Politik

„I like Gert“: Vor 50 Jahren erlebte Ostbelgien denkwürdigen Wahlkampf

PFF-Kandidat Gert Noël im Wahlkampf 1968. Im Hintergrund die Hostessen. Foto: Archiv Grenzland-Report

Vor 50 Jahren erlebte Ostbelgien einen Wahlkampf, wie es ihn bis dahin noch nie gegeben hatte und auch danach nur ganz selten geben sollte. Der Eupener Unternehmer Gert Noël trat bei der Parlamentswahl vom 31. März 1968 auf der Kammerliste der PFF an, um die Vorherrschaft der damals allmächtigen CSP zu brechen.

Obwohl Noël im Bezirk Verviers nur den 3. Platz auf der Kammerliste der Liberalen einnahm, ging er im März 1968 voller Zuversicht in den Wahlkampf. Dabei setzte Noël Wahlkampfmethoden ein, wie man sie allenfalls in den USA kannte.

In Erinnerung geblieben sind vor allem die Hostessen, die in blauen Kostümen bei Noëls Reden Spalier standen oder Sticker „I like Gert“ verteilten.

Der Unternehmer und PFF-Kandidat von 1968 Gert Noël. Foto: nmc.eu

“Gib Acht, wähl Acht!“ lautete der Wahlkampfslogan der PFF, die nicht nur die CSP massiv unter Beschuss nahm, sondern auch das Grenz-Echo, das sich sogar weigerte, Wahlanzeigen der Liberalen zu veröffentlichen, wodurch sich diese genötigt sahen, ihre eigene Zeitung herauszugeben: den „PFF-Kurier“.

Die Parlamentswahl vom 31. März 1968 stand ganz im Zeichen der Studentenunruhen in Löwen („Walen buiten!“ – „Wallonen raus!“). Die Regierung unter Premierminister Paul Vanden Boeynants (PSC) und Vizepremier Willy De Clercq (PVV) war Anfang Februar 1968 über die Spaltung der Löwener Universität gestürzt. Damit wurden am 31. März 1968 Neuwahlen notwendig.

In Ostbelgien war die Einheit des Landes natürlich ein Schwerpunktthema, jedoch ging es hierzulande auch um die Allmacht der CSP und um die Meinungsfreiheit, die nach Auffassung der Liberalen vom damaligen Chefredakteur und Direktor des Grenz-Echo, Heinrich Toussaint, der Mitte der 1960er Jahre Henri Michel abgelöst hatte, mit Füßen getreten wurde.

Eine große Rolle spielte im Wahlkampf 1968, dass sich 1965 in Eupen die CSP in der Affäre um die verweigerte Ernennung von Dr. Hubert Mießen zum Eupener Bürgermeister gespalten hatte. Die Rebellen hatten mit den Stadtinteressen dafür gesorgt, dass nicht Kurt Ortmann, sondern Reiner Pankert ab 1966 Eupener Stadtoberhaupt wurde. Ein „Wind of change“ war 1968 deutlich spürbar.

Viel bewegt, aber nichts erreicht

Trotz des enormen finanziellen und personellen Aufwands gelang es dem PFF-Kandidaten Gert Noël nicht, in die Kammer gewählt zu werden. Eine Kooptierung in den Senat lehnte der Eupener Unternehmer ab.

Die CSP holte mit ihrem Kandidaten Willy Schyns in den Kantonen Eupen, Malmedy und St. Vith 18.220 Stimmen (7.792 in Eupen und 4.689 in St. Vith). Das war zwar weniger als 1965, aber mehr als die Liberalen, die es mit ihrem sehr amerikanischen Wahlkampf auf 12.183 Stimmen in den Ostkantonen brachten (4.162 in Eupen und 3.841 in St. Vith). Die PFF hatte viel bewegt, aber nichts erreicht.

Die Jungliberalen von 1968 mit u.a. Alfred Küchenberg (3.v.l.), Hans Engels (5.v.r.) und Freddy Derwahl (r). Foto: Archiv Grenzland-Report

Das Grenz-Echo urteilte am Tag nach der Wahl, „dass die PFF trotz aller Bemühungen ihr erklärtes Ziel, die CSP zu überflügeln und zu einer bedeutungslosen Gruppe zu reduzieren, nicht erreicht hat. Das Resultat entspricht bei weitem nicht den eingesetzten Mitteln.“

Gert Noël, Vater von Ritter Yves Noël, hatte alles versucht, viel bewegt, sein Ziel aber letztlich verfehlt.

Und so schnell der Chef der Firma Noël, Marquet & Cie bzw. NMC gekommen war, so schnell war er von der politischen Bühne auch wieder verschwunden. Die PFF kehrte in die Bedeutungslosigkeit zurück.

Bedeutungslos blieb sie bis zum kometenhaften Aufstieg eines gewissen Fred Evers, der 1974 mehr zufällig Abgeordneter in Brüssel und 1976 erstmals Eupener Bürgermeister wurde.

Viele enttäuschte Jungliberale wie Alfred Küchenberg, Hans Engels und Freddy Derwahl landeten einige Jahre nach dem „I like Gert“ bei jener Partei, die sie im Frühjahr 1968 noch bekämpft hatten: der CSP.  (cre)

3 Antworten auf “„I like Gert“: Vor 50 Jahren erlebte Ostbelgien denkwürdigen Wahlkampf”

  1. Zum letzten Satz sollte man vielleicht noch erwähnen, dass Freddy Derwahl immer gerade da landete, wo er sich bei den Machthabern (zum jeweiligen Zeitpunkt) am besten einschleimen konnte. Wechselte die Mehrheit, war er ohne jeglichen Skrupel als erster bei den neuen Mächtigen.

  2. Ekel Alfred

    @ Grüner, Derwahl war schon immer ein Fähnchen im Wind….vielleicht schreibt er mal ein Buch darüber….die drei genannten Küchenberg, Engels und Derwahl waren die Musterschüler von Kurt Ortmann….im College Patronne….

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