Topnews

Herbert Kickl: „Volkskanzler“ oder „Sicherheitsrisiko“?

06.01.2025, Österreich, Wien: FPÖ-Chef Herbert Kickl verlässt das Präsidialamt nach einem Treffen mit Bundespräsident Van der Bellen. Foto: Tobias Steinmaurer/APA/dpa

AKTUALISIERT – Mit rhetorischem Talent arbeitete sich Herbert Kickl an die Parteispitze hoch. Die Corona-Krise wusste er geschickt für die FPÖ zu nutzen – genauso wie die Sorgen vor den Folgen des Ukraine-Krieges.

Herbert Kickl will als „Volkskanzler“ die breite Masse vertreten. Diesem selbst formulierten Ziel ist er zum Greifen nah. Jahrelang hatte er mit Intellekt und rhetorischer Schärfe die rechte FPÖ von der zweiten Reihe aus mitgestaltet. Nun wurde dem Politiker, der keine Berührungsängste mit den rechtsextremen Identitären hat, der Regierungsauftrag erteilt.

Der 56-Jährige verfügt weder über großen Charme noch über großes Charisma. Doch als erfahrener Parteistratege hat er es geschafft, seine Partei in den vergangenen Jahren aus der Krise zu führen und zur stimmenstärksten Österreichs zu machen.

– Krisenmanager nach Ibiza-Affäre: Die Rechtspopulisten waren nach der Ibiza-Affäre rund um ihren Ex-Chef Heinz-Christian Strache 2019 schwer angeschlagen. In einem Video hatte Strache den Eindruck vermittelt, dass er anfällig für Korruption sei und Medien politisch steuern wolle.

06.01.2025, Österreich, Wien: FPÖ-Chef Herbert Kickl, aufgenommen im Präsidialamt nach einem Treffen mit Bundespräsident Van der Bellen. Foto: Tobias Steinmaurer/APA/dpa

Der langjährige FPÖ-Generalsekretär Kickl wurde 2019 zum Fraktionschef, 2021 übernahm er die Parteiführung. Der Aufstieg des passionierten Langstreckenläufers fiel in die Zeit der Corona-Pandemie. Kickl und die FPÖ machten sich als Oppositionspartei zum Sprachrohr der Gegner von Lockdowns und Zwangsimpfungen. Kein gutes Haar ließ der Rechtspopulist an der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Er warf ihr vor, eine „Gesundheitsdiktatur“ anzustreben.

Im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine positionierte sich der EU-kritische Kickl als Gegner von EU-Sanktionen gegen Moskau, die er als wichtigen Grund für die Teuerung sieht. Damit sprach Kickl bei den Themen Pandemie und Ukraine Stimmungen in der Bevölkerung an, die von anderen Parteien kaum abgedeckt wurden.

– Harte Linie beim Thema Migration: In Sachen Asyl und Migration verfolgt Kickl einen im restriktiven Kurs. „Flüchtlinge, die glauben, sich nicht an unsere Regeln halten zu müssen“, sollten das Land verlassen, sagt er. Dafür benutzt er den Begriff „Remigration“. „Ich weiß gar nicht, was an diesem Wort so böse sein soll“, sagte er im Wahlkampf.

„Remigration“ wird unterer anderem von der Identitären Bewegung propagiert, die in Österreich als rechtsextrem eingestuft ist. Die Gruppierung sei aus seiner Sicht „so etwas wie eine NGO von rechts“, sagte Kickl einem TV-Sender.

06.01.2025, Österreich, Wien: Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen gibt ein Statement in der Präsidentschaftskanzlei in Wien. Van der Bellen beauftragt FPÖ-Bundesparteiobmann Kickl mit der Regierungsbildung. Foto: Tobias Steinmaurer/APA/dpa

Der scheidende Kanzler und ehemalige ÖVP-Chef Karl Nehammer hat Kickl als „Sicherheitsrisiko“ bezeichnet. Das hängt nicht nur mit Kickls mangelnder Abgrenzung gegenüber Rechtsextremen zu tun, sondern auch mit seinen Russland-freundlichen Positionen und seiner Amtsführung als Innenminister.

– Schwächung des Verfassungsschutzes als Innenminister: Kickl übte dieses Amt von 2017 bis 2019 in einer ÖVP-FPÖ-Regierung aus. Aus Sicht seiner Kritiker hinterließ er verbrannte Erde. Denn unter Minister Kickl führte die Polizei eine Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung durch. Die Folge: Ausländische Partnerdienste schränkten ihre Geheimdienst-Kooperation mit Österreich ein.

Kickl wurde 1968 in eine Arbeiterfamilie im südlichen Bundesland Kärnten geboren. Als junger Mann begann er in der FPÖ-Parteiakademie als Wahlkampf-Spezialist zu arbeiten. Geschichte und Philosophie studierte er ohne Abschluss. Für den FPÖ-Politiker Jörg Haider, mit dem in den 1980er Jahren der Höhenflug der Rechten begann, schrieb er Reden. Haider war sein Mentor; Ungarns rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orban sieht Kickl als Vorbild.

– Rhetorische Grenzüberschreitungen: Sprachliche Gratwanderungen und Grenzüberschreitungen pflastern Kickls politischen Weg. Der von ihm genutzte Begriff „Volkskanzler“ wird mit den Nationalsozialisten in Verbindung gebracht, das Wort wurde jedoch auch schon von anderen Parteien verwendet. 2024 sagte er in einer Neujahrsrede, dass er im Zusammenhang mit der politischen Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen bereits «eine lange Fahndungsliste der Verantwortungsflüchtigen» erstellt habe – darunter Kanzler Nehammer und mehrere Minister. (dpa)

28 Antworten auf “Herbert Kickl: „Volkskanzler“ oder „Sicherheitsrisiko“?”

  1. Ja und wenn dem so wäre? Italiens Präsidentin ist auch rechts! Und in zwei bis vier Jahren ( falls es denn solange dauert), ist Alice Weidel in Deutschland dran! Auch rechts! Orban. Marie Le Pen! Die Wähler werden schlauer, braucht halt nur ein bisschen Zeit

  2. Robin Wood

    Immerhin waren die Österreicher so schlau, die Ampel-Koalition zu beenden, noch bevor sie begann. Nicht wie in D, wo die Ampel Deutschland in 3 Jahren heruntergewirtschaftet hat.
    Soll die FPÖ ihre Chance bekommen. Vergeigt sie es, wird sie in der Versenkung verschwinden, denn die Wähler wollen, dass die Wahlversprechen der Parteien endlich einmal eingehalten werden und Politik FÜR den eigenen Bürger gemacht wird. Brandmauern sind undemokratisch. Zig Millionen Wähler darf man nicht ausschliessen.
    Schauen wir mal, wie es dort weiter geht.

    Dasselbe könnte auch in Deutschland im Februar passieren.
    https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/kontrollverlust-versuch-der-ausgrenzung-einer-partei-krachend-gescheitert/ar-AA1wY1Xu?ocid=hpmsn&cvid=e13ed9b7d34f4356baa6203540789d6b&ei=24
    „„Kontrollverlust“: Versuch der Ausgrenzung einer Partei krachend gescheitert.

    Der innenpolitische Super-GAU ist auch für Deutschland ein interessantes Lehrbeispiel: Die kollektive Ausgrenzung der FPÖ durch die anderen, nur sich als „demokratisch“ bezeichnenden Parteien hat dazu geführt, dass der FPÖ immer mehr Österreicher ihre Stimme gaben. Die Kickl-Partei hatte die jüngste Nationalratswahl klar gewonnen, und liegt bei Umfragen aktuell bei 35 Prozent.

    Friedrich Merz könnte in den kommenden Wochen eine Studienreise nach Wien abhalten, nicht wegen der allseits geschätzten Gastronomie. Er würde dort sehen, welches Momentum die Ausgrenzung eines Wahlsiegers in einer Demokratie entwickeln kann.“

    • Kasperle

      Robin Wood@
      Es wird in unserer derzeitigen Gesellschaftsform keine Änderungen geben, auch mit einer AFD in Deutschland nicht.
      Es wird nur mit Verzicht funktionieren und der wird sehr schmerzhaft sein.
      Der Traum vom ewigen Wachstum ist vorbei und scheinbar noch nirgendwo so richtig angekommen.
      Mit einer Änderung in Richtung rechts wird ein massiver Abbau der sozialen Strukturen einhergehen.
      Vielleicht sogar Zwangsarbeit in Verbindung mit der Erklärung zum Wohle der Allgemeinheit.
      Wir befinden uns im letzten Kapitel einer verwahrlosten Gesellschaft und keiner bereit ist auf irgendetwas zu verzichten. Lösung nicht mehr möglich ohne die Reduzierung der Weltbevölkerung in Betracht zu ziehen.

      • Konservative Leier

        Das passt ja denn für Merz sind ja auch die Löhne und Renten zu hoch. Um wieder wettbewerbsfähig zu werden müssen wir den Gürtel enger schnallen. Selbstverständlich aber nur die da unten.

  3. Ein Sicherheitsrisiko sind höchstens die linkslastigen guten „Demokraten“, die alle anderen politischen Meinungen zu unterdrücken versuchen, notfalls mit dem Ausschließen Millionen von Wählern anhand eines anti-demokratischen Konstrukts namens „Brandmauer“.
    Was in Österreich „geschah“ ist lediglich die Umsetzung des Wählerwillens, also der Demokratie.

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern