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Ist Solarenergie durch schwimmende PV-Anlagen auf dem Meer die Zukunft? [Fragen & Antworten]

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Der kräftige Wind auf der Nordsee wird schon lange für die Stromerzeugung genutzt. Doch eignet sich die See auch für den Einsatz von Solaranlagen? Experten sehen Vorteile – und noch viele Fragen.

Nicht nur auf Dächern und an Balkonen sind inzwischen vielerorts kleine Solarkraftwerke installiert, auch auf Freiflächen werden große Photovoltaik-Anlagen für die Energiewende aufgebaut. Doch Freiflächen-Anlagen benötigen viel Platz. Den bieten bislang vor allem künstliche Gewässer, auf denen mancherorts schon schwimmende Solaranlagen installiert sind. Könnten schwimmende PV-Anlagen, englisch Floating PV genannt, künftig auch auf der Nordsee eingesetzt werden?

– Welche Vorteile bieten schwimmende PV-Anlagen auf dem Meer?

Windkraft und Solarenergie auf dem Meer könnten sich kombinieren lassen, sodass schon vorhandene Stromnetzanbindungen der Windparks effizienter genutzt werden. Foto: Shutterstock

Da ist zum einen das große Flächenpotenzial, das Wasserflächen zum Beispiel zwischen Offshore-Windparks bieten und bislang energetisch ungenutzt bleibt. Außerdem könnten sich Windkraft und Solarenergie auf dem Meer kombinieren lassen, sodass schon vorhandene Stromnetzanbindungen der Windparks effizienter genutzt werden könnten, sagt Bengt Jäckel, der am Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik in Halle zu PV-Modulen forscht.

„In der Tagesmitte weht meistens weniger Wind, dafür scheint eher die Sonne. Abends und morgens setzt der Wind ein. Durch eine Kombination ist die Netzauslastung der Stromleitungen Richtung Land deutlich größer“, erklärt der Wissenschaftler. Mit einer höheren Auslastung ließen sich Kosten bei der Stromerzeugung senken. Für eine bestmögliche Kombination der Energieträger bräuchte es laut Jäckel allerdings auch verschiedene Speichermöglichkeiten.

– Wird die Technik auf der Nordsee schon erprobt?

Ja, zum Beispiel in der niederländischen Nordsee. Dort ist der Energiekonzern RWE an einem Pilotprojekt mit dem Unternehmens SolarDuck beteiligt. In dem „Merganser“ genannten Projekt schwimmt eine Testanlage zwölf Kilometer vor der Küste von Scheveningen auf einer Unterkonstruktion in der See. Die Anlage wird durch Ankerleinen in Position gehalten. Zwei Jahre soll dort nun untersucht werden, wie die Verankerung der Plattform mit den rauen Bedingungen zurechtkommt und welche ökologischen Auswirkungen es gibt.

– Wovon hängt der Einsatz von schwimmenden PV-Anlagen ab?

18.05.2022, Dänemark, Ejsberg: Alexander De Croo (l-r), Premierminister von Belgien, Olaf Scholz, deutscher Bundeskanzler, Mette Frederiksen, Ministerpräsidentin von Dänemark, Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, und Mark Rutte, Ministerpräsident der Niederlande, stehen beim Nordsee-Gipfel im Hafen von Ejsberg. Die Nordsee soll zum grünen Kraftwerk Europas werden. Foto: Pool Philip Reynaers/BELGA/dpa

Experten nennen eine ganze Reihe offener, technischer Fragen, an denen aktuell noch geforscht wird – zum Beispiel aus welchen Materialien die PV-Anlagen und die Trägerkonstruktionen gebaut sein müssen. „Es werden Schwimmkörper sein aus Kunststoffen oder aus Metall“, sagt Forscher Jäckel. Beides habe auch Risiken: Schwimmkörper aus Metall könnten korrodieren, bei Kunststoff bestehe die Gefahr, dass Mikroplastik ins Meer gelange.

Auch wie schwimmende PV-Anlagen kontinuierlich Wellen und Wind auf dem Meer bestehen können, müsse noch weiter erforscht werden. „Anders als etwa bei einem Windrad auf See setzen Wind und Wellen bei Floating-PV das ganze System rund um die Uhr in Bewegung. Das ist etwas Neues“, sagt Jäckel. Daneben sei auch die Wartung und die Lokalisierung von Fehlern auf See viel komplexer. Ein Monitoring könne etwa über Sensorik erfolgen oder über Drohnen. „Das sind alles Themen, die gerade diskutiert werden“, sagt Jäckel.

– Welchen Einfluss hat die Technik auf die Meeresumwelt?

Auch zu dieser Frage ist laut Experten noch Forschung nötig. Es fehlen bislang konkrete Untersuchungen von Auswirkungen von PV-Anlagen auf Meeresorganismen und es besteht insbesondere für den marinen Bereich ein beträchtlicher Forschungsbedarf. Vor allem die Größe der PV-Anlagen ist wohl ein maßgebliches Einflusskriterium.

Ein Aspekt ist etwa die Verschattung, also wie viel Licht durch die Anlage in der Wassersäule noch ankommt. Eine ähnliche Frage stelle sich auch in der Agri-Photovoltaik, sagt Jäckel – also bei PV-Anlagen über landwirtschaftlichen Flächen.

05.09.2024, Brandenburg, Cottbus: Auf dem Cottbuser Ostsee, einem gefluteten ehemaligen Braunkohletagebau, wird derzeitig eine große Floating-PV-Anlage der LEAG Lausitz Energie Bergbau AG errichtet Foto: Patrick Pleul/dpa

Als weitere mögliche Umweltauswirkungen werden unter anderem ein verringerter Austausch zwischen Wasser und Atmosphäre, Reflexionen, Schadstoffemissionen durch Korrosionsprozesse und Anziehungsprozesse für Fische und Meeressäuger genannt.

– Wie steht die Politik zu schwimmenden PV-Anlagen im Meer?

Fachpolitiker haben die Technologie schon auf der Agenda – sie sehen aber ebenso noch offene Fragen. Floating-Photovoltaikanlagen könnten in Offshore-Windparks eine sinnvolle Ergänzung zur Steigerung der Energieerzeugung darstellen. Einen Wildwuchs von Industrieanlagen in der Nordsee dürfe es aber nicht geben.

Experten sehen Chancen für schwimmende PV-Anlagen vor allem an Land – etwa auf Speicherbecken. Ob dies im Umfeld von Windparks auf See bei allen konkurrierenden Nutzungen möglich und sinnvoll ist, gilt es näher zu prüfen. Erwartet wird zudem, dass die Kosten für Photovoltaik auf dem Meer etwa durch die Befestigung am Meeresgrund, die fehlende Netzanbindung und häufigeren Reparaturen infolge von Wellengang und Stürmen höher sein dürften als vergleichbare Anlagen an Land. (dpa)

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