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Trump der neue Sheriff: Nach Massenbegnadigungen mehren sich Zweifel am amerikanischen Justizsystem

20.01.2025, USA, Washington: US-Präsident Donald Trump hält im Oval Office des Weißen Hauses eine Anordnung zur Begnadigung für Personen hoch, die im Zusammenhang mit der Kapitol-Attacke am 6. Januar 2021 verurteilt wurden. Foto: Evan Vucci/AP/dpa

Der neue US-Präsident Donald Trump hat kurz nach seinem Amtsantritt alle knapp 1.600 Anhänger begnadigt, die wegen der Attacke auf das Kapitol am 6. Jänner 2021 verurteilt oder angeklagt wurden. Hochrangige Demokraten und Ex-Polizisten sind empört. Trump nährt damit Zweifel am amerikanischen Justizsystem.

Kurz nach der Begnadigung aller Straftäter der Kapitol-Attacke durch den neuen US-Präsidenten Donald Trump sind viele Verurteilte auf freiem Fuß – und triumphieren.

An verschiedenen Orten im Land wurden in den ersten Stunden nach Trumps Amtseinführung Häftlinge entlassen, die wegen ihrer Beteiligung an dem gewaltsamen Sturm auf den Parlamentssitz vor vier Jahren schuldig gesprochen wurden. Darunter sind Leute, die damals brutal auf Polizisten und andere Sicherheitskräfte einprügelten.

Auch die bekanntesten Beschuldigten mit den höchsten Haftstrafen – die früheren Frontmänner der beiden rechtsradikalen Gruppen „Oath Keepers“ und „Proud Boys“, Stewart Rhodes und Henry „Enrique“ Tarrio – kamen nur Stunden nach Trumps Amtsantritt frei. Sie äußerten sich mit Genugtuung.

21.01.2025, USA, Washington: Unterstützer von US-Präsident Trump stehen mit ihren Fahnen zur Unterstützung von Personen, die wegen ihrer Beteiligung an den Ausschreitungen vom 6. Januar vor dem US-Kapitol verurteilt wurden, in der DC Central Detention Facility in Washington. Foto: Jose Luis Magana/FR159526 AP/AP/dpa

Trumps rigorose Total-Begnadigung von allen aberhunderten Straftätern vom 6. Januar 2021 überraschte selbst Leute aus seinem Umfeld. Hochrangige Demokraten und Ex-Polizisten reagierten empört und höchst alarmiert.

Trump rechtfertigte seine Entscheidung und sagte, viele Strafen seien „lächerlich“ und „exzessiv“  gewesen. Sein Schritt beweist einmal mehr, dass der Republikaner keinen Tabubruch scheut. Es zeigt aber auch, wie lädiert das amerikanische Justizsystem ist – und wie gefährdet die amerikanische Demokratie.

– Begnadigung für alle – egal ob Gewalttäter oder nicht: Am 6. Januar 2021 hatten Anhänger des damaligen Präsidenten Trump den Parlamentssitz in Washington gewaltsam gestürmt. Dort war der Kongress an jenem Tag zusammengekommen, um den Sieg des Demokraten Joe Biden bei der Präsidentenwahl 2020 gegen Trump formal zu bestätigen. Trump hatte seine Unterstützer zuvor in einer Rede und über Wochen zuvor mit unbelegten Behauptungen angestachelt, ihm sei der Wahlsieg durch Betrug gestohlen worden. Infolge der Krawalle kamen damals fünf Menschen ums Leben.

Manche der Randalierer wurden für kleinere Straftatbestände angeklagt – etwa dafür, dass sie unrechtmäßig in das Kapitol eindrangen, sich Polizisten widersetzten, Scheiben einschlugen, Gegenstände im Gebäude zerstörten oder stahlen. Andere wurden wegen schwerer Straftaten verurteilt, etwa weil sie mit Stöcken, Metallstangen oder Fäusten Polizisten niederprügelten oder von langer Hand die Attacke zur Sabotage des Machtwechsels geplant hatten.

Trump hatte von Anfang an versprochen, verurteilte Anhänger von damals zu begnadigen. Er betonte aber mehrfach, er wolle sich jeden Einzelfall anzuschauen. Sein Vizepräsident J.D. Vance sagte noch wenige Tage vor der Amtseinführung in einem Fernsehinterview: „Wer an dem Tag Gewalt begangen hat, sollte natürlich nicht begnadigt werden.“ Sein Chef sah das offenkundig anders und ordnete an, alle freizulassen – egal ob Gewalttäter oder nicht.

21.01.2025, USA, Washington: Stewart Rhodes, ein Unterstützer von US-Präsident Trump und Gründer der „Oath Keepers“, der im Zusammenhang mit der Attacke auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 verurteilt wurde, spricht mit Reportern vor der DC Central Detention Facility, nachdem er aus einem Gefängnis entlassen wurde. Foto: Jose Luis Magana/AP/dpa

– Rechtsextreme feiern: Rhodes und Tarrio waren zwar selbst nicht bei der Randale dabei. Sie orchestrierten aber aus dem Hintergrund ihre Leute, die teils in voller Kampfausrüstung am Kapitol erschienen und die Attacke lange vorbereitet hatten.

Sowohl Rhodes als auch Tarrio wurden unter anderem wegen „aufrührerischer Verschwörung“ schuldig gesprochen – ein Straftatbestand, der in der Justizgeschichte der USA zuvor nur selten zum Einsatz kam. Rhodes bekam 18 Jahre Haft, Tarrio sogar 22 Jahre. Ihnen wurde vorgeworfen worden, ein Komplott geschmiedet zu haben – mit dem Ziel, den Machtwechsel nach der Präsidentenwahl 2020 mit Gewalt zu verhindern. Nun sind sie freie Männer.

Tarrio äußerte sich kurz nach seiner Freilassung in einem Interview mit dem rechten Verschwörungstheoretiker Alex Jones. Er sei sprachlos vor Freude, sagte der Rechtsextremist da. „22 Jahre sind keine kurze Strafe. (…) Trump hat mir buchstäblich mein Leben zurückgegeben.“ Mit Blick auf die Haft für ihn und andere „Proud Boys“ sagte er: „Wir sind durch die Hölle gegangen. Und ich sage euch, das war es wert.“

Auch Rhodes tauchte kurz nach seiner Freilassung aus einem Gefängnis im Bundesstaat Maryland vor einer Haftanstalt in der Hauptstadt Washington auf, um seine Solidarität mit anderen Häftlingen zu bekunden. „Präsident Trump hat das Richtige getan“, sagte der Mann mit der markanten Augenklappe dort und beklagte, er und die anderen hätten keinen fairen Prozess bekommen.

– „Ein neuer Sheriff ist in der Stadt“: An Gefängnissen in verschiedenen Städten in den USA wurden Häftlinge vom 6. Januar von Angehörigen, Freunden und Unterstützern in Empfang genommen und gefeiert. An einer Haftanstalt in der Hauptstadt Washington wartete ein älterer Mann mit Trump-Wollmütze und einer Trump-Fahne über der Schulter auf die Freilassung seiner beiden erwachsenen Kinder. Die wurden eingesperrt, weil sie am 6. Januar 2021 unter anderem brutal auf Polizisten eingeprügelt hatten. Der Vater tönte beim Warten vor Journalisten, wie stolz er auf seine Kinder sei und dass dies ein Tag des Sieges sei. Mit Blick auf Trump sagte er: „Ein neuer Sheriff ist in der Stadt.“

In der Tat fühlt sich in den USA mit Trump an der Macht mancher zurück in den „Wilden Westen“ versetzt. Der Polizist Michael Fanone, der am 6. Januar 2021 am Kapitol im Einsatz war, niedergeknüppelt und mit einem Elektroschocker malträtiert wurde, sagte dem Sender CNN, er habe nach der Begnadigung seiner Peiniger nun Angst um seine Sicherheit und die seiner Kinder.

21.01.2025, USA, Washington: Die Anhängerin von US-Präsident Trump, Rachel Powell (r), die wegen ihrer Teilnahme an den Ausschreitungen am 6. Januar vor dem US-Kapitol verurteilt wurde, umarmt ihre Freundin Cynthia Hughes, nachdem sie aus der DC Central Detention Facility in Washington entlassen wurde. Foto: Jose Luis Magana/FR159526 AP/AP/dpa

– Zweifel am System: Trumps Entscheidung wirft aber auch die Frage auf, wie es um Amerikas Justizsystem bestellt ist. Ein US-Präsident hat zwar per Verfassung die Befugnis, die Strafen von Tätern, die nach Bundesrecht verurteilt wurden, zu verkürzen oder Verurteilte ganz zu begnadigen – auch nachträglich, also nach dem Verbüßen einer Strafe. Dass Trump diese Befugnis aber nutzt, um Gewalttäter freizulassen, die amerikanische Polizeibeamte verletzt haben und die – angeheizt durch ihn selbst – versuchten, den friedlichen und demokratischen Machtwechsel in den USA zu stoppen, ist beispiellos. Nachfragen dazu weicht Trump aus und gibt sich ahnungslos, wer genau begnadigt worden sei. Und: Er zeigt auf seinen Amtsvorgänger Biden.

Der hatte kurz vor Schluss seiner Amtszeit seinen Sohn, seine Geschwister und deren Ehepartner präventiv begnadigte, ebenso demokratische Abgeordnete und ehemalige Regierungsleute – um den Sohn vor einer Haftstrafe und alle anderen vor möglicher Strafverfolgung durch Trumps Regierung zu schützen. Dabei hatte der Demokrat das zuvor kategorisch ausgeschlossen und präventive Begnadigungen vor Jahren noch als falsch kritisiert. Seine Kehrtwende hat nicht gerade zum Vertrauen in die Gerechtigkeit der US-Justiz beigetragen.

Das System ist per se sehr politisiert. Präsidenten wählen Richter für Bundesgerichte und den Supreme Court aus und liefern sich einen Wettlauf, wer mehr Nominierungen in einer Amtszeit schafft, weil es für die Durchsetzung ihrer Politik sehr hilfreich ist, auf wohlgesonnene Richter zu treffen, wenn ihre Entscheidungen juristisch angefochten werden. Dabei bräuchten die USA gerade jetzt mehr denn je ein Justizsystem, das über jeden Zweifel erhaben ist. (dpa/cre)

11 Antworten auf “Trump der neue Sheriff: Nach Massenbegnadigungen mehren sich Zweifel am amerikanischen Justizsystem”

  1. Burisma und der Big Guy

    Ach soo!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Trump hat die Bidens begnadigt, auch wenn es MASSIV Beweise gibt für die Verwicklung seines Sohnes, der Jäger (verlorenen Laptops…), und Joe selbst in Korruptionsaffären und dunklen Geschäften in Ukronaziland. Ach sooooooooo, Trump ist schuld…

  2. Robin Wood

    „…mehren sich Zweifel am amerikanischen Justizsystem.“
    Als Biden seinen Sohn begnadigt hat und Fauci und und und hat keiner was gesagt, da war das Justizsystem in Ordnung.
    Ist das belgische denn besser?
    https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/corona-impfstoffe-belgiens-justiz-weist-klagen-gegen-von-der-leyen-ab/ar-AA1xBqj4?ocid=BingNewsSerp
    „Die Justiz habe eine Klage des belgischen Lobbyisten Frédéric Baldan „für unzulässig erklärt, da er einen persönlichen Schaden nicht nachweisen konnte“, hieß es aus einer mit dem Fall vertrauten Quelle. Unter anderem Ungarn oder Polen hatten sich angeschlossen, auch ihre Klagen wurden demnach abgewiesen.
    Bei den Vorwürfen ging es um einen Impfstoffdeal, den von der Leyen persönlich mit dem Chef des Pharmakonzerns Pfizer, Albert Bourla, per SMS ausgehandelt haben soll. Allerdings fehlen Nachweise: Die Kommission bewahrte die Handy-Textnachrichten nicht auf.“
    Und was ist mit den anderen Korruptionsvorwürfen in der EU?

    Immer nur auf andere zeigen ist einfach, zuerst sollte man vor der eigenen Haustüre kehren.

    Oder ist das deutsche Justizsystem besser, wo Majestätsbeleidigung mit Hausdurchsuchungen und Geldstrafen belegt wird, während das System total versagt hat, um den Täter von Madgeburg vor dieser schrecklichen Tag dingfest zu machen, obschon er immer wieder öffentlich damit gedroht hat, Deutsche umzubringen?

    • So ist es

      „Oder ist das deutsche Justizsystem besser, wo Majestätsbeleidigung mit Hausdurchsuchungen und Geldstrafen belegt wird, während das System total versagt hat, um den Täter von Madgeburg vor dieser schrecklichen Tag dingfest zu machen, obschon er immer wieder öffentlich damit gedroht hat, Deutsche umzubringen?“

      @ Robin Wood,

      Teile Ihre Ansicht, nur Sie stellen sich die Frage, ob das deutsche Justizsystem besser sei? Ich glaube die Frage müsste eher lauten : Gibt es überhaupt ein Justizsystem in Deutschland? Wenn ich verschiedene Urteile bezgl schwerster Gewaltdelikte, allein in Berlin, zur Kenntnis nehme, dann kommt mir
      das Justizsystem“ als Täterschutzsystem vor, wobei die Opfer dabei oftmals als Täter hervorgehen.
      Manchmal handelt die Justiz , bzw. die Polizei ,aber geradezu ultraschnell, nämlich bei politisch nicht
      gewolltem Bürgerverhalten; da kennt man keine Gnade : siehe die Schülerin, welche vor einigen Monaten in ihrer Schule (D) und vor den Augen ihrer Klassenkameraden, von der Polizei abgeführt wurde, weil sie sich in einem Post in den Sozialen Medien dazu hat „hinreissen“ lassen, dass sie ihre Heimat lieben würde und dazu die AFD-Flagge abgelichtet hatte. Kaum zu glauben aber wahr, diese Geschichte. Und etwas weiter gröhlt dann jemand :“ Deutschland verrecke“. Da erscheint keine Polizei, das ist dann Meinungsfreiheit à la Faeser.

    • Soeben meldet die Presse, dass ein Afgane in Aschaffenburg zwei Leute (darunter ein Kind) abgeschlachtet hat.
      Preussens Gloria soll sich um sein desaströses Rechts- und Sicherheitssystem kümmern anstatt andere belehren zu wollen. Dieses Versagerland!! Wo haben die grünen-woke Verbrecher dieses Land hingeführt?

    • Ihr Beitrag ist ziemlich verwirrend.

      „Immer nur auf andere zeigen ist einfach, zuerst sollte man vor der eigenen Haustüre kehren.“

      Fragen: Wer zeigt auf wen genau? Wer soll genau vor der eigenen Haustüre kehren?

      Zur Sache: Hunter Biden zu begnadigen war sicherlich nicht der Sache dienlich.
      Ist aber rein gar nichts im Vergleich zu den 1.500 verurteilten Straftätern, die gestern begnadigt wurden.

  3. Versuchen sie z.B. einmal in der DG einen Zivilprozess gegen einen leitenden Beamten anzustrengen, sie finden wahrscheinlich in der gesamten DG keinen Anwalt der sie dabei vertreten will. Die älteren unter uns erinnern sich sicher noch an die Affäre Schmitz – Valkenberg. Vor 45 Jahren in der Schule wurde uns das Belgische Justizsystem erklärt, die Worte des Lehrers waren „offiziell sind alle Belgier vor dem Gesetz gleich, glaubt aber bloss nicht dass dem so ist….“. Justitia ist nur eine Hure der Macht, egal in welchem System….

  4. Bäderkönig Eduard

    Die Strafen waren viel zu hoch bei fast jeder Demonstration gibt es Randale und Tumult. Dafür lange Jahre weggesperrt zu werden ist nicht richtig. Am Hambacher Forst gab es ähnliche Vorfälle und die Strafen waren gering, fast niemand musste in Haft.

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