Notizen

Vor 20 Jahren das Inferno von Eynatten: „So einen Tag vergisst man nie“

Feuerwehrleute im Einsatz am Katastrophenort etwa eine Stunde nach der Explosion der Fina-Tankstelle am 18. Juni 1995 in Eupen. Foto: Belga

Vor genau 20 Jahren, am 18. Juni 1995, explodierte in Eynatten die Fina-Tankstelle. Bei der Katastrophe kamen 16 Menschen ums Leben. Der heutige Herausgeber von „Ostbelgien Direkt“, Gerard Cremer, war an jenem Tag als Redakteur des Grenz-Echo vor Ort, um über das Geschehen zu berichten. Im folgenden Bericht schildert er, wie er die Stunden nach der Explosion erlebt hat.

Fast jeden Tag fahre ich heute in Eynatten an der Tankstelle vorbei, die vor 20 Jahren explodierte, und jedes Mal werde ich an die Katastrophe von damals erinnert. Einen Tag wie diesen 18. Juni 1995 vergisst man nie.

Es war eigentlich ein frühsommerlicher Sonntag. Nichts schien diesen Tag trüben zu können. Bis um 17.30 Uhr, als auf der Aachener Straße in Eynatten in unmittelbarer Nähe zur Autobahn E40 die Fina-Tankstelle erst explodierte und kurze Zeit später in Brand geriet.

Ich selbst habe davon zunächst gar nichts mitbekommen. Kurz vor 18 Uhr klingelte bei mir zu Hause das Telefon. Mein Kollege Gerd Zeimers meldete sich. „Entschuldige die Störung am Sonntag, aber in Eynatten ist etwas Schlimmes passiert. Es soll sogar Tote geben. Kannst du vielleicht nach Eynatten fahren?“

Fassungslos starrten alle auf den Trümmerhaufen

Nur noch das Gerüst der Tankstelle erkannte man noch. Der Rest lag in Schutt und Asche. Foto: Belga

Nur das Gerüst der Tankstelle stand noch, der Rest war durch die gewaltige Explosion eingestürzt. Foto: Belga

In bin sofort losgefahren. Als ich in Eynatten ankam, war die Unglücksstelle bereits abgeriegelt. Viele Schaulustige hatten sich eingefunden. Es waren auch schon einige Reporter und Fotografen vor Ort, unter ihnen Helmut Thönnissen vom Grenz-Echo.

Fassungslos starrten alle auf den Trümmerhaufen aus Schutt und Asche, der bis 17.30 Uhr eine Tankstelle und ein Restaurant war. Zu diesem Zeitpunkt war der Brand von den zahlreichen Feuerwehrleuten weitgehend gelöscht worden, auch wenn noch Rauchschwaden in den Himmel von Eynatten stiegen.

Zunächst wusste niemand etwas Genaues, außer dass es Tote und Verletzte gegeben hatte.

Der Raerener Bürgermeister Bruno Fagnoul kam nach einer Weile und berichtete, es habe „viele Tote“ gegeben. Wie viele genau, sei noch nicht bekannt, denn die Suche nach den Opfern könne erst jetzt, wo der Brand unter Kontrolle sei, richtig beginnen.

Es gab nur wenige Augenzeugen, die man als Reporter fragen konnte. Ein Ehepaar, das direkt gegenüber der Tankstelle stand, sagte, man habe nichts gesehen, wohl aber einen fürchterlichen Knall gehört. „Ich dachte sofort: Das kann nur die Tankstelle sein“, sagte die Frau.

Nur ein Mobiltelefon für die Journalistenschar

Zu jener Zeit waren Mobiltelefone eine Rarität. Von den anwesenden Journalisten hatte nur BRF-Redakteur Alexander Homann eines. Eine Telefonkabine gab es nicht in unmittelbarer Nähe. Dank des Mobiltelefons von Alexander Homann konnte mit der Zeit jeder Journalist wenigstens kurz in die Redaktion anrufen, um mitzuteilen, dass es wohl noch etwas dauern könne, ehe Genaueres über die Katastrophe bekannt werde.

Der Zeitungsbericht vom 19. Juni 1995.

Der Zeitungsbericht vom 19. Juni 1995. (Zum Vergrößern Bild anklicken).

Nur das Gerüst der Tankstelle stand noch, der Rest war durch die gewaltige Explosion eingestürzt. Das zeigen auch die Fotos, die damals von den Bildjournalisten in Eynatten gemacht wurden.

Die meisten Fotografen trafen erst ein, als das Feuer bereits weitgehend unter Kontrolle war. Nur ganz wenige haben die Tankstelle, als sie in Flammen stand, fotografiert. Zu ihnen gehörte der Eupener Michael Bohn. Er war den Feuerwehrwagen nach Eynatten gefolgt. Eines seiner Fotos von der brennenden Tankstelle wurde auf Seite 1 der übernächsten Grenz-Echo-Ausgabe veröffentlicht.

Wenn ich mich recht erinnere, war von Seiten der Eupener Staatsanwaltschaft Serge Brammertz vor Ort, heute Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag.

Weil viele der Todesopfer derart verstümmelt waren, dass man sie nicht sofort identifizieren konnte, versuchten die Ermittler, mit Hilfe der Kennzeichen der vor oder hinter dem Tankstellenrestaurant geparkten Fahrzeuge die Identität der Opfer herauszufinden.

Um 20 Uhr eine erste Pressekonferenz

Mit der Zeit konnte man beobachten, wie Feuerwehrleute mit einer Trage Leichen aus den Trümmern transportierten. Das waren schwer zu ertragende Eindrücke. Unter den Journalisten und Fotografen gab es welche, die schon viele tödliche Unfälle gesehen hatten, doch die Bilder von der Tankstellenexplosion in Eynatten übertrafen alles, was sie bis dahin erlebt hatten.

Heute erinnert vor der Total-Tankstelle in Eynatten ein Gedenkstein an den tragischen 18. Juni 1995. Foto: OD

Heute erinnert vor der Total-Tankstelle in Eynatten ein Gedenkstein an den tragischen 18. Juni 1995. Foto: OD

In einem gelben Zelt, das mitten auf der Aachener Straße errichtet wurde, gab Raerens Bürgermeister Bruno Fragnoul gegen 20 Uhr eine erste Pressekonferenz. Zweieinhalb Stunden nach der Katastrophe lautete die traurige Bilanz: 12 Tote und 3 Verletzte. Allerdings machte Fagnoul klar, dass es wahrscheinlich nicht bei der Zahl 12 bleiben werde. Es wurden noch weitere Todesopfer unter den Trümmern vermutet.

Mit dieser ersten Zwischenbilanz fuhr ich nach Eupen in die Redaktion, wo man mich schon erwartete. Der Redaktionsschluss war schon mal in Absprache mit der Rotationsabteilung nach hinten verlegt worden. Die ersten Fotos von Helmut Thönnissen lagen bereits auf meinem Schreibtisch.

Gegen 0.20 Uhr traf König Albert ein

Nachdem der Bericht fertig war, bin ich noch einmal zum Unglücksort gefahren. Gegen 23 Uhr wurde in der Gemeindeschule von Eynatten eine Totenkapelle eingerichtet. Dorthin wurden auch die ersten Särge gebracht.

Am anderen Morgen erfuhr ich dann, dass gegen 0.20 Uhr König Albert nach Eynatten gekommen war, um sich ein Bild von der Katastrophe zu machen und um den Angehörigen der Opfer sein Beileid auszuprechen.

Was Bürgermeister Fagnoul bei der Pressekonferenz am Sonntagabend bereits vermutet hatte, sollte sich später bewahrheiten. Die Zahl der Todesopfer stieg auf 16 an.

Heute erinnert vor der Tankstelle ein Gedenkstein an die Opfer des Infernos vom 18. Juni 1995.

GERARD CREMER

Die Tankstelle heute. Foto: OD

Die Tankstelle heute. Foto: OD

12 Antworten auf “Vor 20 Jahren das Inferno von Eynatten: „So einen Tag vergisst man nie“”

  1. Heinz-Günter Visé

    Ich erinnere mich auch noch, erschüttert, an diese Katastrophe. Am Flughafen von Rhodos hatte ich mir die BILD gekauft und erfuhr so, vor unserem Rückflug, vom schrecklichen Geschehen.
    Die “Bild” mutmaßte damals, dass es 1 Attentat von unzufriedenen Autofahrern war, welche wegen der erhöhten Spritpreise dort die Explosion verursacht hätten. Dem war aber nicht so,denn es hatte ganz andere Ursachen,nämlich eine tragische Verkettung von unglücklichen Umständen.
    Als wir dann in der Heimat waren, erfuhren wir
    zu unserer Bestürzung, dass sich unter den
    Todesopfern gleich 3 unserer Bekannten befanden, davon 2 Brüder und 1 junge Frau.
    Ich denke, ich werde am morgigen Donnerstag
    1 Kerze für alle Betroffenen anzünden. RIP

  2. louis close

    Ich werde diesen Tag nie Vergessen ,ich bin an diesen Tag zu M.Schumacher Gefahren Mofa Händler in Eynatten heute auch verstorben ,ich hatte zuhause meine Zigaretten vergessen ,er sagte zu mir Fahr schnell zu Tankstelle welche holen ,das habe ich auch getan . Es wahr noch keine Stunde vergangen da hörten wir plötzlich ein Knall ,der erste Gedanke wahr ,entweder ist die Frittenbude Explodiert oder die Tankstelle ? wir sind dann gemeinsam Richtung Autobahn Gefahren und haben an die Brücke angehalten und haben die ausmaße diese Katastrophe gesehen ,es wahr schockierend . Wenn ich bedenke das ich eine Stunde vorher hier noch Zigaretten gekauft habe und jetzt wahr alles weg ,wir sind aber auch Direkt wieder umgekehrt da es uns zu gefährlich wahr ,es hätte ja noch weitere Explosionen geben können . Ich Fahre mindestens einmal die Woche an die Tankstelle vorbei und weiß heute das ich damals ein Riesen glück hatte denn hätte ich eine Stunde später meine Zigaretten Gekauft glaube ich nicht das heute was dazu schreiben könnte .Für die Betroffenen RIP

  3. Ex Eupener

    Einer von vielen Einsätze mit denen ich bis Heute noch zu kämpfen habe .
    Normaler weise sollte sich meine Stieftochter im Gebäude befinden , sie arbeitete im Restaurant am Wochenende .
    In Eupen war Kirmes und ich hinter der Theke bei Jupp.
    Als der Alarm kam bin ich an der Werthkappelle aufgesprungen und ab nach Eynatten .
    Erst zwei Stunden später habe ich dann erfahren das Maureen getauscht hatte und zu Hause war.
    Es gab damals keine Betreuer für Feuerwehrleute , da mußte man selber durch .

  4. Nathalie

    Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern. Wir kamen gerade vom Urlaub zurück und waren nicht weit von der Ausfahrt Eynatten. Plötzlich vibrierte das Auto und ein Riesen feuerball tat sich rechts,schräg vor uns auf. Mein Vater sagte nur:“das war die Fina“ . Als wir nach Sekunden dann in die Ausfahrt ein führen und wir um die Kurve und am Ende ankamen, haben wir nichts gesagt,es war still im Auto und wir staunten auf die riesigen Flammen die irgendwie alles zu umhüllen schien. Es war so unrealistisch für mich und absolut unfassbar das ich das gerade gesehen habe. Als wir dann Zuhause ankamen, waren alle Leute auf der Straße und starrten mit Entsetzen auf das Feuer und dem Rauch. Es wird nie vergessen werden und auch die Menschen die an dem Tag ihr Leben verloren haben und die Leute die geholfen haben

  5. The Harley Man

    War damals 26 Jahre als das passierte und kann mich noch gut daran erinnern . Heute bin ich selbst Feuerwehr Mann und zolle allen Helfern meinen Respekt, heute weiss ich selbst wie belastend so eine Sache sein kann.

  6. Mischutka

    Ich kann mich noch genau an diesen Tag erinnern. Wir wollten, unter Nachbarn, mit dem Grillen anfangen, als uns jemand das Schreckliche herüber rief. Zunächst glaubte ihn (natürlich) niemand. Der musste doch etwas falsch verstanden haben. Doch als sich alles bestätigte, war es aus mit Lustig ! Niemand hat etwas essen können. Jeder hatte Angst, Verwandte oder Freunde könnten unter den Opfern oder Verletzten sein. Alles lief zum Telefon und es wurde nur noch angerufen. Dann haben wir an die ganzen Rettungskräfte gedacht und an alle Medien-Vertreter die das Grauen miterleben mussten, um zu informieren. Einen solchen Tag kann kein normaler Mensch mehr vergessen.

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