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Gegen Handy-Sucht: Gehören Smartphones manchmal weggesperrt? – Frankreich: Handyverbot in Schulen

26.10.2017, USA, New York: Ein Gast legt sein Handy in eine dafür vorgesehene Zigarrenkiste im Restaurant Hearth. Der Inhaber des Restaurants möchte seine Gäste anregen, während des Essens auf ihr Handy zu verzichten und sich stattdessen mit dem Tischnachbarn zu unterhalten. Foto: Johannes Schmitt-Tegge/dpa

„Leg‘ doch mal das Ding weg“, sagen Eltern, wenn Kinder sich nicht vom Smartphone lösen können. Auch Erwachsene ringen in den USA mit der Handy-Sucht und kleben teils unentwegt am Display. Der Kampf gegen den digitalen Tunnelblick hat einige erfinderisch gemacht. Das französische Parlament hat sogar ein erweitertes Handyverbot in Schulen beschlossen.

Die in den USA beliebte Kaffeehauskette „Le Pain Quotidien“ stellte vergangenen Sommer eine Art Gretchenfrage der Tischkultur: „Kannst du eine Mahlzeit ohne dein Handy überleben?“

Gemeint war: Darf das Smartphone mit auf den Tisch, oder sollte es beim Essen verschwinden? Was in manchen Haushalten auch bei uns längst als Benimmregel diskutiert wird, war als Idee bei einer weltweit tätigen Restaurantkette angekommen: Ohne Handy schmeckt das Essen besser.

Ununterbrochen lesen, wischen, tippen

Gefühlt ununterbrochen lesen, wischen und tippen einige Amerikaner auf ihren Geräten. Millionen beginnen und beenden ihre Tage einer Gallup-Studie zufolge mit dem Griff nach dem Smartphone, 2.600 Berührungen täglich sind dem Marktforscher Dscout zufolge Durchschnitt.

Eine Zeichnung mit einem durchgestrichenen Smartphone weist eine Smartphone-freie Zone aus. Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa

Einige Restaurants und Musiker, die sich aufmerksameres Publikum wünschen, versuchen mit speziellen Kisten und verschließbaren Handy-Beuteln gegenzusteuern. So sollen die ewig Daddelnden lernen, ihre Finger buchstäblich vom Display zu lassen.

„Öffne mich“ steht etwa auf den Zigarrenkisten, die im Restaurant „Hearth“ in New York zum Gedeck gehören wie Weingläser und Servietten. „Nutze diese Box, um dein Handy wegzulegen und dich mit deinen Tischnachbarn auszutauschen“, heißt es darin. Inhaber Marco Canora, der sich die Kisten ausgedacht hat, sagt: „Es wurde einfach unerträglich, in welchem Maß die Leute an ihre Handys gekettet sind. Wir verlieren das Wesen dessen, was es bedeutet, zu speisen und gesellig zu sein und den Menschen in die Augen zu sehen.“

McDonald’s-Filiale mit Handy-Schließfächern

„Le Pain Quotidien“ ging noch einen Schritt weiter und belohnte diejenigen, die ihr Handy in einer Holzkiste am Tisch lagerten, mit einem kostenlosen Dessert. Der Fastfood-Gigant McDonald’s ließ der Website „Mashable“ zufolge in einer Filiale in Singapur sogar Handy-Schließfächer aufstellen, um vor allem Kinder vom Display wegzulocken. „Handy aus, Spaß an“, hieß es dort.

Etwa zwei Drittel seiner Gäste folgten dem Vorschlag, ihr Handy vorübergehend in der Box zu lagern, schätzt Canora. Kürzlich habe eine Frau die Schatulle als überfällige Pause nach einer „harten Woche“ gefeiert und am Tisch erklärt, die Auszeit vom surrenden Taschencomputer „habe sie jetzt verdient“.

Ohne Smartphone oder Tablet geht gar nichts… Foto: Shutterstock

Zum guten Benehmen gehört es auch in den USA ohnehin, das Handy beim Tisch verschwinden zu lassen und sich für ein dringendes Telefonat zu entschuldigen. Auf einem „hohen Ross“ sitzen und den Menschen Vorschriften machen, wolle er aber keineswegs, sagt Canora.

Jack White hat sich mit genau diesem Ansatz nicht nur Freunde gemacht. Telefone werden bei Shows des früheren White-Stripes-Sängers in spezielle Handy-Beutel vom Hersteller Yondr aus San Francisco verschlossen. Auch bei Konzerten von Alicia Keys, Guns N‘ Roses und Childish Gambino sowie Auftritten der Comedians Dave Chappelle und Chris Rock waren die Säckchen schon Pflicht. Die Komiker wollten vor allem verhindern, dass ihre frischen Gags zu schnell auf Youtube landen. Wer will, kann die Show jederzeit verlassen und den Beutel draußen wieder entriegeln.

„Zu viel Kontrolle“, sagte Amelia Hampton der Zeitung „USA Today“ nach einer Jack-White-Show in Milwaukee im April. „Deine Lieblings-Band zu filmen, von dessen Konzert du schon immer geträumt hast, die Erinnerungen zu speichern, das ist mir wichtig.“ White erklärte dem „Rolling Stone dagegen, dass Zuschauer ihre Handys im Kino, in einem klassischen Konzert oder in einer Kirche ja auch verschwinden ließen. Und wegen der neuerdings ausbleibenden Reaktion eines zu handyfixierten Publikums falle es ihm schwer, nach einem Song die Stimmung auszuloten und so den nächsten Titel zu wählen.

Mehr aufmerksame, anwesende Zuschauer

Vielen Künstlern geht es weniger um ein Handyverbot als um aufmerksame, anwesende Zuschauer: „Du musst diesen Moment auskosten, Baby! Nimm‘ diese verdammte Kamera runter“, sagte Beyoncé etwa 2013 zu einem Fan, der so sehr mit seinem Handy beschäftigt war und nicht merkte, dass „Queen Bey“ ihm für einige Takte das Mikro hingehalten hatte. Adele machte sich 2016 über eine filmende Frau im Publikum lustig mit den Worten: „Ich bin im wirklichen Leben hier, du kannst es im wirklichen Leben genießen.“

Jeder für sich mit seinem Smartphone. Foto: Shutterstock

Im Sport sind Handyverbote vor allem im Golf und im Tennis bekannt, die vor allem der Konzentration der Spieler gelten. Selbst die Basketballer der College-Liga NCAA schienen sich aber präsentere Fans zu wünschen, als sie im Januar zu einem Spiel ganz ohne Handys luden.

Namensschildchen und ein Stand für schriftliche Botschaften an andere Fans sollten die Menschen einander näherbringen. Die Georgetown Hoyas warben scherzhaft damit, dass man an dem Abend sogar „persönliche Gespräche von Angesicht zu Angesicht“ führen könne – in Zeiten des Handy-Tunnelblicks offenkundig eine besondere Ausnahme.

Wer Handys verbietet, verzichtet auch auf kostenloses Marketing in sozialen Netzwerken. Und nicht wenige Konzert- und Restaurantbesucher dürften verpassten Foto-Gelegenheiten für Instagram nachtrauern. Für sie und all jene, die ihr Essen stets en détail fotografieren, hatte David Chang vom New Yorker Restaurant „Momofuku Ko“ schon vor zehn Jahren eine Antwort: „Es ist nur Essen. Esst es.“

Frankreichs Parlament für Handyverbot in Schulen

Das französische Parlament hat ein erweitertes Handyverbot in Schulen beschlossen.

Das Gesetz verbiete grundsätzlich das Nutzen von Mobiltelefonen in allen Vor- und Grundschulen sowie in der Sekundarstufe I, wie der Radionachrichtensender Franceinfo am Montag nach dem Votum in der Nationalversammlung berichtete. Der Schritt war eine Wahlkampfforderung des sozialliberalen Präsidenten Emmanuel Macron (40) gewesen.

Schon jetzt dürfen französische Schüler ihre Handys während des Unterrichts nicht benutzen, und Schulen können in ihrer Hausordnung auch ein weitergehendes Verbot festlegen. Künftig wird es umgekehrt sein: Die Handynutzung ist grundsätzlich in der ganzen Schule tabu, die Hausordnung kann aber Ausnahmen gestatten. (dpa)

4 Antworten auf “Gegen Handy-Sucht: Gehören Smartphones manchmal weggesperrt? – Frankreich: Handyverbot in Schulen”

  1. suchtfrei

    Einfache Lösung für zuhause: Kein Abo, nur Prepaid, die Karte der Kinder nicht ständig „nachfüttern“ und den Wifi-Knopf am Modem einfach mal auf AUS (am lustigsten ohne Vorwarnung).
    Sorgt jedenfalls für Unterhaltung: Ist manchmal echt witzig zu sehen, wie da manche Menschen reagieren, nicht nur die Kids ;-)

  2. Grashopper

    Ist echt schade,die Generation Wifi vertut Ihr Dasein an einen Geist,der Sie fressen wird.Ich kanns nicht erklären,tut mir selber leid,aber verdammt noch mal,greift endlich ein und verhindert die Katastrophe der Facebook-Gesellschaft.Es ist erbärmlich,Freunde über Facebook zu handeln.Politik steuert eine ganze Generation(wenn nicht sogar zwei)in eine Richtung,die nicht mehr zu steuern ist,und fast jeder glaubt alles.Da bin ich froh,noch ein eigenes Gehirn zu nutzen,um zumindest zu versuchen,differenziert Eins mit dem Anderen zu vergleichen und Eins vom Anderen zu trennen.Ok ich bin in deren Augen ein alter Mann,aber mein Leben ist toll,ohne fortwährendes Internet.Nutzen und Abhängigkeit können manche doch gar nicht mehr trennen!

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