Leserbrief

Marcel Scholzen: Viel Rauch, aber kein Feuer

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Vor zwei Jahren wurde mit viel Getöse der Bürgerdialog eingerichtet. Der Stein der Weisen war gefunden, so hatte es den Anschein. Es war einer der üblichen Momente, wo Politik sich selbst in den Mittelpunkt stellte und feierte. Angeblich ein neuer Meilenstein in Sachen Demokratie und Mitbestimmung.

Nur, ist es wirklich so ? Nein. Bei genauerem Hinsehen muss man feststellen, dass der Bürgerdialog auch nur beratenden Charakter hat wie so viele andere Beiräte in der DG. Im Gegensatz zu den anderen Beiräten, deren Zusammensetzung genau geregelt ist, werden die Mitglieder des Bürgerdialoges ausgelost. Diese Auslosung erinnert mich an die Gottesurteile des Mittelalters. Man überlässt die Entscheidung einer „höheren Macht“ und das widerspricht dem Vernunftprinzip.

Einmal einberufen, wird dann im Bürgerdialog viel diskutiert und Papier produziert. Ungefähr wie in den Räten der UdSSR. Dort wurde auch brav diskutiert. Nur die wirkliche Macht bliebt bei der kommunistischen Staatspartei. Damals wie heute war alles eine scheindemokratische Veranstaltung. Die Show musste stimmen, das war alles. Es war eine Bühne für die politisch Verantwortlichen.

Und dabei könnte es auch anders gehen. Es ist möglich, die Bürger mehr zu beteiligen. Volksabstimmung und -befragungen auf Ebene der Regionen, Gemeinschaften und Gemeinden wären die beste Lösung, sind aber nur schwer zu verwirklichen in Belgien aufgrund des fehlenden politischen Willens. Die Politiker und Parteien misstrauen der Bevölkerung zu viel. Haben Angst um die eigene Macht.

Wenn man schon keine Volksabstimmung und -befragungen veranstalten will, so sollte man doch jeden Bürger mittels eines Fragebogens um seine Meinung bitten. Denkbar wäre, so einen Fragebogen der jährlichen Steuererklärung beizulegen. Dabei könnten die Politik einen Teil der Fragen bestimmen, aber auch Bürger selbst mittels Online-Abstimmungen.

06.01.2021 Marcel Scholzen, Eimerscheid

32 Antworten auf “Marcel Scholzen: Viel Rauch, aber kein Feuer”

  1. Ein Bürgerdialog hat naturgemäß nur beratenden Charakter. Wer an den Machthebel der Politik will, muss sich zur Wahl stellen. Wenn er nicht die richtige Partei findet, muss er eine gründen. Wenn er genug Mitstreiter findet und wenn die Ideen beim Bürger ankommen, wird er garantiert gewählt. Dann muss er allerdings noch Koalitionspartner finden. Dort bekommen die eigenen Ideen dann einen Dämpfer. Also, Herr Scholzen, kommen Sie in die Puschen und greifen Sie sich einen wichtigen Posten. Wir sind gespannt, was Sie auf die Füße stellen.

  2. Willi Müller

    Wenn man die Bürger befragen würde, ob sie zum Beispiel mehr oder weniger Migration wollten, was wäre dann die Folge eines negativen Bescheids der Umfrage? Würde die Einwanderungspolitik geändert oder würde es doch so bleiben wie es ist, da die Politiker die Stimmen der Einwanderer brauchen?

    • Nett raus gehauen, ohne zu klären ab wann denn die „Einwanderer“ für die Politiker stimmberechtigt sein könnten. Unabhängig davon könnte man ja auch mal hinterfragen in welchen Ländern „Einwanderer“ ausreichend politisches Gewicht haben; das sind mit LU und CH genau die Länder, die am wenigsten Schwierigkeiten mit ihren „Einwanderern“ haben.

      • Walter Keutgen

        Der., außer für EU-Bürger und Asylanten vergeben in Belgien die Regionen die Arbeitserlaubnis und die Gemeinschaften die Aufenthaltserlaubnis. Die Flamen und französischsprachigen Einwanderungsgegner bezichtigen die Wallonie und die Französische Gemeinschaft, sehr lasch damit umgegangen zu sein – also obwohl die wirtschaftliche Kraft das nicht hergibt –, weil dadurch die Einwohnerzahlen im Vergleich zu Flandern stiegen und so ein größerer Anteil der 150 föderalen Abgeordneten in Brüssel und Wallonien verblieben. In den meisten Ländern kann man sich nach fünf Jahren legalen Verbleib einbürgern lassen.

        Außer dem hohen Ausländeranteil gibt es in der Schweiz und Luxemburg auch Arbeit für alle.

          • Walter Keutgen

            Der., gemäß … sind es 62/88. Nur die Abgeordneten des Wahlbezirks Brüssel dürfen ihre Sprache wählen. Die Anzahl Abgeordnete pro Wahlbezirk (Provinzen) wird bei jeder Wahl neu berechnet und zwar proportional zur Anzahl Einwohner, egal ob Belgier oder Ausländer.

  3. Krisenmangement

    Geben sie sich einen Ruck und gründen eine eigene Liste z. B. für die nächste Gemeinderatswahl. Verlassen sie ihren PC und kommen in die Wirklichkeit. Dieser Bürgerbeirat war von Anfang an Sand in die Augen der Bürger streuen. Wenn man sich die Zusammensetzung mal anschaut. Sind da gar nicht so viele zufällig ausgeloste Menschen dabei. Jede Partei hat schonmal ihre Vertreter dabei. Dann waren da auch ganz zufällig auserwählte Persönlichkeiten dabei. Soviel Zufall kann es bei dem Losverfahren gar nicht geben. Was macht die Dame jetzt? Jetzt tagt der Bürgerrat ja bestimmt nicht! Ist die Dame jetzt im Homeoffice. Mit mehr Bürgernähe hat diese Veranstaltung nichts zu tun. Es wurde wieder einmal ein neuer Posten erschaffen, den kein Mensch braucht, der aber bezahlt wird. Wirkliche Bürgerbeteiligung sieht für mich anders aus. Das wäre das Schweizer Modell schon wünschenswert. Wenn man mit den Schweizern ins Gespräch kommt, merkt man die sind mehr zufrieden mit ihrem Land. Also muss da schon etwas anders laufen.

    • Zweideutiger Artikel?!

      @Krisenmanagement! Schon ein bisschen komisch Ihre Schreibart! Zu Anfang Attacke, danach Zustimmung? Der Scholzen hat vollkommen Recht! Wenn man sieht was da alles in Eupen scheucht und kreucht!? Und das für uns paar tausend Männeckes?!
      Jede Menge an Postenüberfluss, welche uns traurigerweisen zig und nochmals zig Millionen an Euros im Jahr kosten!?
      Solchen Pomp gab es sonst nirgendswo auf der Welt!
      Alleine schon der Gesundheitsminister, der zwei (2 !) ganze Krankenhäuser bedienen muss, auch das in Eupen, worüber man ja in anderem Medium letzter Tage einen Leserbrief lesen konnte!?
      Bei der nächsten Staatsreform, sollten alle Parteien von Ostbelgien gemeinsam eine Linie finden um dieses viel zu teure Gebilde in die Schranken zu weisen.
      Das wir hier eine Region, eine Selbstständige sein sollen, vielmehr müssen, sollte nicht das Sprungbrett sein um jede Menge überflüssiger Posten zu erfinden! Nicht nur das, es werden immer wieder noch neue Jobs dazu erfunden, und Leute dafür gesucht.
      Mit der Taktik bedienen wir, die gebeutelten Steuerzahler, einzig und allein die „Patent-Erfinder“!
      Unser ach so viele Steuergeld könnte viel besser in sehr vielem wichtigeren investiert werden, wo Jedermann was von hätte, und nicht die Erfinder und deren Fussvolk.
      Vor den Wahlen wird Grosses erfunden und gepredigt, danach spricht keiner wohlweisslich mehr davon.
      Senat, Provinzen sollten sofort und direkt weg! Regionen reduziert und Nachhaltiger organisiert werden.
      Der Politiker sollte einen Einzigen Zusatzjob haben, und Ende der Stange!
      Wo der Rest und das jetzige hinführt(e), wissen die schon allemal! Jedoch geändert wird rein gar nichts.
      Wo das politische Belgien uns bis heute hinsteuerte, dass wissen wir mittlerweile!
      Viel zu Hohe Schulden, trotz viel zu Hoher Steuern!
      Und wo gewisse Agierende welche den Hals noch immer nicht voll genug haben, und uns um die Nasen herum führen, dass liest man ja der Tage in den Zeitungen! Die bedienen sich frech und dreist an unsern gespendeten Millionen! Das schlimmste dabei, es sind meistens die selben, aber man lässt sie schalten und walten. Manch kleiner Mann landete dagegen für eine Kleinigkeit im Vergleich hinter Schloss und Riegel. Traurig aber wahr!

      • marcel scholzen eimerscheid

        Danke für den positiven Kommentar.

        Ich bin auch für die Autonomie der Deutschsprachigen. Nur sollte das etwas bescheidener organisiert werden. Was ich bis heute nicht verstehe (vielleicht kann es mir einer erklären) ist folgendes : da wird eine Zuständigkeit an die DG übertragen, entweder vom Föderalstaat oder der Wallonischen Region, dann sucht die DG jedes mal Personal. Wird das Personal nicht mit übertragen ? Eigentlich bräuchte man ja kein zusätzliches Personal.

        Ich bin immer mehr davon überzeugt, dass dem einfachen DG-Bürger die Autonomie nicht viel nutzt. Es sind in erster Linie die Postenjäger der politischen Parteien. Ich hoffen nur, dass man nach der Coronakrise mal zur Einsicht kommt, das es vielleicht auch anders, etwas bescheidener, gehen kann. Und die DG Bürger sollten mehr miteinbezogen werden, entweder durch Volksabstimmungen und/oder Volksbefragungen bzw durch jährliche Fragebogen in jedes Haus.

        Diese ganze Autonomie hätte man besser beim beigeordneten Bezirkskommissariat in Malmedy angesiedelt anstatt komplet neu aufzubauen, wie geschehen.

        • Zu Ihren Anregungen die DG zu optimieren:
          – Dann erhält die DG also eine Zuständigkeit und übernimmt damit ein paar wallonische oder föderale Beamte. Sollen wir die dann „germanisieren“: Sprachkurs und Umzug?
          – Bezirkskommissariat Malmedy? Wir sourcen unsere Autonomie an die Wallonie aus? – – Warum nicht Bangladesh? Wäre noch billiger.

          Folgendes würde ich noch mal nachlesen „Ich bin immer mehr davon überzeugt, dass dem einfachen DG-Bürger die Autonomie nicht viel nutzt. Es sind in erster Linie die Postenjäger der politischen Parteien.“ Diese Satzstellung bezeichnet die DG-Bürger als Postenjäger.

          Volksabstimmungen bedürfen einer entsprechenden Kommunikations-, Austausch- und Fragestellungskultur. Ich hoffe Sie stimmen mit mir überein, dass eine solche am Beispiel des Mikrokosmos OD nicht erkennbar ist.

        • Kritiker

          Herr Keutgen!
          wie verstehen Sie denn den ersten Satz von Krisenmanagement? Ich sehe darin einen Verweis an den Herrn Scholzen!? Komisch das gerade Sie diese Frage stellen?!
          Der Herr Scholzen hat total Recht! In Eupen an der Regierung, die laben sich doch auf unsere Kosten? Wo gibt es noch 4 Minister plus Parlament für eine kleine Kreisstadtgrosse Einwohnerzahl? Dort sind ja Hunderte Personen beschäftigt? Der reinste Geldvertilgungsapparat. Das ganze könnte von einer Handvoll Leuten erledigt sein, denen ein paar Direktoren vorständen!
          Was brauchen wir diesen Pomp? Totale Verarschung der Steuerzahler das ganze! Und die Ausübenden lachen sich ins Fäustchen dabei.

          • Walter Keutgen

            Kritiker, für mich ist Krisenmangements Beitrag ganz und gar nicht zweideutig. Er kritisiert ohne internen Widerspruch den Bürgerrat. Nur am Ende verweist er auf die Schweizer Direktdemokratie, die aber etwas ganz anderes ist. Der. schreibt oben: „Volksabstimmungen bedürfen einer entsprechenden Kommunikations-, Austausch- und Fragestellungskultur.“ Das ist in der Schweiz und nur da der Fall.

    • Walter Keutgen

      Krisenmangement, es sollen jedes Mal 1.000 zufällig angeschrieben werden. Davon meldet sich dann nur ein Teil, woraus wiederum einige ausgewählt werden. Am Ende des Prozesses steht dann eine politisch korrekte Auswahl.

  4. Die Wahrheit

    Der Bürgerdialog ist nichts anderes als viel Blablabla.

    Stundenlange Versammlungen, viel Gerede, unnötige Papierverschwendung, viele unnütze Kilometer gefahren, Steuergelder verschwendet, viel co2 in die Natur gepustet und am Ende nur heiße Luft.
    Und einige Personen meinen doch wirklich, dass sie die Welt gerettet haben.

    Es wird nichts hinterfragt und das ist folglich der Untergang.

    Es gibt Sachen, die regelt man in einigen Minuten. Dafür braucht man keine stundenlangen Versammlungen. Unsere Gesellschaft versammelt sich kaputt. Während dieser Zeit könnte man nützliche Sachen machen.

  5. Vereidiger

    Wenn ich mir anschaue, wer immer wieder nach „Bürgerentscheiden“ und „Volksabstimmungen“ ruft, dann kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich meist um Leute handelt, die etwas in ihrem persönlichen Sinne abschaffen oder verhindern wollen („gegen“ Windräder, „gegen“ neue Zuständigkeiten, „gegen“ Zuzug gewisser Ausländer usw.). Die ideale Spielwiese für diejenigen, die mit Schlagworten Zweifel und Angst säen, um die Menschen auf ihre Seite zu ziehen.

    Und als „Volk“ kann man es sich dann einfach machen: ja, nein oder gar nichts sagen und für das Ergebnis keine Verantwortung tragen. Dabei sind die zu regelnden Probleme viel zu komplex für eine Schwarz-Weiß-Sicht der Dinge.

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