Leserbrief

Michael Balter: Politische Posten

Vor einigen Tagen stellte ein Journalist die Frage, wie neutral ein Parlamentspräsident sein soll. Eine sehr wichtige Frage, hierzu ein Beispiel. Wenn man sich die politischen Debatten im Deutschen Bundestag anschaut und das Verhalten des Bundestagspräsidenten beobachtet, dann ist man schon das ein oder andere Mal angenehm überrascht.

Sicherlich, auch er ist ein Vertreter der Mehrheit, und im Großen und Ganzen verhält er sich auch so. Nur, er schreitet jedoch auch ein, wenn ein Vertreter der Opposition von einem Mehrheitskollegen persönlich beleidigt wird, und mahnt diesen dann öffentlich ab.

Diese Souveränität würden ich und einige anderen Kollegen uns auch im PDG wünschen. Im bestehenden politischen System ist es nahezu unmöglich dass dieser Posten neutral besetzt ist.

In erster Linie ist dieses Amt Teil der Koalitionsverhandlungen, d.h. nach den Wahlen werden die Posten unter der Mehrheit verteilt. Und das Amt des Präsidenten bedeutet Repräsentation, ein gewissen Ansehen und auch ein sehr hohes Einkommen, welches in etwa der gleichen Vergütung entspricht wie das Amt eines Ministers.

Also, ob bei der Vergabe in irgendeiner Art und Weise die eventuelle Neutralität eine Rolle spielt, wage ich zu bezweifeln. Der Posten des Parlamentspräsidenten ist Teil der Koalitionsverhandlungen und mehr nicht. Es ist traurig, dies zu sagen, und es verletzt die Souveränität dieses Amtes, aber ist leider so. Und ich hatte mir erlaubt, eine Überlegung mit einzuwerfen, welche leider kaum oder gar nicht diskutiert wird, und unverzüglich zu Gegenreaktionen führte. Nach dem Motto: „Da ist er wieder der Populist von Vivant.“

Nun, damit können wir leben, nur meine Frage ist und bleibt berechtigt, und in einer Demokratie sollte jede Frage und jedes Hinterfragen erlaubt sein: Brauchen wir einen PDG Präsidenten, welcher mehr als 16.000 € im Monat dem belgischen Steuerzahler kostet?

Das Amt des Präsidenten wird als so natürlich angenommen, dass niemand dies in Frage stellt. Viele glauben sogar, das müsste so sein, und der Posten würde irgendeinen Mehrwert für die Gemeinschaft ergeben. Dem ist mitnichten so. Es gäbe sicherlich Alternativen, nur im bestehenden politischen System ist vor allen Dingen Repräsentation ausschlaggebend, es bedarf gut bezahlter Posten, wo dann auch noch einige Bürger aufschauen, weil da irgendeiner auf dem Treppchen sitzt.

Und hier trägt der Bürger eine Verantwortung, denn er toleriert dies nicht nur, sondern begrüßt dies teilweise, weil er „aufschauen“ möchte, und selbst keine Verantwortung übernimmt.

Das bestehende politische System, baut somit eine Kluft auf. Und dies erinnert an alte Bilder von feudalen Strukturen. Das Sanatorium passt treffend in dieses nostalgische Bild von Herrschern und Beherrschten. Zufall?

Ein Minister heißt im wörtlichen Sinne Diener des Volkes. Nur ist das Bild, welches in der Öffentlichkeit dominiert, leider etwas anders. Vor etwas mehr als zweihundert Jahren hieß es mal Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.

Es wird Zeit, dass dies wieder auf der Straße zu hören ist.

10.4.2012,Michael Balter, Vivant-Ostbelgien

22 Antworten auf “Michael Balter: Politische Posten”

  1. Die repräsentative Demokratie erinnert also an das alte Bild von feudalen Strukturen. Und warum? Weil Repräsentanz die Kluft zwischen Politik und Bürgern verstärkt. Und so ein Nonsense im Jahre 80 nach dem Ermächtigungsgesetz. Sic transit gloria mundi.

    • H. Grabowski

      Randnotzi über das ende der Demokratie:

      „Bei einem Wirtschaftskongress in Hongkong zeigt sich, wie sehr die Finanzkrise die westliche Geisteselite verunsichert hat. Selbst für Nobelpreisträger ist China das neue Vorbild. Und die ersten Philosophen fangen bereits an, über das Ende der Demokratie nachzudenken.“

      hier weiterlesen http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/oekonomen-und-sozialwissenschaftler-zweifeln-an-der-demokratie-a-892991.html

      • Teurer Quatsch

        China als Vorbild für eine neue Demokratiekultur zu nehmen finde ich aber sehr gewagt. Das Land ist zwar mittlerweile, wenn auch nur stellenweise, hochentwickelt. Doch die Menschenrechte werden dort immer noch mit Füssen getreten und die meisten Chinesen sind nach wie vor bitterarm.

        • Chinas Erfolg hat nichts speziell chinesisches. China konnte in den letzten 30 Jahren spektakuläre Wachstumsraten aufweisen, weil es einerseits von einem extrem niedrigen Niveau gestartet ist und sich gleichzeitig dem Westen angenähert hat. Will es seine Wachstumsraten auch nur annähernd halten, muß es sich immer weiter verwestlichen, ansonsten wird das Wachstum zum Erliegen kommen. Und ab einem gewissen Niveau wird es so oder so langsamer gehen. Selbst Rußland hat immer noch ein höheres Pro-Kopf-Einkommen.
          Und sonderbare Professoren hat es schon immer gegeben.

  2. Joseph Meyer

    Mit dem aktuellen System des offenen bzw. namentlichen Abstimungsmodus kann es sich doch kein Parlamentsmitglied leisten, gegen die Fraktionsmeinung abzustimmen, selbst wenn er dann gegen seine eigene Überzeugung abstimmen muss. Was aber hat dieses erzwungene Abstimmungsverhalten dann noch mit einer echten Repräsentanz der Wählerinnen und Wähler zu tun? Nichts!
    Im Parlament, so sehe ich das, dürfte es überhaupt keine Fraktionen und keine Mehrheit bzw. Opposition geben! Jedes Parlamentsmitglied müsste eigenständig die WählerInnen vertreten, welche ihm ihre Stimme gegeben haben. Und die Abstimmungen müsste dann geheim abgehalten werden, sobald ein einziger Abgeordneter das fordert.

    • Mal andersherum Herr Meyer, wie sollte ein Wähler dann noch wissen, für wenn er bei einer Parlamentswahl stimmen soll, wenn er gar nicht mehr wissen kann, wie der einzelne Parlamentarier abstimmt?
      Dann kann man Parteien gleich durch Wundertüten ersetzen.
      Wenn man den einzelnen Abgeordneten stärken will, muss man ein System einführen, wo nur der ins Parlament kommt, der seinen Wahlkreis gewinnt. In einem solchen System haben kleinere Parteien aber keine Chance mehr.

    • Johann Klos

      Sehr geehrter Herr Meyer,

      Erwartet nicht jede Partei um ihre Interessen durchzusetzen mit Recht sich auf seine Abgesandten verlassen zu können?
      Sind es im Gegenzug nicht die Parteien, welche es den Bewerbern ermöglichen im Wahlkampf durch ihre Unterstützung zu glänzen?
      Wäscht hier nicht eine Hand die andere?
      Erwartet der durchschnittliche Wähler nicht ein klares Profil von der Partei seines Herzens?
      Kann die anderes erreicht werden als durch ein einstimmiges Abstimmungsverhalten?
      Ist es in Belgien nicht auch so dass ein diktierter Fraktionszwang verfassungswidrig wäre?
      Steht es somit nicht jedem Mandatar frei sich von Fall zu Fall für sein Gewissen zu entscheiden?
      Wäre es tatsächlich eine Katastrophe in solchen Fällen bei der kommenden Wahl nicht mehr nominiert zu werden?

      Doch nur für den welcher das heutige Grundprinzip des Parlamentarismus in die Schublade abgelegt hat und nur einen „Job“ macht –

  3. R.A. Punzel

    „… Vor etwas mehr als zweihundert Jahren hieß es mal Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.“
    Herr Balter, meinen Sie den Zeitraum als die Fischverkäuferinnen ihre Messer gewetzt haben und das Aufspießen geköpfter „Häupter“ an der Tagesordung war?
    Jaja, die gute alte Zeit…

  4. Johann KLos

    Sehr geehrter Herr Balter:

    Mich wundert es immer mehr warum gerade aus den Reihen der Opposition nicht mal damit angefangen wird die wirklichen Probleme der hiesigen Bevölkerung anzusprechen und zu behandeln.

    Warum immer Themen instrumentalisieren welche an Abstraktion kaum noch zu überbieten sind und Ottonormalverbraucher schon gar nicht mehr hinter dem Ofen hervorlocken.

    Das Problem der leistungsgerechten Bezahlung von Parlamentarier ist so alt wie das Parlament selbst.

    Weder Sie noch ich werden das je ändern.

    Um nun auf ihr Anliegen zurückzukommen, sollten Sie ,wenn Sie schreiben ,der Posten des Parlamentspräsidenten ist Teil der Koalitionsverhandlungen, dann auch bitte mitzuteilen welche parlamentarischen Möglichkeiten sich auftuen um ab 2014 eventuell auf eine solche Besetzung zu verzichten.

    Im Zuge der avisierten Sparpolitik werden sich sicherlich parteiübergreifende Mitstreiter finden.

  5. senfgeber

    Was diese Personalie interessant macht, ist dass dieser Jurist (mit Bachelorabschluss, für einen Volljuristen hat es bei ihm wohl nicht ganz gereicht) nach Aussage von Vivant “vom Generalsekretär juristisch beraten wird“.

    Dies ist aber nur ein kleiner Teil der Frage.
    Die eigentliche Frage ist: Wie absurd es ist, einen solchen Politapparat ohne erkennbaren Mehrwert, dafür aber erkennbare Mehrkosten für den Bürger, weiter durchzufüttern?

    Natürlich wird sich die lokale Nomenklatura ihre Pfründe auch weiterhin sichern wollen. Doch Fehlentwicklungen bügeln sich früher oder später aus, denn die flämische Melkkuh wird sich in nicht ferner Zukunft nicht mehr so wie jetzt melken lassen. Dann sind auch die fetten Jahre für die lokale Nomenklatura vorbei.

    • Einfach mitnehmen

      also ich finds geil, die nordbelgier zu melken. und das beste ist, die können nix dagegen tun. die ganzen nva und belang wähler haben nur den schuss nicht gehört. vielleicht hat ihr hass sie blind gemacht. als würde europa zulassen, dass die sich selbstständig machen. und wenn da oben von de wever allzu sehr auf den putz gehauen wird, dann passiert das gleiche wie in holland mit fortuyn. aber zahlen werden die. für immer. so oder so. und ich sag noch nicht einmal danke, sondern her damit. :)

      • Es sind Leute mit dieser Parasitenmentalität, die Belgien zerstört haben.
        Europa hat gar nichts zu sagen, wenn es um die flämische Unabhängigkeit geht. Dass es bisher noch zu keiner Teilung gekommen ist, liegt allein an der komplizierten Lage Brüssels und daran, dass die meisten Flamen bisher keine vollkommene Unabhängigkeit haben wollen, sondern lediglich mehr Autonomie.
        Und wenn hier noch einer meint, „die können nix dagegen tun“, dann hat er nicht mitbekommen, dass die vorige Staatsreform nicht die letzte war.
        Der Konföderalismus ist jedenfalls unausweichlich. Paradoxerweise leidet die Wallonie stärker unter den Transfers als sie davon profitiert, weil dadurch Strukturreformen verhindert und eine mafiöse Truppe an der Macht gehalten werden.

  6. H. Grabowski

    Was mich bei den Leserbriefen hier auf OD stutzig macht, ist die Tatsache, dass sich die Schreiber mit dem Einreichen des Textes begnügen, jedoch anschließend nicht an der Diskussion teilnehmen (möchten) !?

    Oppositionspolitiker sind also nicht weniger ignorant als die von Ihnen kritisierte Mehrheit. Ja toll, wen soll ich denn 2014 wählen ?

    @Johann Klos : Welches sind denn Ihrer Meinung nach die wirklichen Probleme unserer Bevölkerung für die das Eupener Parlament zuständig ist ?

  7. JOhann KLos

    Sehr geehrter Herr Grabowski,

    Das mangelnde Interesse der meisten hier zitierten Mitglieder politischer Parteien an solchen Foren teilzunehmen liegt wohl zum einen, an das bedingt durch die Anonymität beflügelte zügellose und zu oft vom Thema abweichende Kommentieren verschiedener Kommentatoren.
    Der Umgang mit dieser Entwicklung muss von vielen Politikern noch gelernt werden. Wenn es aber mehr von Ihrer Sorte geben würde, die einen angemessen Schreibstil an den Tag legen würden, wäre auch mit einer breiteren Resonanz zu rechen.
    Somit ist die Zurückhaltung auch von Herrn Balter zum Teil auch verständlich – wobei gerade aber die nicht an der derzeitigen Regierung beteiligten Parteien schon etwas mehr durch ihre Präsenz auffallen könnten.

    Zu Ihrer Frage – die übrigens durch das „heute“ im Bereich der Zuständigkeiten genau so viel Spitzfindigkeit als nötig hervorhebt, verweise ich als erstes auf meinen Leserbrief Sie können sich sicher sein, das ich zum gegebenen Zeitpunkt die richtige Formulierungen zu diesem Thema veröffentlichen werde.

    @nmm : Ihre Anmerkung in Bezug auf die geleisteten Transferleistungen der Flamen via Wallonie ist im Kern richtig. Vor allem die politische und sozialistisch gesteuerte Arbeiterbewegung konnte sich dadurch wenigstens auf Zeit einer radikalen Umstrukturierung verschließen.
    In wieweit tatsächlich in Zukunft es zu eine Abspaltung kommen wird, wage ich zu bezweifeln, denn die wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten Flanderns nähern sich dem Ende.
    Es kommt zu einem gesamtbelgischen Problem.
    Unsere soziale Ausrichtung – Thema Mindestlöhne usw. – drängen unsere Produktionsbetriebe in Bezug auf Konkurenzfähigkeit immer weiter zurück.
    Solange Europa hier keine einheitlichen Maßstäbe setzt werden wir – wenn auch mit Verspätung – z. B. dem spanischen Beispiel in Sachen Arbeitslosigkeit folgen.

    • H. Grabowski

      Dann sollten die Politiker auch konsequenterweise diese Plattform vollständig meiden, wenn sie mit dem Medium nicht umgehen können, bzw. wollen, auch wenn hier vereinzelte „Internet-Trolle“ wüten. Diese haben in der Regel ihr Pulver schnell verschossen.

  8. Joseph Meyer

    @Johann Klos und @nmm
    sorry, ich habe nicht geantwortet, weil ich ganz einfach nicht mehr in dieses Forum gegangen bin – was ich aber wohl hätte tun sollen, nachdem ich am Kommentar teilgenommen hatte…aber in der Sommerzeit habe ich wenig Zeit um vor dem PC zu sitzen…
    Bezüglich der „Repräsentative Demokratie“: Ich habe natürlich auch kein Patentrezept, meine Meinung basiert lediglich auf meiner 5- jährigen Erfahrung im PDG, als ich in 2005 bei der Abstimmung über den Verfassungsvertrag für Europa und in 2008 mit dem Lissabon-Vertrag festgestellt habe, dass PDG-Mitglieder, sowohl aus der Mehrheit als auch aus der Opposition, diese Verträge durchgewunken haben, obwohl sie überzeugt waren, dass diese Verträge niemals in dieser Form irgend ein Parlament hätten passieren dürfen. Warum haben sie also für die Verträge gestimmt? Ich denke, weil sie ihre politische Karriere in ihrer jeweiligen Partei hier in der DG noch fortsetzen wollten…
    Sicher wird es im Wahlkampf Parteiorganisation geben müssen, aber nach den Wahlen sollten die Entscheidungen im Parlament, meines Erachtens, Partei unabhängig getroffen werden, und es sollte im Parlament demzufolge auch keine Fraktionen sondern nur Parlamentsmitglieder geben. Wenn von vorne herein feststehen würde, dass die Abstimmungen geheim ablaufen, hätten die Wähler damit ja auch kein Problem. Das wäre vielleicht eine Möglichkeit die repräsentative Demokratie zu verbessern…Ansonsten werden vielleicht nur Referenden und Volksabstimmungen (nach Schweizer-Modell ) noch Abhilfe schaffen können. Denn so wie es jetzt läuft, mit gewählten Parlamenten die bei der Regierungsbildung NIchts zu sagen haben (!), die praktisch nur noch gut genug sind die vollkommen undemokratisch entstandenen Beschlüsse von nicht gewählten EU-Beamten durchzuwinken, die jetzt mit dem ESM ihre letzte Entscheidungsgewalt über die Finanzen auch noch aus der Hand gegeben haben, da kann man wirklich nur noch sagen „armes Europa“!

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