Leserbrief

Alain Mertes: Geförderte Kinder – gesunde Kinder?

Letzte Woche wurde im PDG über den Dekretentwurf zum Zentrum für die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen diskutiert und abgestimmt. Die Vivant-Fraktion stimmte als einzige dagegen. Grundsätzlich unterstützen wir das Zusammenlegen der verschiedenen Dienste, da dadurch Kräfte gebündelt werden können. Wir kritisieren jedoch die inhaltliche Ausrichtung.

Denn mit diesem Dekret wird eine Tendenz verstärkt, die sich in den letzten Jahren immer weiter ausbreitet. Wir möchten sie wie folgt umschreiben: „Wir müssen aus unseren Kindern und Jugendlichen das Beste machen, damit sie später Erfolg haben.“

Ein großes Problem stellt diese Erwartungshaltung dar, die auch in diesem Dekret unterschwellig vorhanden ist. Was ist denn eine gesunde Entwicklung und wer definiert diese?

Eine Tätigkeit des Zentrums besteht darin, die Eltern über mögliche Maßnahmen zu beraten, wenn eine Entwicklungsverzögerung bei ihrem Kind vorliegt. Welche Entwicklungsnorm wird da angewandt, an der unsere Kinder und Jugendlichen gemessen und für konform oder nicht konform klassifiziert werden? Wer in die Norm passt, ist normal, wer nicht hineinpasst verrückt? Dieser muss dann schnellst möglichst gerade gerückt werden?

Finden Sie diese Argumentation übertrieben? Wenn Sie unser heutiges Gesellschaftsmodell als die Norm, also als normal betrachten, dann womöglich ja.

Doch machen wir einfach mal die Augen auf. Unsere Gesellschaft ist erkrankt. In Belgien ist der Konsum von Antidepressiva und Psychopharmaka sehr hoch. Viele Menschen greifen zu leistungssteigernden Mitteln, weil sie glauben, nur so ihren Alltag und die damit einhergehenden Anforderungen in Beruf, Schule und sozialen Umfeld bewältigen zu können. Viele Kinder kommen mit den an sie gerichteten Erwartungen und Anforderungen nicht mehr klar. Nie waren in Belgien so viele Menschen krankgeschrieben wie heute. Ist das normal? Stimmt also die Richtung, welche die klassische Politik seit Jahren vorgibt?

Viele Menschen glauben, dass Kinder und Jugendliche von klein an gefördert werden müssen, um später Erfolg zu haben. So werden sie sehr früh schon auf das Arbeitsleben vorbereitet. Und wer nicht so einfach in diese Norm findet, der wird gefördert und wenn’s sein muss, richtig viel. Freies Entfalten der eigenen Persönlichkeit? Fehlanzeige. Kinder und Jugendliche werden gefördert, Punkt.

Brauchen Kinder neben Zuneigung und Wärme nicht viel mehr Halt, Festigkeit und gesunde Grenzen? Ist dies nicht der Rahmen, oder sagen wir der Boden, auf dem sie gedeihen können?

Wir alle wissen, dass in jedem Samenkorn alles vorhanden ist, um später einmal eine ausgewachsene Pflanze zu werden. Und solange Luft, Wasser und Licht reichlich vorhanden sind, wir die Pflanze gedeihen. Warum glauben wir, dass dies bei uns Menschen und damit auch bei unseren Kindern und Jugendlichen anders sei? Lassen wir Kinder doch einfach Kinder sein.

6.4.2014 Alain Mertes, Vivant-Fraktion im PDG

12 Antworten auf “Alain Mertes: Geförderte Kinder – gesunde Kinder?”

    • Heidelberg

      Kinder brauchen auch ne Lobby, Dr. Speckschwarte. Ich gehe noch einen Schritt weiter. Kinder brauchen einen Ansprechpartner, zudem sie eine Bindung haben. Ich bin dafür, dass ein Elternteil vom Staat für das Begleiten ihres Kindes bezahlt wird, damit Kinder gesund aufwachsen können. Zur Zeit kommen die meisten Eltern ja genervt von der Arbeit und haben keine Zeit mehr sich um die Belange ihrer Kinder zu kümmern, weil sie für den Staat arbeiten gehen.

      • Heidelberg

        Und wer nicht mit schwimmt wird mit den erlernten Verstärkerplänen der Pädagogik konfrontiert. Der Film ABC, André Stern, Bertrand Stern, Jesper Juul und einige andere sollten sich viele Eltern, Lehrer und Erzieher zum Vorbild nehmen. Ich habe anhand sehr vielen Beispielen erfahren dürfen, dass die meisten Pädagogen die Kompetenz vieler Eltern in Frage stellen, sogar der Bildungsminister glaubt, dass Eltern austauschbar sind, würde sie am liebsten in die Ecke stellen und dem Staat die Erziehung überlassen, nur ist es leider so, dass keiner die Verantwortung darüber trägt, wenn Kinder sich nicht gesund entwickeln. Sie werden von A nach B verschoben und C gibt es leider nicht.Gesund entwickeln sich Kinder, wenn Erwachsenen nicht ständig den Doktor spielen und den Kindern irgendwelche ausgedachten Medis verabreichen, die Fördern und Erziehen heißen. Erwachsenen haben die Pflicht ihre Kinder glücklich zu machen, ihre Ziele zu verfolgen, sie zu begleiten und nicht so zu formen, wie wir das wollen. Wenn das unsere erzogene Gesellschaft irgendwann mal verstanden hat, werden unsere Kinder in der Zukunft mehr Respekt vor allen Menschen bekommen anstatt vor vor der Macht, so wie es die jetzige Politik erwartet!

      • Johann Klos

        Recht hat er –

        Ja aber Herr Mertes sollte nicht mit der Konsequenz unseres derzeitigen Turbokapitalismus anfangen, sondern sich auch Gedanken darüber machen wie wir das Grundproblem angehen können.

        Unser weinen hilft nicht.

        Wir stehen im knallharten internationalen Wettbewerb. Ein Wettbewerb indem zum Beispiel japanische und chinesische Eltern 20 bis 30% ihres Einkommens für zusätzliche Bildung ihrer Sprösslinge ausgeben. Wir nähern uns einem Zeitalter des absoluten Wettbewerbs ohne Gnade für diejenigen die da auf der Strecke bleiben.

        Hier muss der Hebel angesetzt werden. Wirtschaftswachstum zu diesen Bedingungen – nein danke.

        Ansonsten bleibt es beim lyrischen wohlformulierten Selbstmitleid a la Herr Mertes.

        • Stefan Hoffmann

          Aber das in Japan oder China die Selbstmordrate der Schüler steigt hat nichts mehr mit Wettbewerbsfähig zu tuen! Und das zum Beispiel die Schüler in China von 7 Uhr Morgens bis Abends 22 Uhr Büffeln hat nichts mit Menschlichkeit zu tuen! Ach und Samstags und Sonntags bekommen sie Nachhilfe!

  1. Stefan Hoffmann

    Nun stell ich mir die Frage an Ecolo glaubt Ihr eigentlich noch selbst an Euch? Ihr bringt den Film Alphabet im Kino Scala wo es auch über das Thema geht und dann stimmt Ihr dem Dekret zu! Also das nenne ich noch eine Partei auf die man Zählen kann! Ihr macht Euch lächerlich! Danke an Vivant für die nicht Zustimmung!

  2. Zappel Bosch

    Zitat Heidelberg : „Ich bin dafür, dass ein Elternteil vom Staat für das Begleiten ihres Kindes bezahlt wird, damit Kinder gesund aufwachsen können.“
    Da bin ich mit Ihnen, aber das nennt man dann nicht ein BEDINGUNGSLOSES Grundeinkommen…
    Wenn die Mütter wenigstens schon mal bei der Rente ein Dankeschön bekommen würden, denn deren Kinder zahlen ihrerseits ja auch für alle Rentner ein. Das wäre doch zumindest mal ein Anfang.

    • Heidelberg

      Der Feminismus hat diese Rolle mit Hilfe der Politik fast ausgerottet. Elternteile, die Zuhause bleiben, um ihre Kinder zu begleiten werden von der Gesellschaft mit politisch korrekten Sprüchen konfrontiert, wobei meist Mütter aufgrund aufkommender Minderwertigkeitskomplexe lieber nachgeben um den Lemmingen hinterherrennen zu dürfen. (Welch‘ Ehre) Sie wollen ja schließlich von dieser toleranten Gesellschaft akzeptiert werden und dazugehören. Und um sich das auch alles schön reden zu können hat Politik auch gleich den Eltern versucht das schlechte Gewissen zu nehmen und die frühkindliche Bildung eingeführt, damit das Kindeswohl in Fremdbetreuung auch garantiert ist. Dabei geht es doch nur darum aus allem und jeden einen Nutzen zu ziehen, schließlich ist der für den Staat ach so wichtige Geldkreislauf lebensnotwendig, damit er nicht in Armut gerät. Früher war es einfach besser, weil die kleinste Einheit dieser Gesellschaft – die Familie- noch einen Stellenwert hatte. Heute spielen sich die Vertreter des Staates als Erziehungsberechtigten auf und behauptet zu wissen, wie Kinder am besten gesund aufwachsen. Und was die sich alles einfallen lassen…..

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