Gesellschaft

Wegen der Kälte werden in Etterbeek Obdachlose zur Not festgenommen

27.02.2018, Belgien, Brüssel: Eine Frau sitzt, in eine dicke Decke gehüllt, vor dem EU-Hauptquartier. Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa

Die extreme Kälte erfordert bisweilen extreme Maßnahmen: Der Bürgermeister von Etterbeek, Vincent De Wolf, hat beschlossen, dass Obdachlose, die sich weigern, nachts in ein Winterquartier zu ziehen, von der Polizei vorläufig festgenommen werden. Die Stadt Lüttich will dem Beispiel von Etterbeek folgen.

Die Obdachlosen werden in einen beheizten Saal der Gemeinde gebracht, wo sie auch von einem Arzt untersucht werden. Dieser entscheidet dann, wie lange die Obdachlosen in dem Saal bleiben müssen.

Die Kältewelle macht vor allem obdachlosen Menschen schwer zu schaffen. Foto: Shutterstock

In der Nacht zum Montag wurden zehn Obdachlose von der Polizei in Gewahrsam genommen. Die Maßnahme gilt bis zum 8. März, immer in der Zeit von 20 Uhr abends bis 7 morgens.

Am Montag wurde bekannt, dass auch der Lütticher Bürgermeister Willy Demeyer beabsichtigt, Obdachlose festnehmen lassen, wenn Sie darauf bestehen, in der Kälte zu bleiben.

Wie berichtet, erwarten Meteorologen zumindest bis Donnerstag eine eisige Kälte. Nachts gehen die Temperaturen stellenweise bis auf minus 15 Grad zurück, wegen des scharfen Windes gefühlt sogar auf minus 20 Grad. Auch tagsüber bleiben die Temperaturen meistens unter dem Gefrierpunkt (siehe Bericht an anderer Stelle).

Paris: Über 5.000 Obdachlose

In Paris leben mindestens 5.100 Obdachlose. Das ergab eine offizielle Zählung im Auftrag des Rathauses, die am Mittwoch vorgestellt wurde.

Freiwillige Helfer waren dafür vergangene Woche in einer nächtlichen Aktion durch die Straßen der französischen Hauptstadt gezogen und hatten Menschen ohne Dach über dem Kopf gezählt.

Ein obdachloser Mann in Paris erhält von einem Passanten etwas Geld. Foto: François Mori/AP/dpa

In der nun veröffentlichten Zahl enthalten sind knapp 3.000 Menschen, die in der betroffenen Nacht unter freiem Himmel und auf Bahnhöfen angetroffen wurden, wie der stellvertretende Bürgermeister von Paris, Bruno Julliard, auf Twitter mitteilte. Hinzu kommen mehr als 2.000 weitere Obdachlose, die im Rahmen von Kälte- und Winterprogrammen der Stadt provisorisch untergebracht waren, etwa in Turnhallen.

Es dürfte jedoch noch mehr Wohnungslose im Großraum Paris geben. Die Zähler durchstreiften nur das eigentliche Stadtgebiet der französischen Hauptstadt, nicht die Vororte. Zudem wurden Böschungen am Rande von Schnellstraßen oder Baustellen nicht nach Obdachlosen abgesucht, wie die Zeitung „Le Monde“ berichtete.

Kurz nach seiner Wahl zum französischen Staatspräsidenten machte Emmanuel Macron ein Versprechen: Bis Ende 2017 sollte für alle Obdachlosen eine Notunterkunft zur Verfügung stehen. Erreicht hat seine Regierung das Ziel bislang nicht. (cre/brf.be/dpa)

Zum Thema siehe auch folgende Artikel auf „Ostbelgien Direkt“:

33 Antworten auf “Wegen der Kälte werden in Etterbeek Obdachlose zur Not festgenommen”

  1. Ich wüsste gern, auf welcher gesetzlichen Grundlage diese Freiheitsberaubung erfolgt. Muss in kalten Nächten jeder, der sich in Etterbeek im Freien aufhält, mit einer polizeilichen Festnahme, einer medizinischen Zwangsuntersuchung und einer Zwangsunterbringung in einem Saal vor aller Augen rechnen?

  2. Erfahrener

    Ich persönlich finde diese Aktion grossartig, das sind Taten und nicht dummes Geschwätz, was die meisten Politiker führen. Als Christ hat man sich um seinen Nächsten zu kümmern wenn es ihm schlecht ergeht.

  3. Zaungast

    Könnte man nicht davon ausgehen, dass ein Mensch, der lieber die Nacht draußen bei grimmiger Kälte verbringen möchte, statt in einem geheizten Raum übernachten und dazu eine warme Mahlzeit bekommen, zu können, dass so jemand geistig nicht ganz zurechnungsfähig ist?

    Unter diesem Gesichtspunkt könnte sich eine solche Zwangsmaßnahme, die ja nicht mit einer wirklichen Verhaftung zu tun hat, durchaus rechtfertigen.

    Täten die Behörden nichts, und es gäbe mehrere Tote durch Erfrieren, wäre das Geschrei groß.

    • karlh1berens

      Es müsste in unserer Gesellschaft doch möglich sein, in einem „geheizten Raum übernachten und dazu eine warme Mahlzeit bekommen“ zu können, ohne inhaftiert zu werden, oder ?
      Wenn schon Inhaftierung droht, dann würde ich’s zuerst mal mit einem Banküberfall probieren. Die Folgen wären ja dieselben und mit etwas „Glück“ springt mehr dabei raus – und sei’s auch nur mehrere Tage, Wochen oder Jahre in einem geheizten Raum mit einer freien Mahlzeit ( ͡° ͜ʖ ͡°)

  4. Ich finde die von Lionne aufgeworfene Frage richtig.
    Wenn man etwas gut meint, wenn man meint im Namen der Menschlichkeit zu handeln darf man dann die Gesetze und Rechte des Menschen ausser Acht lassen? Den Menschen seiner persönlichen Freiheit berauben? So wie es für Migranten scheinbar keine Gesetze mehr gibt, gibt es für Obdachlose auch keine Rechte auf freie Entscheidung mehr? Alles im Namen des Guten, von Gutmenschen bestimmten Verhaltensweisen?

    • Tolle Debatte. Ein Bürgermeister der Obdachlose vor der Kälte in Sicherheit bringt beraubt sie also ihrer Freiheit. Vermutlich ist er, wenn ein Obdachloser der Kälte zum Opfer fällt und erfriert ein gewissenloser Politiker der aus Geiz oder Sparsamkeit ( das ist dann Auslegungssache) die öffentlichen Hallen vor diesen Menschen verschliesst.
      Wieder einmal zeigt sich das Kommunalpolitiker im Grunde genommen arme Kerle sind, sie können machen was sie wollen, es ist in jedem Falle falsch.

  5. die Not ist groß

    Man sollte auch sehen wollen, warum die Leute nicht in diese Notunterkünfte wollen. Die sind mitunter unsicherer als die Straße, sie werden bestohlen (wenn es denn was zu stehlen gibt), vergewaltigt oder schlimmeres. So ist es. Da nehmen viele lieber das Erfrieren in Kauf. Und das ist dann ihr Recht.

  6. Justiziar

    Um es vorweg zu sagen : ich bin sehr dafür, dass Maßnahmen getroffen werden, damit beispielsweise Obdachlose bei solchen Minus-Temperaturen, zumindest des nachts, in geheizten Räumen untergebracht
    werden. Das kann meinetwegen auch ein Bürgermeister veranlassen. NUR, dass ein Bürgermeister die Polizei auffordern kann, Obdachlose, die keinerlei Straftaten begangen haben festzunehmen (wie es in den Medien erwähnt wird) ist ganz einfach illegal! Ein Bürgermeister hat NICHT das Recht, Festnahmen durch die Polizei anzuordnen; dies kann nur auf Veranlassung eines Staatsanwaltes oder UR erfolgen.
    Festnahmen sind gerichtspolizeiliche Aufgaben, da hat ein Bürgermeister keine Kompetenz für! Er kann verwaltungspolizeiliche Maßnahmen aussprechen, beispielsweise dafür sorgen, dass bestimmte Personen ( z.B. Obdachlose) sich zu bestimmten Zeiten nicht an bestimmten Orten, aus welchen Gründen auch immer, aufhalten dürfen , d.h. die Stellen durch die Polizei räumen lassen und wie im vorliegenden Fall die Obdachlosen dazu bewegen , in eine bestimmte Unterkunft zu gehen.
    Gesetzlich kann ein Bürgermeister das aber nicht veranlassen und schon gar nicht mit Polizeigewalt

  7. Alfons Van Compernolle

    Wenn mit dieser Massnahme ihr Leben geretten / erhalten werden kann, ist dieses fuer mich Begruendung genug!!!! Lieber eine oder wieviel Naechte auch immer in einer Warmen Zelle, als in Freiheit erfroren und auf ewig tot.

    • Aha. Und wenn dann jetzt ein Bürgermeister beschliesst alle Illegalen einzusperren mit der Begründung die könnten ja zu kalt, oder zu warm bekommen, könnten Opfer rassistischer Pöbeleien und auch körperlicher Angriffe werden, usw., usw, …und müssten unbedingt geschützt werden.
      Wäre das dann auch für Sie in Ordnung?

      • Und wenn dann jetzt ein Bürgermeister beschliesst alle Illegalen einzusperren …..

        @ Joseph

        Kein Bürgermeister braucht Zuwanderer einzusperren, die sind normalerweise ja bereits „kaserniert“ und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt.
        Auch muß keiner beschliessen Illegale einzusperren da es entsprechende Gesetze bereits gibt. Abschiebehaft gibt es hier auch und wer sich illegal im Land aufhält wird normalerweise abgeschoben.
        Die, denen Ihr Hass gilt, sind in der Regel allerdings keine Illegalen.

        • @Edig
          Bewusst benutzen sie das Wort „normalerweise“ weil sie genau wissen, das diese Gesetzgebung, worauf sie sich beziehen, längs nicht immer eingehalten wird. Wenn alle Gesetze so lasch gehandhabt würden, bräuchten wir eigentlich keine mehr. Die einen würden die Gesetze so auslegen, die anderen eben anders. Und was hätten wir dann ?

        • Ach Edig !
          Ich hasse weder Migranten, noch Transmigranten, noch Illegale, noch Flüchtlinge.
          Noch nicht mal kleine frustrierte Dummschwätzer wie Sie.
          Vielleicht könnten Sie sich ja zum Thema äussern anstatt Unsinn zu erzählen.
          In Belgien ist das Thema Illegale zwar sehr aktuell, siehe Demonstration letztes Wochenende in Brüssel, siehe Transmigranten, siehe Hausbesuche. In Belgien … aber da sind Sie eh nicht informiert.
          Aber das war nicht das Thema.
          Das Thema war ob man im Namen des Guten sich seine eigenen Gesetze machen kann oder wie?

          • Noch nicht mal kleine frustrierte Dummschwätzer wie Sie.
            @ Joseph

            den kleinen frustrierte Dummschwätzer“ hätten Sie sich auch schenken können, schliesslich schreibe ich ja auch nicht was ich von Ihnen halte.

            @ OD
            Wird der „kleine frustrierte Dummschwätzer“ noch von Ihren Richtlinien gedeckt? Ich finde es absolut unangebracht Witze über meine Größe zu machen schliesslich kann ich nichts dafür das ich nicht großgezogen wurde sondern ganz von selbst wachsen musste..

      • Alfons Van Compernolle

        Hier geht es um „Kaeltetot“ , um womoegliche Rettung von Menschenleben !!
        Rassismus und derartige Ausuferungen ist eine Sache der Strafjustiz !!! Und ja, bei diesen Temperaturen
        wuerde ich auch Fluechtlinge eine warme Zelle zum Ueberleben wuenschen!

  8. Anonymous

    Hier täten einige Kommentatoren gut daran, ihren Wohnsitz in eine größere Stadt zu verlegen, sich für Oktober auf die Liste setzen zu lassen und der Welt zu zeigen, dass sie es besser können als die jetzigen Bürgermeister. Alternativ dazu könnten sie ihre Meinungsäußerung auch auf Themenfelder beschränken, von denen sie Ahnung haben.

    • Was die großen Städte angeht: Ich kenne nur die Situation in Köln. Dort gibt es über die ganzjährig geöffneten Notschlafstellen hinaus die sogenannte Winterhilfe, die abhängig von der Außentemperatur öffnet.
      http://www.wohnungslos-in-koeln.de/angebote/wo-kann-ich-schlafen

      Aber im Gegensatz zu Etterbeek wird dort niemand festgehalten, im Gegenteil: Wer sich nicht an die angesagten Regeln hält, fliegt ohne Umschweife raus.

      Allerdings muss man sich als Obdachloser nachts in Köln auch nicht unbedingt im Freien aufhalten. Das kann man auch im Hauptbahnhof tun – es gibt dort sogar gastronomische Betriebe, die Obdachlose dulden, solange sie keinen Ärger bereiten –, oder im Flughafen. Von den Tausenden Obdachlosen in der Stadt findet man an diesen mehr oder weniger geschützten Orten aber nur ziemlich wenige.

    • Alfons Van Compernolle

      Die Chinesische Realitaet sollte „Wach-Ruetteln“, tut sie aber nicht, obwohl es auch uns im alten Europa treffen kann !! Falsch verstandener Kommunismus der Parteielite. Leider !!
      Die Partei hat immer Recht, wie er von allen Diktaturen propagiert wird, ist toetlich !!
      Dabei hat Marx ein ganz anderes menschenfreundlicheres Gesellaftssystem beschrieben, als das was die politische Elite , welche sich Sozialisten nennen oder genannt haben, uns aufgezwungen haben.

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