Kultur

Tag der Muttersprache: Mehr Sprachen, mehr Chancen

Illustration: Pixabay

Muttersprache, Schulsprache, Fremdsprache – Verständigung scheint angesichts von Internationalität und Globalisierung oft kompliziert. Sprachforscher haben aber auch gute Nachrichten.

Sie schafft Vertrautheit, vermittelt Heimatgefühl: die Muttersprache. Sie ist die erste, die man als Kind hört und lernt, sie geht bald mühelos von der Zunge. Muttersprachen spielen eine entscheidende Rolle bei der Herausbildung kultureller Identitäten, bei der Einbindung in Gemeinschaften und bei der Bewahrung kulturellen Erbes. Die Forschung zeigt aber auch: mehr Sprachen, mehr Chancen.

Vokale, Umlaute, Zwielaute sind in einem Klassenzimmer zu sehen. Muttersprachen spielen eine entscheidende Rolle bei der Herausbildung kultureller Identitäten, bei der Einbindung in Gemeinschaften und bei der Bewahrung kulturellen Erbes. Die Forschung zeigt aber auch: mehr Sprachen, mehr Chancen. Foto: Jens Kalaene/dpa

Muttersprache – Vatersprache. Im Deutschen wird die erste gelernte Sprache als Muttersprache bezeichnet. Der Wiener Sprachwissenschaftler Stefan-Michael Newerkla erläutert, dass der Begriff „auch stark ideologisch konnotiert ist, weil er Sprache gleichsam auf Abstammung zurückführt“. Er beinhalte nicht nur die Vorstellung, dass jemand die Sprache der (leiblichen) Mutter erlerne, sondern auch, dass das Teil einer natürlichen Ordnung sei. Ethnischen Gruppen werde somit jeweils eine bestimmte Sprache zugewiesen. In der Geschichte sei zudem der Terminus sermo patrius („väterliche Sprache“) für das Latein als Bildungssprache verstanden worden, während die lingua materna („mütterliche Sprache“) eher für die ungesteuerten Lernprozesse im Kontakt mit der Mutter stand.

Es kann nur eine geben? Mitnichten. Wer als Kind mit zwei Sprachen aufwächst, gilt als bilingual. Das betrifft Millionen Kinder, auch in Deutschland. Meist haben sie Eltern verschiedener Herkunft, die den Nachwuchs in ihren jeweiligen Sprachen ansprechen. Die Experten vom Bielefelder Institut für frühkindliche Bildung versichern, dass dies kein Nachteil sei. Wie die allermeisten Kinder sprechen sie mit etwa einem Jahr ihre ersten Wörter, bilden mit etwa 18 Monaten Zweiwortsätze und können mit drei Jahren längere Sätze bilden.

Es gibt aber Unterschiede: Einerseits beeinflussten sich die Sprachen gegenseitig bei der Aussprache – russisch-deutsch-sprachige Kinder rollten zum Beispiel das R auch dann, wenn sie Deutsch sprechen. Zudem würden die Sprachen häufig gemischt. „Ich gehe zum playground“ oder „I have my brother gesawt“ sind Beispiele dafür. Die Forscher sind überzeugt, dass eine solche Sprachmischung „eine sehr kreative Nutzung der gesamten sprachlichen Kompetenz ist“ – und eben kein Defizit.

Ein Alphabet in Schreibschrift hängt in einem Klassenzimmer. Foto: Fabian Sommer/dpa

Viele Sprachen, aber keine richtig? Studien widerlegen den oft geäußerten Eindruck, dass mehrsprachig aufwachsende Kinder überfordert sind und keine ihrer Sprachen richtig beherrschen. Wer schon seit früher Kindheit mit zwei oder mehr Sprachen aufwächst, kann die Fähigkeiten in einer Sprache für andere Sprachen nutzen, fassen Wissenschaftler des Mercator-Instituts für Sprachförderung die Forschungsergebnisse in einem Faktencheck zusammen. So hätten Kinder, die in ihren beiden ersten Sprachen gut lesen können, „ein stärker ausgeprägtes metasprachliches Bewusstsein, das sie vorteilhaft für das Lesen in der dritten Sprache einsetzen können“.

Statt Sprachbildung Bildungssprache. Für jedes dritte Kind weltweit bedeutet die Einschulung den Eintritt in eine sprachlich fremde Umgebung. Nach Zählung der Sprachenforscher der Nichtregierungsorganisation SIL verbringen etwa 35 Prozent der Kinder ihre Schulzeit in Klassenzimmern, in denen die Unterrichtssprache (language of instruction) nicht die Sprache ist, die sie zu Hause sprechen – das schränke ihre Erfolgschancen deutlich ein. Die ärmsten und schwächsten Bevölkerungsgruppen etwa im Norden Afrikas und dem Nahen Osten seien davon am meisten betroffen, was den „Kreislauf von Armut und sozialer Ungleichheit“ weiter verstärke.

Unesco: Muttersprache auch Entwicklungsfaktor. Sprachen sind die Grundlage sozialen Lebens, heißt es bei der Unesco. Aus Sicht der UN-Bildungsorganisation ist der Erhalt kultureller und sprachlicher Diversität ein wichtiger Baustein für nachhaltig organisierte Gesellschaften.

„Wir können die Versprechen der Agenda 2030, qualitativ hochwertige Bildung zu fördern und sie zu einem Motor für nachhaltige Entwicklung zu machen, nicht erfüllen, ohne die Verwendung lokaler Sprachen zu unterstützen“, stellte Santiago Irazabal Mourão, Präsident der Unesco-Generalkonferenz, zum Auftakt einer Dekade der indigenen Sprachen klar.

Am Tag der Muttersprache (21. Februar) soll in diesem Jahr vor allem der Bildungsaspekt in den Vordergrund gerückt werden. Mehrsprachigkeit auf der Grundlage der Muttersprache erleichtere Mitgliedern kleinerer Sprachgruppen den Zugang zu Bildung, heißt es im aktuellen Aufruf. (dpa)

12 Antworten auf “Tag der Muttersprache: Mehr Sprachen, mehr Chancen”

  1. Als ich, meine Geschwister und Freunde in Kelmis in den 60er-Jahren eingeschult wurden, sprachen wir alle nur Platt. Und trotzdem ist etwas aus uns geworden. Heutzutage spricht in Kelmis so gut wie kein Kind mehr Platt. Ob aus denen deshalb etwas Besseres wird? Abwarten und Tee trinken.

  2. Bitte auch das SCHREIBEN bessern. Es geht auf keine Kuhhaut was ich im Berufsleben (aber auch privat…) so alles zu lesen bekomme, was einfach nur unter aller Sau ist (Formulierung, Grammatik, Satzbau, Interpunktion, uvm.). Das gilt auch fürs Französische, aber im Deutschen ist es bei weitem schlimmer! Das Problem ist vor allem: Die meisten können nicht mehr KLAR und logisch denken, weswegen sie sich auch nicht gut ausdrücken können. Die Eelktronik ist vieles schuld…

  3. Die Wahrheit

    Fakt ist, dass unsere Medien, Politiker, Unternehmen und Verwaltungen viele Wörter verenglischen. Man muss als älterer Mensch bald ein Wörterbuch bei sich tragen, um den Wortschatz zu verstehen. Kann nicht in deutscher Sprache kommuniziert werden????
    Unsere Politiker wollen sich wichtig machen, wenn sie im EU Parlament Englisch reden, aber dann werden sie oft falsch verstanden.
    Warum nicht in deutscher Sprache reden???? Man muss sich nicht schämen!!!

  4. Goodbye Belgien

    Jetzt bin ich aber geschockt : MUTTERSPRACHE, so ein Begriff in der heutigen Zeit, einfach „unmöglich“.
    Heute redet man doch nicht mehr so. Einfach deprimierend. Wo bleibt da die Gleichberechtigung? Wo bleibt die VATERSPRACHE, wo die KINDERSPRACHE , die TIERSPRACHE, wo die aktuelle ES*INNENSPRACHE ? Zum Glück spreche ich einige FREMDSPRACHEN, da kann ich mich dann von der „NEUEN-DEUTSCHEN-STERNCHENSPRACHE“ erholen !

  5. Anonymos

    Würde sagen Heutzutage spricht man in Eupen soetwas wie belgisch, denn Deutsch ist es nicht.
    Auch in den Schulen hier, wird kein korektes Deutsch vermittelt.
    Da wir aber nicht in Deutschland sind ( zum Glück ) finde ich dass auch nicht so schlimm.

    Die Deutschen spinnen doch eh mit ihrer Rechtschreibreform, seit dem die alt Deutsche Schreibweise abgeschafft wurde hat alles gut funktioniert, trotzdem MURKSEN die Deutschen ihre Rechtschreibung andauernd kapputter.

    Aber OK, dafür sind die DeutschLänder Würstchen, ja bekannt, funktioniert etwas gut, fummeln die solange rum, bis es nicht mehr geht.

  6. meinemeinungdazu

    Ein Land, drei verschiedene Sprachen. In der DG gilt in der Schule als Zweitsprache französisch, in Flandern ist es französisch und in der Wallonie ist es englisch/niederländisch.
    Warum kann nicht bei allen nach Region als Erstsprache deutsch, niederländisch oder französisch gelten? Als Zweitsprache könnte dann in allen Gemeinschaften englisch unterrichtet werden.
    So behält man seine eigene Sprache/Muttersprache.
    Alls „Klammer“ würde als nationale Verständigungssprache die englische Sprache dienen.
    Hätte den Vorteil, das Sprachenzwistigkeiten/Sprachenstreitgkeiten stark dezimiert oder sogar verschwinden würden.
    Meine Erfahrung hat zudem gezeigt, dass man sich in vielen Ländern (z.B. Spanien, Niederlande, Schweden, Dännemark, Österreich, Deutschland, Schweiz, ….(um nur einige zu nennen) in Hotels, Geschäften, … man englisch als Zweitsprache beherrscht.
    Auch Chinesen, Japaner kommen damit zurecht.
    Ohne überhaupt von GB, Amerika, Kanada, … zu reden, wo englisch kein Problem darstellt.

  7. @Anomymos,
    die Sprache „belgisch“ gibt es nicht und
    in Eupen spricht man „Kauderwelsch“
    Falls lt. ihnen in den Schulen kein (korektes) korrektes Deutsch geleert wird, dann wäre das sehr sehr traurig und müsste schnellstens durch neues Personal ausgetauscht werden.

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