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Homosexualität im Sport: Ex-Fußballprofi Hitzlsperger bricht ein Tabu

Der "Fall Hitzlsperger" war am Donnerstag Thema der Talksendung "Maybrit Illner" im ZDF (v.l.n.r.): Manfred Breuckmann, Sportreporter, Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin (SPD), Moderatorin Maybrit Illner, Marcus Urban, ehemaliger Fußballprofi, Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Willi Lemke, Aufsichtsratsvorsitzender des Fußball-Bundesligisten SV Werder Bremen. Foto: dpa

Der ehemalige deutsche Nationalspieler Thomas Hitzlsperger hat in einem Zeitungsinterview seine Homosexualität öffentlich gemacht. Der 31-Jährige ist der erste prominente deutsche Fußballer, der sein Schwulsein thematisiert. Hitzlspergers Outing sorgt nicht nur in Deutschland, sondern international für sehr viel Gesprächsstoff.

„Ich äußere mich zu meiner Homosexualität, weil ich die Diskussion über Homosexualität unter Profisportlern voranbringen möchte“, sagte der 31-Jährige im Interview mit der „Zeit“. Er habe das Gefühl, dass jetzt, nach dem Ende seiner Karriere, ein guter Moment dafür gekommen sei.

Das Bewusstsein, homosexuell zu sein, sei „ein langwieriger und schwieriger Prozess“ gewesen, sagte der 52-malige Nationalspieler, der im September 2013 seine Karreie beendete. „Erst in den letzten Jahren dämmerte mir, dass ich lieber mit einem Mann zusammenleben möchte“, sagte Hitzlsperger. Homosexualität werde im Fußball „schlicht ignoriert“, kritisiert er in dem Gespräch. Bis heute kenne er keinen Fußballer persönlich, der das zu seinem Thema gemacht habe.

Für seinen Schritt, an die Öffentlichkeit zu gehen, bekam Hitzlsperger prompt Respektsbekundungen von Kollegen.

Pressestimmen: „Noch ein weiter Weg“

In der deutschen wie auch in der internationalen Presse löste das Bekenntnis des früheren Spielers von u.a. Stuttgart, Wolfsburg und Everton zahlreiche Reaktionen aus. Hier einige Pressestimmen:

Neue Presse: „Thomas Hitzlsperger hat einen mutigen Schritt gewagt, ohne zu wissen, was ihn jetzt erwartet. Natürlich unterstützen ihn alle möglichen Institutionen. Aber schützt das auch vor Anfeindungen? (…) Obwohl es zahlreiche berühmte Beispiele in anderen Sportarten gibt, obwohl der DFB Aufklärungskampagnen betreibt und obwohl alle möglichen Organisationen versuchen, das Schwulsein zu enttabuisieren, ist es noch ein weiter Weg bis zur vollen Akzeptanz. Männer, die Männer bevorzugen – das passt nicht in die Welt der Blutgrätschen, Schimpftiraden und Abschlussfahrten nach Mallorca.“

Der frühere deutsche Fußball-Nationalspieler Hitzlsperger. Foto: dpa

Der frühere deutsche Fußball-Nationalspieler Hitzlsperger. Foto: dpa

Sächsische Zeitung: „Endlich traut sich einer, sein Schweigen zu brechen. Das ist ein mutiger Schritt. Leider. Denn der eigentliche Aufreger ist nicht, dass sich ein prominenter Fußballer outet, sondern dass dies überhaupt als ein Aufreger gilt. Hitzlsperger ist der erste deutsche Bundesliga-Profi, der sich zu seiner Homosexualität bekennt. Wohlweislich erst jetzt, weil er die Reaktion von den Rängen nicht mehr fürchten muss. Schwule sind Weicheier? Hitzlsperger hat dieses Klischee aus Urgroßvaters Zeiten selbst ad absurdum geführt – als robuster Typ auf dem Platz.“

Het Nieuwsblad (Belgien): „Hitzlsperger bekommt heute zu Recht Lob, aber er hat sich aus Angst vor den Reaktionen seiner Mannschaftskollegen und des Publikums erst nach seiner Karriere geoutet. (…) Menschen wie Mensen Rogers und Hitzlsperger sind Helden, aber zur Zeit herrscht die Angst. Vor allem in unserem Land.“

Corriere della Sera (Italien): „Hitzlsperger trotzt dem Tabu. Mit Blick auf die Tatsache, dass sich die Wahrheit im verminten Gelände des Sports schnell ausbreitet, besonders im Testosteron-gesteuerten Fußball, ist das Dribbling um die Stereotypen für die Spieler nicht leicht. Es ist kein Zufall, dass Hitzlsperger sich vier Monate, nachdem er seine Schuhe an den Nagel gehängt hat, outet.“ (cre/dpa)

5 Antworten auf “Homosexualität im Sport: Ex-Fußballprofi Hitzlsperger bricht ein Tabu”

  1. Ist erstaunlich, dass dieses Thema in unserer inzwischen sehr offenen Gesellschaft erst durch die Initiative eines Spielers, der seine aktive Karriere beendet hat, öffentlich diskutiert wird. Toleranz gegenüber Homosexuellen müsste bei uns längst Normalität sein.

  2. Sexologe

    Ist denn unsere Gesellschaft tatsächlich so hinterwäldlerisch, wie in den deutschen Medien suggeriert wird, so als sei der Fußball eine Welt voll mit total verklemmten Menschen???? Die meisten Fußballfans interessiert nicht, ob ein Fußballer hetero- oder homosexuell ist. Wichtig ist, dass er ein guter Fußballer ist.

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