Politik

Wahlgewinner sind die „Mutigen“, Wahlverlierer hingegen die „Angsthasen“ [Kommentar]

V.l.n.r.: Die Wahlgewinner Oliver Paasch (ProDG), Michael Balter (Vivant), Antonios Antoniadis (SP) und Pascal Arimont (CSP). Fotos: Gerd Comouth

In den verschiedenen Wahlanalysen ist schon viel gesagt und geschrieben worden über die Gründe für den Sieg der einen und die Niederlage der anderen Parteien bei den Wahlen vom 26. Mai 2019. Ein Faktor hat bisher indes wenig Beachtung gefunden, obwohl er ganz wichtig ist.

Der Mut zur Kontroverse, insbesondere in den neuen Medien, hat sich für jene Kandidaten, die sich vor der Wahl der Streitkultur ohne Wenn und Aber gestellt haben, bezahlt gemacht.

Noch bevor der Wahlkampf richtig begonnen hatte, hatte „Ostbelgien Direkt“ mehrfach darauf hingewiesen, dass die Wahlen sich diesmal im Internet entscheiden würden. Ende Januar 2019 veröffentlichten wir dazu einen ersten Artikel unter dem Titel „Wahlen vom 26. Mai werden im Internet entschieden – Wer kritikfähig ist und den Streit nicht scheut, gewinnt“.

Im März folgte ein weiterer Artikel „In Ostbelgien sind Parteien und Politiker in der Internetwelt noch nicht richtig angekommen“. Darin hieß es unter anderem in einem Zwischentitel: „Viele scheuen das ‚Haifischbecken’ Internet“.

Oiver Paasch (l) und Antonios Antoniadis (r). Foto: Gerd Comouth

Wenn man jetzt, wo die Wahl gelaufen ist, schaut, wer gewonnen und wer verloren hat, stellt man fest, dass die „Mutigen“ zu den Siegern gehören, während die „Angsthasen“ die Verlierer sind.

An vier Personen kann man diese Einschätzung festmachen, wobei hier nur die prominentesten Beispiele genannt werden: Oliver Paasch (ProDG), Antonios Antoniadis (SP), Michael Balter (Vivant) und Pascal Arimont (CSP). Sie alle sind Wahlgewinner und haben sich nicht gescheut, auf Kritik in der Öffentlichkeit resolut zu reagieren.

OLIVER PAASCH (ProDG): Im Gegensatz zu Balter und Arimont hat sich Paasch zwar noch zurückgehalten, weil er als amtierender Ministerpräsident nicht auf jede Kritik oder jeden Angriff im Netz reagieren kann. Er hat es aber meistens auf seine Weise getan, indem er zum Beispiel Kritiken, die im Internet geäußert wurden, in einer Wahlkampfrede oder in einer seiner Ansprachen als Regierungschef oder auch in Form einer Pressemitteilung versucht hat zu widerlegen.

Das hat Paasch sogar noch vor wenigen Tagen – nach der Wahl – gemacht, indem er auf die Anschuldigungen von Bruno Kartheuser hier auf „Ostbelgien Direkt“ (in Bezug auf seinen Vater Lorenz) reagiert hat (siehe Artikel „Oliver Paasch: Die Anschuldigungen von Bruno Kartheuser sind an Lächerlichkeit nicht zu überbieten“).

ANTONIOS ANTONIADIS (SP): Der künftige stellvertretende Ministerpräsident kandidierte zwar für eine Partei, die verloren hat, er selbst jedoch gehörte am Wahlabend zu den Gewinnern.

Michael Balter, Fraktionschef und PDG-Spitzenkandidat von Vivant. Foto: Gerd Comouth

Antoniadis ist schon lange in den sozialen Medien unterwegs und hat auch nie ein Problem damit gehabt, ein Medium wie „Ostbelgien Direkt“ mit Informationen oder Pressemitteilungen zu bedienen – auch auf die Gefahr hin, bei einem Artikel im Forum von OD angegriffen zu werden.

Wenn Antoniadis jetzt noch etwas mehr Mut bewiesen hätte, indem er sich einer Nominierung des großen Wahlverlierers Karl-Heinz Lambertz (SP) zum PDG-Präsidenten widersetzt hätte, hätte er womöglich jetzt schon einen kleinen Grundstein gelegt für einen noch größeren persönlichen Wahlerfolg bei der nächsten Wahl in fünf Jahren.

Andererseits ist Antoniadis Lambertz heute noch zu Dank verpflichtet, war es doch Lambertz, der ihn seinerzeit – als Antoniadis noch in der „Jungen Mitte“ der CSP war – in sein Kabinett holte und ihn dann 2014 sogar zum Minister machte.

MICHAEL BALTER (VIVANT) und PASCAL ARIMONT (CSP): Beide scheuten sich nicht, bei Kritik im Internet direkt unter ihrem Klarnamen zu intervenieren, wenn sie zum Beispiel auf OD kritisiert wurden. Beide haben diesen Disput im „Haifischbecken Internet“ angenommen.

Balter und Arimont haben das beherzigt, was früher einmal der Fußballtrainer Peter Haag von seinen Spielern und insbesondere von seinen Stürmern verlangte. „Ihr müsst dort den Zweikampf suchen, wo es weh tut, im Strafraum“, lautete Haags Maxime. Auch Balter und Arimont haben sich im Wahlkampf dort duelliert, „wo es weh tut“ – und werden heute bestimmt nicht bereuen, diesen Weg der direkten Konfrontation gegangen zu sein.

Der Europaabgeordnete und Spitzenkandidat der CSP-EVP für die Europawahl, Pascal Arimont. Foto: Gerd Comouth

Arimonts CSP hat zwar bei der PDG-Wahl verloren, sie hat sich aber trotz allem noch einigermaßen behauptet. Da hatten einige im Vorfeld der Wahl mit einem viel schlechteren Ergebnis gerechnet. Arimont selbst erreichte bei der PDG-Wahl das zweitbeste Vorzugsstimmen-Ergebnis hinter Oliver Paasch und holte das EU-Mandat „locker vom Hocker“.

Balter erzielte seinerseits ein sensationelles Ergebnis, das für Vivant mit 13 Stimmen mehr sogar noch besser hätte ausfallen können, denn dann wären es sogar vier Sitze im DG-Parlament geworden und die Dreierkoalition hätte ihre Mehrheit verloren.

Verloren haben auf jeden Fall die „Zauderer“ und „Angsthasen“, die auf eine längst überholte Strategie gesetzt haben. Einige brave Podiumsdiskussionen und höfliche Leserbriefe in der Tageszeitung, die von vielen, vor allem von jungen Wählern nur noch sporadisch oder gar nicht mehr gelesen wird, bringen dich als Kandidat im Jahr 2019 nicht weiter, wie sich bei dieser Wahl gezeigt hat. GERARD CREMER

26 Antworten auf “Wahlgewinner sind die „Mutigen“, Wahlverlierer hingegen die „Angsthasen“ [Kommentar]”

  1. Vor allem bei den Liberalen gibt es viele Angsthasen. Die haben auch alle verloren. Weykmans („Unser Mann“) meinte auch heute in einem Interview im GE, die PFF sei vielleicht nicht laut genug gewesen.

  2. Und wo bleibt der Parlamentspräsident?

    Herr Lambertz! wo bleiben Ihre Reaktionen auf die Massive Schelte der Wähler? Ansonsten sind Sie sich ja nicht zu schade um den Gegner zu deckeln, sogar aus zu schimpfen!? Warum gerade hier nicht!? Das Publikum kann ja warten was? Genau so wie vor Jahren die Antworten auf fragen der Madame Punäse?! Da zogen Sie der auch so eine lange Nase!? Sie sollten jetzt endlich mal in die Offensive, und dem Bürger Ihre Intensionen mitteilen! Warum, Wofür, usw!? Ansonsten könnte Ihre Partei sogar Dauerschaden erleiden? Sie wissen ja jetzt wie die Wähler ticken? Die lassen sich nicht noch länger zum Jeck halten!? Diese Zeiten sind vorbei! Das ist auch gut so!
    Also raus aus dem Versteck, und Tacheles reden!

  3. Eastwind

    Auch Ecolo hat einen ängstlichen Wahlkampf geführt. Man behauptet zwar immer, die Grünen gehörten zu den Wahlsiegern, das ist meiner Meinung nach nicht richtig. Zuerst einmal hat Ecolo im Vergleich zu 2014, wo die Grünen einen Sitz verloren hatten, weniger als 3 Prozent gewonnen, im Vergleich zu 2009 gerade mal 1 Prozent. Und das, obwohl die Grünen in der Wallonie und in Deutschland etwa große Gewinne erzielen. Der zweite Fehler, den Ecolo gemacht hat, ist, das Angebot einer Teilnahme an einer Viererkoalition auszuschlagen. Natürlich wäre Ecolo rein arithmetisch nicht entscheidend gewesen, aber die Grünen hätten die Politik der DG beeinflussen können und auch, wenn es ganz dicke käme, die Koalition wieder verlassen und ihr Profil dadurch weiter schärfen können. In der Opposition mit Vivant und CsP wird Ecolo nicht weiter auffallen.

    • Zuschauer

      Ecolo steckt in einem Dilemma. Jeder „darf“ nur für einen Posten kandidieren…was ich an sich gut finde. Ich bin jedoch davon überzeugt, wenn Claudia Niessen auf der DG-Liste von Ecolo gestanden hätte. wäre die Regierung in Ostbelgien heute eine andere.

      • Axel Kittel

        So viel ich weiss, kann ein Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin gemäss der auf das Parlament der DG anwendbaren Gesetzgebung nicht Kandidat für einen Platz im Parlament sein. Das hat also mit internen Regelungen von Ecolo nichts zu tun.

    • Viererkoalition

      Ecolo hat zu hoch gepokert. Haben die wirklich geglaubt, die beiden anderen würden einen verlässlichen Partner mit einem gemeinsamen Regierungsprogramm gegen einen ferngesteuerten Satelliten der wallonischen ecolos in gleicher Sitzstärke austauschen? Jeder weiß doch, dass die hiesigen Grünen nur Befehlsempfänger und stramme Parteisoldaten von Nollet und Co sind.

    • Schwarz auf Weiß

      (Sorry, ich wiederhole mich, von einem anderen Kommentar her)

      Kurze Nachlese zum Alibi-Gedöns um eine Ecolo-Regierungs-Beteiligung.
      Zitat Weykmans im GE von heute:
      „Die Anzahl Posten je Koalitionspartner ist zu keinem Zeitpunkt seitens der anderen Parteien infrage gestellt worden.“
      Alles verstanden? Von wegen, man hätte auf einen Ministerposten für Ecolo verzichtet. Das ist doch mal deutlich, und auch LAUT GENUG…

  4. Populismus

    Sind hier auf dieser Seite nur noch Shitstorm und Kommentare bzgl. Lambertz? Kann man nicht mal zu dringenden Sachfragen kommen…???

    Hier geht es mehr und mehr persönlich und dies meist sehr tief unter der Gürtellinie. Das ist Populismus in Reinform! Pfui!

    • Egoismus, geschwiegen Populismus

      Sie sind sicher ein Fan von dem? Gerade richtig was hier passiert! Und was haben die Klüngeler gemacht!?
      Ihren Egoismus durch gesetzt! Ihre Machtgier in die Gänge gebracht! Der Wähler wollte was anders!
      Sie sind hier stark in der Minderheit. Dagegen hatte die Regierung weniger Stimmen als der Rest! Jedoch kamen die fluggs zusammen, und teilten sich die Tröge auf! Meinten dann sicher dabei: wir machen das schnell, dann fällt das dem Wähler nicht so auf!? Das nächste mal ist ja erst wieder in einigen Jahren! Dann haben die das vergessen! Gepfiffen! Diesmal werden die Klüngeler aber ganz sicher sehr oft dran erinnert werden! Dafür werden die in der Opposition schon sorgen! Die sechs Glücklichen sollten sich jedenfalls warm anziehen! Das hier war der Gipfel! Gerade vom Herrn Lambertz! Der ja immer meint er wäre der Herrgott der DG! Er alleine hätte das geschaffen!?
      Merken Sie sich das, Herr Populismus!

    • Jockel F.

      Ich nehme an, dass unsere Quotenminister bzw. unser Quotenministerin Weykmans denn auch Populismus betreibt, wenn sie mit dem Finger auf die SP zeigt und „Die warn’s! Ich kann nix dafür!“ ruft?

  5. Arimont mutig ? Wenn ich genau weiß, dass ich nicht ins PDG will, weil ich im EU-Parlament das 20fache verdiene und dann trotzdem auf dem dritten Platz so tue als ob, bin ich dann mutig oder eher heuchlerisch ?

    • heuchlerich?

      Wenn ich genau weiss, dass ich nicht ins Parlament der Europäischen Union will und auch keinen Wahlkampf mache und dann trotzdem so tue und auf einer Liste für das EU-Parlament kandidiere, ist das dann nicht genauso heuchlerich?

  6. Der einarmige Bandit

    Was dieser rote Baron momentan praktiziert , ist totale verarschung am Bürger .Wie die wirtschaftsanalysten prognostizieren , soll in absehbarer Zukunft , etwa in 2 Jahren eine Wirtschaftskriese entstehen , die noch gravierender sein soll als 1938 , kurz vor Beginn des zweiten Weltkrieges . Wie es momentan abgeht , so kann es nicht mehr weitergehen , fast jeder Haushalt hat nicht einen Kredit am Laufen , sondern mehrere und kreuzt mit Luxuslimosienen durch die Gegend als ob sie Baronen wären , aber im Kühlschrank herrscht der schmalhans . Für manche ist es absolut kein Problem , um ein paar mal pro anno mit dem hintern in einem Jet zu hängen , um sich in den sonnigen Gefilden den Speck zu bräunen . Es bleibt nur zu hoffen , das es den abtrünnigen Politiker mit dem Haufen alten Profitören bald an den Kragen geht , damit diese Sorte mal so richtig aus dem letzten loch am pfeifen kommt.

  7. Schwarzweiß-Malerei

    Dieser Kommentar erinnert mich unmittelbar an Schwarzmalerei, denn im Internet tummeln sich vorwiegend jüngere Menschen. Es ist also verständlich, dass vor allem die jüngere Politiker-Generation (Antoniadis, Arimont, Balter und Paasch) im Internet behauptet.
    So haben mich die gigantischen Wahlerfolge von Oliver Paasch und Pascal Arimont keineswegs überrascht, da beide in meinen Augen eine hervorragende politische Arbeit geleistet haben.
    Relativ überraschend waren dagegen die beachtlichen Stimmenzuwächse von Antonios Antoniadis, der nach einigen Schwächen zu Beginn seiner Amtsperiode (u.a. der Fall Oikos) immer souveräner wurde, sowie von Michael Balter, der neben seinem ständigen Protestverhalten rhethorisch zu überzeugen verstand.
    Unterdessen ist das Internet nicht das ideale Forum für die etwas ältere Politiker-Generation, obgleich das Internet zweifellos das Medium der Gegenwart und der Zukunft ist. Trotzdem mag ich nicht diese etwas simple Schwarzweiß-Malerei: die „Mutigen“ und die „Angsthasen“, die Gewinner und Verlierer. Denn Wahlsiege und Wahlniederlagen haben m.E. stets vielschichtige, oft sehr komplexe Ursachen. So haben beispielsweise die Liberalen nicht nur in Ostbelgien, sondern in ganz Belgien an Boden verloren. Und Isabelle Weykmans und Alexander Miesen sind zwar noch jung, aber nicht gerade so zugkräftige Gallionsfiguren wie etwa Oliver Paasch oder Pascal Arimont.

    • Steeklöpper

      Werter Schwarzweiss,

      Antoniadis hat seine Stimmen bei den Neuwählern geholt. Der ist bei den jungen Leuten super angekommen, weil er locker rüber kommt. Ich hätte ihm das auch nicht zugetraut, aber damit hat er der SP den 4 Sitz gerettet.

  8. https://francais.n-va.be/actualite/bart-de-wever-la-difference-entre-la-flandre-et-la-wallonie-na-jamais-ete-aussi-grande
    « La différence entre la Flandre et la Wallonie n’a jamais été aussi grande. Si l’on faisait preuve de bon sens, mais c’est rarement le cas dans ce pays, on mettrait directement la carte du confédéralisme sur la table, tant à gauche qu’à droite. »
    ////
    Dagegen sind die Diskussionen der DG-Sandkastenpolitiker nur Kinderkram. Aber das merkt der Ostbelgier erst wenn das Spielgeld in der DG alle ist. Das Geschrei wird noch laut werden…..

    • Post aus Kelmis

      Sobald die Dotationen der DG mal wegfallen wird man einsehen das wir kein Parlament 4 Minister Senator etc. brauchen. Zumindest wenn wir uns die selbst aus den Steuereinnahmen der DG bezahlen müssten hat der Größenwahn ein Ende.

  9. Dies behauptet die NVA seit ihrer Gründung, mal lauter mal gemäßigter. Aber solang sie nicht bereit sind Brüssel loszulassen kann der Löwe brüllen bis er heiser ist. Wenn Flandern beschließt das Brüssel es nicht mehr wert ist dann ist Belgien Geschichte. Aber erst dann.

  10. treesche

    Die lautesten haben wirklich den Wahlkampf gewonnen. Aber in meiner Familie waren 2 Erstwähler, die von Insgesamt 3 Parteien persönliche Post bekommen. Ich frage mich, wie kommen die Regierungsparteien an die Adressen meiner Kinder? Ist das nach der EU-Datenschutzverordnung legal?

    • karlh1berens

      Kandidaten dürfen einen Auszug aus dem Wählerregister anfragen. Dort sind alle Wahlberechtigten nach Ortschaft, Straßenname und Hausnummer aufgelistet. Und dann : einfach „copy and paste“ ….

  11. Greffier

    Ich denke, dass sich einige von unseren ostbelgischen Politikern und Konsorten in folgendem Lied wiedererkennen werden! Die beste Charakterisierung unserer Politgesellschaft besang schon Reinhard Mey 1996. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

    Ein Wahlplakat zerrissen auf dem nassen Rasen,
    Sie grinsen mich an, die alten aufgeweichten Phrasen,
    Die Gesichter von auf jugendlich gemachten Greisen,
    Die Dir das Mittelalter als den Fortschritt anpreisen.
    Und ich denk’ mir, jeder Schritt zu dem verheiß’nen Glück
    Ist ein Schritt nach ewig gestern, ein Schritt zurück.
    Wie sie das Volk zu Besonnenheit und Opfern ermahnen,
    Sie nennen es das Volk, aber sie meinen Untertanen.
    All das Leimen, das Schleimen ist nicht länger zu ertragen,
    Wenn du erst lernst zu übersetzen, was sie wirklich sagen:
    Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm:
    Halt du sie dumm, – ich halt’ sie arm!

    Sei wachsam,
    Präg’ dir die Worte ein!
    Sei wachsam,
    Fall nicht auf sie rein! Paß auf, daß du deine Freiheit nutzt,
    Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!
    Sei wachsam,
    Merk’ dir die Gesichter gut!
    Sei wachsam,
    Bewahr dir deinen Mut.
    Sei wachsam
    Und sei auf der Hut!

    Du machst das Fernsehen an, sie jammern nach guten, alten Werten.
    Ihre guten, alten Werte sind fast immer die verkehrten.
    Und die, die da so vorlaut in der Talk-Runde strampeln,
    Sind es, die auf allen Werten mit Füßen rumtrampeln:
    Der Medienmogul und der Zeitungszar,
    Die schlimmsten Böcke als Gärtner, na wunderbar!
    Sie rufen nach dem Kruzifix, nach Brauchtum und guten Sitten,
    Doch ihre Botschaft ist nichts als Arsch und Titten.
    Verrohung, Verdummung, Gewalt sind die Gebote,
    Ihre Götter sind Auflage und Einschaltquote.
    Sie biegen die Wahrheit und verdrehen das Recht:
    So viel gute alte Werte, echt, da wird mir echt schlecht!
    Refrain

    Es ist ‘ne Riesenkonjunktur für Rattenfänger,
    Für Trittbrettfahrer und Schmiergeldempfänger,
    ‘ne Zeit für Selbstbediener und Geschäftemacher,
    Scheinheiligkeit, Geheuchel und Postengeschacher.
    Und die sind alle hochgeachtet und sehr anerkannt,
    Und nach den schlimmsten werden Straßen und Flugplätze benannt.
    Man packt den Hühnerdieb, den Waffenschieber läßt man laufen,
    Kein Pfeifchen Gras, aber ‘ne ganze Giftgasfabrik kannst du kaufen.
    Verseuch’ die Luft, verstrahl’ das Land, mach ungestraft den größten Schaden,
    Nur laß dich nicht erwischen bei Sitzblockaden!
    Man packt den Grünfried, doch das Umweltschwein genießt Vertrau’n,
    Und die Polizei muß immer auf die Falschen drauf hau’n.
    Refrain

    Wir ha’m ein Grundgesetz, das soll den Rechtsstaat garantieren.
    Was hilft’s, wenn sie nach Lust und Laune dran manipulieren,
    Die Scharfmacher, die immer von der Friedensmission quasseln
    Und unterm Tisch schon emsig mit dem Säbel rasseln?
    Der alte Glanz in ihren Augen beim großen Zapfenstreich,
    Abteilung kehrt, im Gleichschritt marsch, ein Lied und heim ins Reich!
    „Nie wieder soll von diesem Land Gewalt ausgehen!“
    „Wir müssen Flagge zeigen, dürfen nicht beiseite stehen!“
    „Rein humanitär natürlich und ganz ohne Blutvergießen!“
    „Kampfeinsätze sind jetzt nicht mehr so ganz auszuschließen.“
    Sie zieh’n uns immer tiefer rein, Stück für Stück,
    Und seit heute früh um fünf Uhr schießen wir wieder zurück!
    Refrain

    Ich hab’ Sehnsucht nach Leuten, die mich nicht betrügen,
    Die mir nicht mit jeder Festrede die Hucke voll lügen,
    Und verschon’ mich mit den falschen Ehrlichen,
    Die falschen Ehrlichen, die wahren Gefährlichen!
    Ich hab’ Sehnsucht nach einem Stück Wahrhaftigkeit,
    Nach ‘nem bißchen Rückgrat in dieser verkrümmten Zeit.
    Doch sag die Wahrheit und du hast bald nichts mehr zu lachen,
    Sie wer’n dich ruinier’n, exekutier’n und mundtot machen,
    Erpressen, bestechen, versuchen, dich zu kaufen.
    Wenn du die Wahrheit sagst, laß draußen den Motor laufen,
    Dann sag sie laut und schnell, denn das Sprichwort lehrt:
    Wer die Wahrheit sagt, braucht ein verdammt schnelles Pferd.
    Sei wachsam,
    Präg’ dir die Worte ein!
    Sei wachsam,
    Fall nicht auf sie rein! Paß auf, daß du deine Freiheit nutzt,
    Die Freiheit nutzt sich ab, wenn du sie nicht nutzt!
    Sei wachsam,
    Merk’ dir die Gesichter gut!
    Sei wachsam,
    Bewahr dir deinen Mut.
    Sei wachsam
    Und sei auf der Hut!

    Songwriter: Mey Reinhard

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