geert Bourgeois (N-VA) und Rudy Demotte (PS) als „Vor-Regierungsbildner“ eingesetzt. Obwohl in Brüssel Korrespondenten aus aller Welt sitzen, wahrscheinlich sogar mehr als in jeder anderen europäischen Hauptstadt, hat von dieser Neuigkeit das Ausland keine Notiz genommen. Es interessiert jenseits der belgischen Grenze keine Socke.

Das war eigentlich schon immer so, weil die Berichterstatter in Brüssel mit EU und NATO voll ausgelastet sind. Die Welt hat ganz andere Probleme – vom Brexit bis zum Klima – als die ständigen Querelen von Flamen und Wallonen.

Immerhin hat die 541 Tage dauernde Regierungskrise 2010-2011 gezeigt, dass das Königreich auch ohne föderale Regierung zumindest eine ganze Zeitlang gut auskommen kann – dem Föderalismus sei Dank. Solange die Regionen und Gemeinschaften funktionieren…

Im Übrigen hat Belgien schon seit Anfang Dezember 2018 keine Regierung mehr, nur eine geschäftsführende. Na und? Hat jemand es bemerkt? Im Ausland jedenfalls kaum jemand.

König Philippe (r) verabschiedet Charles Michel, noch amtierender Premierminister von Belgien, nach einem Treffen im Königspalast. Wen interessiert’s? Foto: Nicolas Maeterlinck/BELGA/dpa

Selbst den in Brüssel ansässigen Korrespondenten ist die belgische Innenpolitik viel zu komplex. Wenn die schon morgens bei einem flüchtigen Blick in die Zeitung „Le Soir“ über mehrere Seiten von „Nethys“ lesen, verstehen sie nur Bahnhof. Wen wundert‘s?

Im Vergleich zu Belgien sind Länder wie Österreich, wo kürzlich gewählt wurde, oder Polen, wo am kommenden Wochenende Wahlen stattfinden, schon viel interessanter. Was da geschieht, kann man als Journalist den Lesern daheim auch viel besser vermitteln.

Aber Belgien? Allein schon der Begriff „Vor-Regierungsbildner“! Was will man als Auslandskorrespondent mit solch einer Wortkonstruktion anfangen?

Es ist aber nicht so, dass sich das Desinteresse aufs Ausland beschränkt. Das Brüsseler Gelabere interessiert auch die Leser im Inland herzlich wenig, es sei denn, sie sind Politiker oder Journalist – oder es geht dem Bürger ans Portemonnaie.

Die Auslandspresse wird sich erst dann wieder für Belgien interessieren, wenn der Rekord von 541 Tagen ohne Regierung aus dem Jahr 2011 ins Wanken gerät. Davon sind wir heute, 136 Tage nach der letzten Wahl, noch weit entfernt… (cre)

Zum Thema siehe auch folgenden Artikel auf OD:

16 Antworten auf “Belgische Politik interessiert im Ausland keine Socke”

  1. J. van der Heusden

    Ich dachte es wäre doch so: der MP der DG prahlt grosses in Brüssel vor Hunderten Leuten, um all die so wichtigen Errungenschaften der deutschsprachigen Gemeinschaft! All die Mithilfen der Regierung gegenüber unserer Nachbarn. Der E U Präsident der Regionen, welcher ja der Parlamentspräsident des Eupener Parlamentes auch ist, in Doppelfunktion von sehr hohen Posten also, ist permanent in der E U unterwegs zu Konferenzen und Empfängen. All diese Leute arbeiten Stundenlang am Tage. Für wen wohl? Wenn die Welt sich nicht für Belgien interessiert, dann versuchen unsere Minister und Co den Rest zu vernetzen! Sehr wichtige Sache! Auf Dauer werden hier sicher Multis und Internatioale Firmen ihre Hauptsitze nach St Vith und Eupen verlegen!? Vielleicht wird damit die D G bekannter als das Land, und der Hauptstadt von Europa?

      • Da bedarf es keine 50km, starten Sie mal in Aachen eine Umfrage was denn den Leuten zum Thema DG einfällt. Aber im Inland ist es auch nicht besser, deutschsprachige Belgier sind in Brüssel noch immer unbekannt, trotz 4 Minister, einer ständigen Vertretung und dem sonstigen Zirkus den unsere DG Genossen veranstalten.

        • Glanz (los)

          Viel Wind, eine Menge Ministern, harte Arbeit!? Das sind die Trumpfkarten unserer Eupener Glanzlichter. Da wird viel Sahne aufgetragen. Besuche im Dienstwagen mit Chauffeur, einige Worte, u a : wir haben eine richtige Regierung, in Belgien gibt’s deren fast ein halbes Dutzend. Bei dem Auflauf weiss der eine Minister nicht was sein Kollege anderswo tut. Manche Sparten haben bei allen Regierungen ihren Minister! Und trotzdem das dieselben so zahlreich sind, sind wir in vielem Hinterklässler! Nur in den Steuern und in der Staatsschuld belegen wir seit Jahrzehnten Spitzenplätze!
          Also sind wir hier ein Fass ohne Boden!
          Das sich aber die Politiker nicht an die Arbeit geben, dieses Fass zu leeren, ist doch vollkommen verständlich! Denn dann würde jeder vernünftige Firmenchef und Arbeitgeber sich sofort an die Abschaffung eines Grossteils dieser unnötigen Arbeiter geben! Die Politiker allemal würden den Ast absägen worauf sich ihr Nest befindet!?
          Wer nimmt da mal die Kettensäge zur Hand!?

  2. Belgische Bananenmonarchie

    Man bedenke auch: Zusätzlich zu der geschäftsführenden föderalen Regierung ist ja auch noch die Zeit der Regierung mit den „laufenden Geschäften“ zu erwähnen. In den beiden Fällen läuft ja nichts, was man als zukunftsorientierte und nachhaltige Arbeit im Sinne der Allgemeinheit bezeichnen könnte. Im Gegenteil: Unsere föderalen Vertreter – Frau Jadin inbegriffen! – erhalten mehr als ein halbes Jahr fürstliche „Diäten“(!!), für die sie keine entsprechende Gegenleistung erbringen.
    Daher mein Vorschlag: Die Volksvertreter erhalten erst „Diäten“, wenn die Regierung gebildet ist; die Vereidigung könnte ja dennoch früher erfolgen. Ein „Vorregierungsbildner“ wäre dann mit Sicherheit nicht mehr nötig.
    Und noch ein Vorschlag, um mehr politische Stabilität in Belgien zu erreichen: Es sollten nur nationale Parteien bei den Wahlen zugelassen werden, also ohne die jeweiligen Ableger in Flandern, der Wallonie und auch in Ostbelgien.
    Das wäre doch mal wirklich „hoch spannend“, oder nicht, Herr Lambertz?

  3. Walter Keutgen

    Belgische Bananenmonarchie, nationale Parteien? Die einzige ist PTB-PVDA (Parti du Travail de Belgique-Partij van de Arbeid), eine stalinistisch kommunistische. Im Übrigen werden in Belgien keine Parteien zugelassen, sondern nur Wählerlisten. Wohl existiert ein Mechanismus mithilfe dessen die Nummern und Abkürzungen eindeutig vergeben werden.

  4. DerPostbote

    Mit Verlaub, es schert mich nicht die Bohne, ob belgische Politik – und (wenn man sich die Kommentare anschaut) vor allem OSTbelgische Politik – jemanden im Ausland interessiert.
    Politik sollte ja wohl in erster Linie die Menschen interessieren, die von ihr regiert werden. Und das tut sie, wenn auch im Negativen: Brüssel ist ein Chaos, aber das geht wohl auch auf unsere chaotische Bevölkerung zurück (Flamen, Wallonen… und dann noch die Deutschsprachigen). Der ewige Hick-Hack…

    Aber mich stört ja wieder mal vor allem eines:

    Hier wird ja in den Kommentaren auch wieder gegen unsere Regionalpolitiker gewettert. Ich frage mal ganz direkt: Was ist denn die Alternative? Warum stellt ihr euch nicht zur Wahl?

    Oder wollt ihr gar keine DG-Ministerriege mehr? ➝ Wollt ihr aus Brüssel oder Namur regiert werden? Von den Leuten, die sich – laut euren eigenen Aussagen – nicht für unsere DG interessieren? WAS wollt ihr, wenn kein eigenes Parlament und keine eigene Regierung, die genau so hinter unserer kleinen aber feinen deutschsprachigen Gemeinschaft stehen, wie ihr es tut?

    Kurz: Schaue ich mir so manche Politik im Ausland oder sogar im eigenen Land an, den Zustand von Infrastruktur, etc. dann bin ich doch ganz froh, dass die DG ein eigenes Parlament mit eigenen Volksvertretern, eigenen Ministern und eigenen Beamten ist.

    • J. Müllershahn

      Ich bin in einigen Ihrer Meinung, Postbote. Aber man hätte dieses Regionenprojekt um einiges kleiner erfinden sollen. Was brauchen wir, als winzig kleine Ecke des Landes diesen Monsteraufbau? Die Idee zu Anfang war gut. Aber danach haben die jetzt Begünstigten sehr schnell gesehen welches Potential darin steckte. Sie haben da reingehauen, so wie in einem Selbstbedienungsladen! Und wer muss es bezahlen? Sie, ich und all die anderen. Chauffeure fehlen sogar nicht in dem Karussel. Ein oberster Parlamentarier, der nur sehr wenig präsent ist, wohl aber Fulltime bezahlt wird. das alles und vieles mehr, brauchen wir nicht, da viel zu teuer. Es ist immer noch Zeit das ganze unter die Lupe zu nehmen und abzuspecken. Was macht denn die Industrie? Das ist das erste was die tun, wenn zuviel davon vorhanden ist.

      • Paul. M.

        Kann dem nur beipflichten. Wir haben hier eine viel zu hohe Zahl an Regierungen, Ministern, Abgeordneten, Provinzüberfluss, und Staatspersonal. Die allermeisten davon taugen nichts. Daher sollten die Leute dagegen opponieren. Da sollten jede Institution, wer auch immer mal gründlich unter die Luppe kommen, und nach deren Effektivität kontrolliert werden. So unser Herr Lambertz bei der DG. Es ist schon eine Frechheit wie er mit dem Volksvertrauen umgeht. Arbeitet 90% für die E U, und wir bezahlen ihn. Obschon der E U Posten ja auch noch Ehrenamtlich sein soll? Kein Wunder das er so frei ist und ignoriert sogar das Wählervotum, worin er eigentlich abgewählt war, und die Leute solche Mätzchen verabscheuen. Sowas gibt es nur bei der Politik. Die stehen über alles, und erlauben sich das einfach so. Die Hauptsache: gute Posten, guten Lohn, dicke Rente zum Schluss.

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