Politik

Wie weit dürfen Journalisten bei Interviews mit Politikern gehen? [mit VIDEO]

Das vieldiskutierte TV-Duell am Donnerstag im ZDF (Screenshot).

Nach einem hitzigen Wortgefecht zwischen SPD-Chef Sigmar Gabriel und der Moderatorin des ZDF-„heute journal“, Marietta Slomka, wird in Deutschland leidenschaftlich über die Frage diskutiert, wer von den beiden „Streithähnen“ letztlich Recht hatte und wie weit sich Journalisten bei Interviews mit Politikern vorwagen können, wenn es darum geht, bohrende Fragen zu stellen.

Vor laufender Kamera (siehe Youtube-Mitschnitt am Ende dieses Artikels) waren Gabriel und Slomka am Donnerstagabend aneinandergeraten. Es ging um verfassungsrechtliche Bedenken zum SPD-Mitgliederentscheid über die große Koalition. Nachdem sich beide mehrfach ins Wort gefallen waren, sagte Gabriel zu Slomka: „Tun Sie mir einen Gefallen: Lassen Sie uns den Quatsch beenden.“

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. Foto: dpa

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel. Foto: dpa

In die Diskussion hat sich inzwischen auch CSU-Chef Horst Seehofer eingeschaltet. Der bayerische Ministerpräsident hat sogar einen Brief an den ZDF-Intendanten geschrieben. Gabriel sollte in dem Interview wie ein Schulbub vorgeführt werden, kritisierte der CSU-Vorsitzende, der im ZDF-Verwaltungsrat sitzt. Ihm gehe es „nicht um Medienschelte, sondern es geht um Grenzen im Umgang zwischen Politik und Medien“.

Am Tag nach dem Interview verteidigten sowohl Gabriel als auch Slomka ihre Haltung. „Man muss doch auch mal Emotionen zeigen“, sagte der SPD-Chef in einer Aufzeichnung für das RTL-Magazin „Sonntags live“. „Wir sind ja keine kalten Fische und manche Journalisten glauben, wir Politiker seien so zum Watschenmann da.“ Er finde das alles nicht dramatisch. „Man darf sich auch mal streiten.“

Pressestimmen zum TV-Duell Gabriel-Slomka

Mit dem „Eklat“ im ZDF befassten sich auch mehrere Zeitungen, die dem Disput sogar ihren Leitartikel widmeten. Hier einige Auszüge:

Sigmar Gabriel und Marietta Slomka (Screenshot).

Sigmar Gabriel und Marietta Slomka (Screenshot).

Schwarzwälder Bote: „Liebe Marietta Slomka, eigentlich habe ich Ihnen stets kollegiale Bewunderung entgegengebracht, wenn Sie im ZDF einen Politiker interviewten. Sie hakten nach und gaben sich nicht mit ausweichenden Antworten zufrieden. So soll ein Interview geführt werden. Doch wie Sie sich mit SPD-Chef Gabriel gefetzt haben, das hat meiner Bewunderung für Sie einen erheblichen Knacks verpasst. Eitel, fast beleidigt wirkend, haben Sie minutenlang auf dem gleichen Thema herumgehackt, obwohl Gabriel – davon zu Recht genervt – Ihnen doch erschöpfend geantwortet hat. Frau Slomka, das können Sie besser.“

Nordwest-Zeitung: „Von einem Eklat zu sprechen, wäre völlig fehl am Platze. Über Politik darf nun mal gestritten werden, auch leidenschaftlich und mit harten Bandagen. Mehr davon kann man sich als TV-Zuschauer nur wünschen. Denn wann kommt es schon mal vor, dass ein Fernseh-Interview auch am nächsten und übernächsten Tag noch Gesprächsstoff bietet? Zudem zeigt das Ganze: Politiker sind auch nur Menschen. Werden sie angegangen, keifen sie zurück. Das ist nur menschlich, das muss erlaubt sein.“

Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel (links), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer. Foto: dpa

Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel (links), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer. Foto: dpa

Volksstimme: „Irgendeinen profilierungssüchtigen Professor, der eine steile These vertritt, findet man immer. Manche Medien machen das zur Methode. Von einer ZDF-Nachrichtensendung erwartet man eigentlich, dass solche Thesen zunächst auf Plausibilität geprüft werden. Zumal wenn sie von Staatsrechtlern stammen, die wie der Leipziger Christoph Degenhart gern und erfolglos ihre Rechtsauffassung gegen die allgemeine durchzusetzen versuchen. Marietta Slomka hätte also auch selbst zu der Erkenntnis kommen können: Mitgliederbefragung nicht verfassungsgemäß? Quatsch! Stattdessen befragt sie einen Politiker, der 48 Stunden kaum zur Ruhe gekommen ist, nach diesem Quatsch. Dass Abgeordnete weniger frei sind, wenn viele Mitglieder statt wenige über den Kurs ihrer Partei entscheiden, mag für Frau Slomka eine ernsthafte These sein. Bedenkt man es recht, ist es Quatsch. Und endlich hat es ein Politiker auch ausgesprochen. Sag`s noch einmal Sigmar! ‚Quatsch!‘. Recht hat er.“

Aachener Nachrichten: „Es spielt keine Rolle, wer nun am Ende wirklich im Recht ist: die etwas zu aufgekratzt wirkende Slomka, deren Nachhaken penetrant wirkte; oder Gabriel, dessen persönlicher Angriff auf die Moderatorin nicht unbedingt als Ausweis von Souveränität zu werten sein dürfte. Wenn über Politik öffentlich und leidenschaftlich gestritten wird, dann ist das schon ein Gewinn für das deutsche Fernsehen. Politiker und Journalisten sind Menschen, keine Maschinen. Sie sind gelegentlich eitel, pampig oder angriffslustig. Und es ist schön, wenn man das auch ab und an zu sehen bekommt.“

Nachstehend ein VIDEO des Interviews von Marietta Slomka mit Sigmar Gabriel am Donnerstagabend im ZDF:

Siehe auch „Standpunkt“-Artikel „Große Koalition erdrückt die Demokratie“

 

20 Antworten auf “Wie weit dürfen Journalisten bei Interviews mit Politikern gehen? [mit VIDEO]”

  1. Jugendlicher

    Was für eine beleidigte Leberwurst diese Frau doch ist. Auch wenn ihre Frage berechtigt ist, so hat der Gabriel darauf geantwortet. Diese Antwort war der Frau Slomka wohl zu entwaffnend. Und dann ist Sie zu weit gegangen. Der Mann hat sich gewehrt und das zurecht!
    Es ist aber auch so, dass viele Journalisten die Pressefreiheit misbrauchen um sich Sachen zu erlauben, die im Extremfall einfach nur illegal sind. Da müsste es ein Mittel geben solche Journalisten zur Rechenschaft ziehen zu können, so wie jeden anderen Bürger auch, welcher das Gesetz bricht (so wie man einem Parlamentarier auch die Immunität entziehen kann). Keine Ausnahmen!

    • Pressefreiheit erlaubt keine illegalen Aktivitäten. In dem Fall kann ein Betroffener die verantwortliche Entität vor Gericht ziehen. Die Möglichkeit Falschaussagen in Rekordzeit grossflächig zu verbreiten (in Kurz: Zeitung/Sendung) impliziert keine Legitimität.

      Z.b. die Bild-Zeitung und deren Authoren bekommen sie sehr oft auf den Deckel, von wegen Unterlassungen und Schadensersatz, wenn man denn mal genau hin guckt (Fehler will keiner gerne zugestehen/publizieren).

  2. Habe Frau Slomka bisher für eine „neutrale“ Journalistin gehalten. Hier drängt sich der Verdacht auf dass sie „links“ oder „grün“ ist. Es kann doch nicht falsch sein wenn die SPD(Bin nicht unbedingt SPD Fan) ihre Mitglieder befragt bevor sie ein solches Bündnis eingeht..
    Das ist doch in der heutigen politischen Welt ein Maximum an (Partei)Demokratie.

  3. Das Interview ist in der Tat schlecht geführt. Nichts gegen bohrende Nachfragen, aber hier gab die Marietta Slomka wohl eher die beleidigte Diva ab. Sowieso finde ich, dass der Sigmar Gabriel im 1:1-Interview immer eine gute Figur macht. Das war auch hier der Fall. Im modernen Kommunikationszeitalter müssen sich auch Journalisten darüber im klaren sein, dass auch ihnen nicht alles erlaubt ist. Wenn ich mir bei Spiegel, Zeit oder Welt die Kommentare im Forum anschaue, dann schneidet die Journalistin Slomka schlecht ab. Sie wird nur in Schutz genommen, wenn von Seehofers Beschwerde beim Intendanten des ZDF die Rede ist. Das ist auch wirklich übertrieben. Der Seehofer hält sich wohl für Gottvater…

  4. Marietta

    Ich wünsche mir mal eine ostbelgische Journalistin, die unseren MP mit bohrenden Nachfragen dermassen in die Enge treibt… Aber es wird ein Wunsch bleiben, denn hier liegen sie Ihm doch zu Füssen.

  5. Journalie

    Kritische Fragen sind wünschenswert. Dem Gesprächspartner nicht zuhören und ihn mit fragwürdigen Argumenten zu drangsalieren haben nichts mit kritischem Journalismus zu tun. Frau Slomka hat dem kritischen Journalismus einen Bärendienst erwiesen. Gabriel hat angemessen auf ihre Fragen und Wertungen reagiert.

  6. senfgeber

    Was wir am wenigsten gebrauchen können ist Gefälligkeitsjournalismus, bei dem frohe Botschaften von politischen Gutmenschen kommentarlos wiedergegeben werden.

    Doch dafür haben wir ja jetzt OD.

  7. die wahrheit

    Die im Sternzeichen Widder geborene Slomka hat eigentlich nur Fragen gestellt und nachgebohrt. Das ist eben Journalismus. Natürlich gehört es zum ihrem Job. Zwar bin ich persönlich kein Fan von ihr, weil sie irgendwie arrogant wirkt. Trotzdem kann ich hier kein Vergehen feststellen.
    Falls unsere Reporter hier so hart nachfragen, dann werden sie auf kurz oder lang entlassen. Oder sie müssten schon so viel Knete haben, dass man ihnen mit einer Kündigung nicht weh tun kann.
    Fakt ist auch das viele unserer Reporter (meistens die weiblichen) mittlerweile einen leichten „grünen“ Mantel tragen und dadurch nicht mehr neutral berichten können.

    • Journalie

      Genau das ist das Problem von Frau Slomka. Sie stellt Fragen und bohrt nach, hört aber nicht zu, was ihr Gesprächspartner antwortet. Und dies in einem Interview wo – wie Herr Behrens richtig bemerkte – Herr Gabriel die Fragen nur zeitversetzt hören konnte. Dies war ein handwerklicher Fehler für den sie sich entschuldigen sollte. Herr Gabriel hat angemessen darauf reagiert.

    • Eastwind

      „die warheit“: Es geht hier nicht ums Nachbohren. Dagegen hat auch niemand was. Wenn aber beim Nachbohren die Frage des Journalisten beantwortet wurde durch den Befragten, in diesem Fall Gabriel, dann muss man zum nächsten Aspekt übergehen und nicht nachbohren, nur um nachzubohren.

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern