Gesellschaft

Deutschland: Großangelegte Razzia gegen Aktivisten der Gruppe Letzte Generation in sieben Bundesländern

24.05.2023, Berlin: Polizeifahrzeuge stehen bei einer Hausdurchsuchung in Berlin-Kreuzberg in einer Straße. Polizei und Staatsanwaltschaft haben im Zuge eines Ermittlungsverfahrens zu Mitgliedern der Letzten Generation 15 Objekte in sieben Bundesländern durchsucht. Foto: Christoph Soeder/dpa

In Deutschland gehen Polizei und Staatsanwaltschaft gegen die Letzte Generation vor. Wohnungen und Geschäftsräume in sieben Bundesländern wurden durchsucht, zudem eine Homepage und Konten beschlagnahmt. Von Klimaaktivisten kommt scharfe Kritik.

Mit einer großangelegten Razzia sind Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch gegen die Klimaschutzgruppe Letzte Generation vorgegangen. Rund 170 Beamte durchsuchten ab dem frühen Morgen 15 Wohnungen und Geschäftsräume in sieben Bundesländern, wie die Generalstaatsanwaltschaft München und das Bayerische Landeskriminalamt mitteilten. Der Tatvorwurf lautet auf Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.

27.04.2023, Berlin: Aktivisten der Gruppierung Letzte Generation blockieren eine Kreuzung an der Landsberger Allee. Foto: Paul Zinken/dpa

Ermittelt wird gegen sieben Beschuldigte, die zwischen 22 und 38 Jahre alt sind. Festnahmen gab es zunächst nicht. Zwei der Verdächtigen stehen den Ermittlern zufolge im Verdacht, im April 2022 versucht zu haben, die Öl-Pipeline Triest-Ingolstadt zu sabotieren.

Hintergrund der Ermittlungen und Durchsuchungen sind laut Staatsanwaltschaft zahlreiche Strafanzeigen. Die Gruppe macht regelmäßig mit Sitzblockaden und Aktionen in Museen auf die fatalen Folgen der Erderhitzung aufmerksam. Die Mitglieder kleben sich dabei häufig fest – an Straßen oder auch an Kunstwerken.

Klimaschutzaktivisten reagierten mit scharfer Kritik. Die Gruppe Ende Gelände kritisierte auf Twitter, Razzien gebe es bei denen, „die vor der Klimakrise warnen, und nicht bei denen, die dafür verantwortlich sind“. Die Letzte Generation selbst fragte auf Twitter, wann Lobbystrukturen durchsucht und „fossile Gelder der Regierung“ beschlagnahmt würden.

24.05.2023, Berlin: Polizistinnen gehen während einer Hausdurchsuchung in Berlin-Kreuzberg zu einem Fahrzeug. Foto: Christoph Soeder/dpa

Zentraler Vorwurf im Zusammenhang mit den Durchsuchungen ist laut Polizei und Generalstaatsanwaltschaft, dass die Beschuldigten eine Spendenkampagne zur Finanzierung weiterer Straftaten für die Letzte Generation organisiert und so mindestens 1,4 Millionen Euro eingesammelt haben sollen. Dieses Geld sei nach bisherigen Erkenntnissen „überwiegend auch für die Begehung weiterer Straftaten“ eingesetzt worden. Woher das Geld stamme, sei Gegenstand der Ermittlungen. Wie viel davon beschlagnahmt wurde, sagte die Polizei zunächst nicht. Ziel der Durchsuchungen sei auch „das Auffinden von Beweismitteln zur Mitgliederstruktur“ gewesen, hieß es.

Durchsuchungen gab es in sieben Bundesländern, konkret in Hessen im Landkreis Fulda, in Hamburg, Sachsen-Anhalt (Magdeburg), Sachsen (Dresden), Bayern (Augsburg und München), Berlin und im Kreis Segeberg in Schleswig-Holstein. Die Einsätze verliefen ersten Informationen nach friedlich. Auf Anweisung der Staatsanwaltschaft wurde auch die Homepage der Gruppe beschlagnahmt und abgeschaltet.

In den vergangenen Wochen war das Umfeld für die Aktivisten extrem rau geworden. Abgenervte Autofahrer schlugen und traten die Protestierenden des Öfteren und schleiften sie ruppig von der Straße, und das Landgericht Potsdam bestätigte erstmals den Anfangsverdacht, dass die Gruppe eine kriminelle Vereinigung sein könnte. Diese Woche äußerte sich auch Kanzler Olaf Scholz extrem kritisch und nannte die Anklebe-Aktionen der Gruppe „völlig bekloppt“.

24.04.2023, Berlin: Ein Aktivist der Gruppierung Letzte Generation wird auf dem Ernst-Reuter-Platz freigefräst. Foto: Sven Kaeuler/TNN/dpa

Die Aktivisten forderten anfangs ein „Essen-Retten-Gesetz“ gegen Lebensmittelverschwendung. Die derzeitigen Forderungen sind Tempo 100 auf Autobahnen und ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Verkehr.

Angesiedelt sind die Ermittlungen bei der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus. Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft München betonte aber, dass das nicht bedeute, dass man die Letzte Generation als extremistisch oder terroristisch einstufe. „Wir gehen nach jetzigem Ermittlungsstand davon aus, dass es sich um eine kriminelle Vereinigung handelt – wohlgemerkt nicht um eine terroristische“, sagte der Sprecher. Dies wolle man gerichtlich prüfen lassen.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft begrüßte die Durchsuchungen. „Die Justiz greift durch, das ist das richtige Signal eines wehrhaften Rechtsstaates“, sagte Gewerkschaftschef Rainer Wendt in Berlin.

Der stellvertretende Vorsitzende der Linken, Lorenz Gösta Beutin, nannte die Razzien völlig überzogen. Die Menschen, die sich der sogenannten Letzten Generation zurechneten, setzten auf friedlichen zivilen Ungehorsam, um auf die Klimakatastrophe und das Versagen der Bundesregierung aufmerksam zu machen. (dpa)

Zum Thema siehe auch folgenden Artikel auf OD:

33 Antworten auf “Deutschland: Großangelegte Razzia gegen Aktivisten der Gruppe Letzte Generation in sieben Bundesländern”

  1. Peer van Daalen

    Na endlich gibt es Zunder gegen diese Seuche.

    Wenn diese irregeleiteten Gestalten wirklich Eier in der Hose gehabt hätten und was „schmerzhaftes“ hätten bewirken wollen, dann hätten sie die Shell-Mafia angreifen sollen, die im Jahr 2022 einen Gewinn in Höhe von rund 42,31 Milliarden US-Dollar erzielte, ohne daß auch nur eine nennenswerte Preissenkung an den Tankstellen zu erkennen gewesen wäre.

    Auch das „Stürmchen“ auf die gestrige Aktionärs -Hauptversammlung von Shell ist pillepalle gewesen …

    https://www.sueddeutsche.de/politik/klima-aktivisten-attackieren-shell-hauptversammlung-1.5877305

    • Beauregard

      Hallo Peer, Eier in der Hose wäre nicht schlecht aber Hirn in der Birne wäre noch besser ! Wissen diese wahrscheinlich angestachelten jungen Leute eigentlich worum es geht ? Ich habe noch nie gehört das man die enormen Umweltschäden eines unnötigen Krieges anprangert den man sogar noch kräftig durch großzügige Waffenlieferungen verlängert ! Verhandlungen wären da sicher umweltfreundlicher !!

      • Frankenbernd

        Putin muss nur seine Truppen aus der Ukraine abziehen und alles ist vorbei. Da brauchts keine Verhandlungen, die der sowie nicht will bzw. nur wenn die komplette Annexion der Ukraine dabei rauskommt. Verstehe nicht, dass manche Leute immer noch nicht Putin durchschaut haben. Lest mal bei ‚Hitler & Co, Stalin usw. nach, Diktatoren wollen alles oder nichts.

      • Dürnbild

        Hast wohl Recht, besser keine Waffenlieferungen mehr und den Orks die gesamte Ukraine übergeben. Doch was kommt danach? Schließlich wollen wir doch nur Frieden und wenn Putin noch die baltischen Länder haben möchte dann besser sie aufgeben als ein Atomkrieg zu riskieren, nicht? Was die zahllosen Kompromisse mit Nazi-Deutschland bewirkten haben Sie hoffentlich nicht vergessen… Die Außenscheinung einer Aufgabe der Ukraine sollte auch nicht vergessen werden, wäre eine Einladung anderer Staaten ihren schwächeren Nachbar zu überfallen, Recht des Stärkeren und so, doch diese Zeiten hatten wir doch eigentlich längst hinter uns gelssen oder nicht?

        Auch das Argument mit Verhandlungen schein etwas zynisch bei gleicher Ablehnung von Waffenlieferungen, denn welche Verhandlungsmasse hätte man ohne die Waffenlieferungen?

  2. schlechtmensch

    „Die Letzte Generation selbst fragte auf Twitter, wann Lobbystrukturen durchsucht und „fossile Gelder der Regierung“ beschlagnahmt würden.“ Ich frage mich wann die letzte Generation diese Lobbystrukturen und die Regierung, Politiker, Manager der Energiekonzerne etc. angreift oder zuklebt. Sie haben dazu nicht die Eier in der Hose und gehen den einfachen arbeitenden Bürgern auf den Sack. Das kann ich nicht ernst nehmen. Das sind doch alles arbeitsscheue Selbstdarsteller. Und feige noch dazu. Hoffentlich lassen die sich alle sterilisieren, das wäre ein prima Beitrag und der Name letzte Generation trifft dann auch zu.

  3. Werner Radermacher

    Bisher haben sich der deutsche Staat und die Justiz von einen Haufen Demokratiefeinde auf der Nase herumtanzen lassen. Das ist armselig und kann man eine solche Justitz noch ernst nehmen?

    • Dürnbild

      „Demokratiefeinde“ hahah ist doch wohl nicht Ihr Ernst?!
      Sie protestieren friedlich für die Einhaltung des Grundgesetzes seitens der Regierung und akzeptieren Gerichtsurteile gegen Aktionen ihrer friedlichen Proteste. Wie kann eine Protestbewegung denn bitte noch friedlicher und demokratischer sein als die LG? Sie sitzen friedlich auf der Straße und machen auf die Rechtsverletzung der Bundesregierung aufmerksam.

      Die eigenliche Schande ist die Reaktion vom „Rechtsstaat“ gegen diesen friedlichen Protest und nebenbei wird noch von der Springer-Presse und anderen gegen solche Menschen gehetzt. Innenminister rufen zur Selbstjustiz auf, allerdings nur im Zusammenhang mit Klimaaktivisten. Geht es um Nazis scheint Selbstjustiz das größte Vergehen zu sein. Nein, der friedliche Protest wird kriminalisiert, genau wie der Rest der Klimabewegung und von der Exekutiven (dem LKA München) als kriminelle Vereinigung dargestellt, obwohl in einem Rechtsstaat dies noch immer Gerichte zu entscheiden haben! Spender werden auf der Internetseite davor gewarnt zu spenden, etc. Wohnungen werden mit gezogenen Waffen gestürmt von Aktivisten, die nie Gewalt angewendet haben, ganz im Gegenteil diese noch verurteilen.
      Gegen dieser friedlichen Bewegung ermitteln nun Abteilungen für Terrorismusbekämpfung von Landeskriminalbehörden, an Satire echt nicht zu überbieten und nebenbei findet in Bayern noch Wahlkampf statt, was ein Zufall!

      Anstatt 1,5 Mio€ an Spendengelder einzufrieren und demokratischen Protest zu verbieten sollten sich die Behörden mal den Faschisten im Land zuwenden, dort sind über 600 Haftbefehle ausgestellt, passiert aber herzlich wenig. Stattdessen versucht man die antifaschistische Szene in Deutschland mittels eines Paragraphen zu bekämpfen, welche abgeschafft gehört! In einem höchst politischen Prozess wurden heute nun mehrere junge Antifaschisten um Lina E. zu mehrjährigen Haftstrafen verurteit. In welcher Richtung sich D. entwickelt macht mir Sorgen, im Osten sind die Faschisten stärkste Kraft und trotzdem lässte der Staat sie passieren, gegen die rechte Szene passiert nichts! NSU musste sich selber entlarven, „Wo wart ihr in Hanau?“, etc. Seitens dem Staat, der Springer-Presse und der fossilen Lobby gibt es trotzdem nur eienen Feind und dieser kämpft für das Leben.

  4. Neneewaa

    OK man braucht nicht mit den Aktionen der letzten Generation einverstanden zu sein, aber was jetzt vom Staat unternommen und vorgeworfen wird : kriminelle ( bald terroristische?)Vereinigung, Homepagesperrung, Hausdurchsuchung, Beschlagnahmung von Spendengeldern… ist auch nicht ohne. So ähnlich wurde im 3. Reich gegen Kommunisten und Sozialdemokraten vorgegangen. Wenn’s denn den Klimawandel geben soll, dann ist der gesellschaftliche Wandel und Konflikt aber viel schlimmer.

  5. Gottlieb

    Ihr tapferen Kritiker!
    Lasst doch die“Eier“ aus dem Spiel, die gibt es nicht an den Tankstellen.
    Ob“der Finanzminister“ welche hat, ist eine Frage für die „Staatssicherheit“ und gehört in die
    parlamentarische Fragestunde. Damen bitte dehors-buiten in die Cafeteria!

  6. Karli Dall

    „Der stellvertretende Vorsitzende der Linken, Lorenz Gösta Beutin, nannte die Razzien völlig überzogen.
    Die Menschen, die sich der sogenannten Letzten Generation zurechneten, setzten auf friedlichen zivilen Ungehorsam, um auf die Klimakatastrophe und das Versagen der Bundesregierung aufmerksam zu machen.“

    Wir lernen:
    Gesetzesverstöße und Straftaten sind dann erlaubt, wenn sie für einen „Guten Zweck“ sind…
    .. und der „Gute Zweck“ ist einem ständigen Wandel ausgesetzt.

    Deshalb sind die Juristen so viel beschäftigt, da sie sich auch noch diesem Wandel widmen müssen.
    Die Juristen gehören deshalb – man glaubt es kaum – zu der Berufsgruppe, die am dynamischsten ist.

  7. Da der Klimawandel ja nicht nur Europa betrifft, sondern ein weltweites Phänomen ist sollten die Klimakleber sich doch mal z.B. in China festkleben, dies wäre zwar von der Handlung genauso schwachsinnig jedoch würden sie damit „Eier“ zeigen…auch wenn es das letzte Mal war.
    😎 👍

  8. Grüne Armeefraktion

    Mit fanatischem Idealismus und radikalem Besserwissen hat die Bader-Meinhoff-Bande damals auch angefangen und mit Sprengstoff und Entführungen für die „Gute Sache“ hat’s geendet…
    Endlich wird hart durchgegriffen gegen eine kriminelle konspirative Truppe die nichts anderes als ihr Ego und ihre Meinung gelten lässt, vielleicht manch gemäßigten Klimaaktivisten mit in ihre schwachsinnigen und illegalen Aktionen reißt und übrigens genau nicht da aktiv wirkt, wo’s dringend notwendig wäre: in Brasilien oder Indonesien wo der Urwald abgeholzt wird, in China wo Kohlekraftwerke Millionen Tonnen Dreck in die Luft pusten oder in Sibirien wo das Gas flackert.
    Aber hier in Europa kann man ja auf „dicke Hose“ machen und auf Bessermensch, dort wäre man mit Motorsäge und Baggern, Polizei und Sicherheitskräften oder auch mal „Verschwinden im Lager“ nicht so nachsichtig und zurückhaltend… geht dahin Ihr Schnösel!

  9. Goodbye Belgien

    Besser noch die Klimakleberr*innen auf russische Panzer klatschen und festkleben. Dann könnten sie als mutige Galionsfigur in der „ersten Reihe“ sitzen, alle Kameras wären auf sie gerichtet. Weltweite Aufmerksamkeit wäre auch garantiert und sie würden ihrem Namen alle Ehre machen, denn dann wären sie wirklich die „letzte Generation “ für die sie sich gerne ausgeben. Dann würden auch keine wütenden Autofahrer sie „belästigen“ und von der Straße wegzerren . Also eine Win-Win Aktion. für alle. Worauf warten diese Spinner*innen also noch ? Wenn möglich auch noch mit freiem Oberkörper, denn das mag die russische Führung. Statt Pferd eben Panzer. Haben auch mehr PS.

    • Gerad van Oche

      In Russland bestimmt, was man aber so mitbekommt, ist der Schuss für die deutscge Politik nach hinten losgegangen. Vorverurteilung durch die Münchner Staatsanwaltschaft auf Twitter, UN kritisiert Vorgehen der deutschen Behörden.. Konfliktforscher sehen eine Unnötige Radikalisierung von seiten der Polituk. Forderungen von Tempolimit und 10€ Ticket sollen staatsgefährdet sein, echt jetzt?!

  10. Diese Woche ist mir die Letzte Generation fast schon sympathisch, Sie haben friedlich Protestiert ohne jemanden zu stören :)

    Montag in Regensburg wurde sich an einer Brücke festgeklebt die wegen Bauarbeiten gesperrt ist :)
    Dienstag wurde ein BMW-Werk in Regensburg blockiert, die haben gerade Werksferien :P

    • 9102Anoroc

      @ – Franz 17:26

      Soweit ich weiß, haben sich 35 bis 40 Personen heute morgen , in München City auf die Straße geklebt.
      So heilig😇 sind die Klebstoff Süchtigen.-) also doch nicht gewesen:-)

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