Politik

Herr Siquet, brauchen wir überhaupt einen Senat?

Der Plenarsaal des Senats. Foto: Wikipedia

Im Zuge der 6. Staatsreform wird in Belgien das klassische Zweikammer-System abgeschafft. Nach den Föderalwahlen 2014 wird der Senat in seiner Handlungsfähigkeit deutlich eingeschränkt und in eine „Kammer der Teilstaaten“ umgewandelt. Eine der Fragen, die sich stellen, lautet denn auch: Brauchen wir überhaupt einen Senat? Über die Senatsreform sprach „Ostbelgien Direkt“ mit Gemeinschaftssenator Louis Siquet (SP).

29 Flamen, 20 Französischsprachige und ein Deutschsprachiger werden künftig dem Senat angehören. Hinzu kommen 10 kooptierte Senatoren (6 Flamen, 4 Frankophone). Nach den Wahlen von 2014 genießt der Senat nur noch in wenigen Bereichen ein Mitspracherecht (u.a. bei der Änderung der Verfassung).

OD: Herr Siquet, was wird sich für den Senat in Zukunft ändern?

Siquet: Der Senat wird im Zuge der Staatsreform einer weitgehenden strukturellen Veränderung unterzogen. Die Anzahl Senatoren wird bedeutend verringert, und es wird keine direkt gewählten Senatoren mehr geben. Der Senat wird zu einem zentralen Treffpunkt der Vertreter der Teilstaaten umfunktioniert. Der „neue“ Senat ist strukturell vergleichbar mit dem Bundesrat in Deutschland, der mit den Vertretern der Bundesländer besetzt ist. Die Befugnisse des Senats werden sich jedoch größtenteils auf Empfehlungen und Überprüfungen beschränken.

DG auch in Zukunft im Senat vertreten

OD: Und was ändert sich für den Gemeinschaftssenator?

Louis Siquet im Senat bei seiner Eidesleistung im Jahre 2010. Foto: senat.be

Louis Siquet im Senat bei seiner Eidesleistung im Jahre 2010. Foto: senat.be

Siquet: Für den Senator der Deutschsprachigen Gemeinschaft bleibt zunächst alles, wie es ist. Die Form der Bezeichnung des Senators, der aus dem Parlament der DG nach Brüssel entsandt wird, bleibt unangetastet. Das bedeutet, dass die DG auch in Zukunft sicher einen Repräsentanten in den Senat entsendet. Die zukünftige Finanzierung des deutschsprachigen Senatorenmandats wird jedoch – im Unterschied zur jetzigen Situation – über eine Finanzierung der Wallonischen Region von der Deutschsprachigen Gemeinschaft getragen werden müssen.

OD: Die Flamen würden es begrüßen, wenn der Senat komplett abgeschafft würde. In der DG ist nur Vivant dieser Meinung. Wäre dies nicht tatsächlich die beste Lösung? Damit ließe sich sogar Geld sparen.

Siquet: Vor dem Hintergrund, dass gerade Herrn Balter – seinen Aussagen zufolge – an politischer Partizipation und vor allem größtmöglicher demokratischer Legitimierung in den Entscheidungsprozessen gelegen ist, wundert die Forderung nach einer Abschaffung des Senates aus finanziellen Gründen schon sehr. Ich halte es für wenig hilfreich, eine gewachsene demokratische Institution, die einen wichtigen Beitrag zur Stabilität unseres Landes leistet, dem Balterschen Rechenschieber (oder dem der N-VA) zu opfern. Die in der Senatsreform vorgesehene Verkleinerung trägt ja der schwierigen Situation der öffentlichen Kassen Rechnung. Das befürworte ich. Auf der anderen Seite muss ich auch klar sagen, dass sich in meinen Augen der Wert eines demokratischen Repräsentanzorgans nicht rein an seinen Kosten misst. Hier werden Wert und Wertigkeit vielleicht ein Stück weit verwechselt.

Debatte im Kern einer jeden gefestigten Demokratie

OD: Nicht wenige meinen, der Senat würde künftig nur noch ein Debattierclub sein – ohne politisches Gewicht. Was sagen Sie dazu?

Louis Siquet ist als Gemeinschaftssenator automatisch Beratendes Mitglied des PDG. Foto: Gerd Comouth

Louis Siquet ist als Gemeinschaftssenator automatisch Beratendes Mitglied des PDG. Foto: Gerd Comouth

Siquet: Die Debatte steht meines Wissens im Kern einer jeden gefestigten Demokratie. Wie dies zu bewerten ist, das bleibt jedem einzelnen Mitbürger überlassen. Nur sollten wir uns bewusst sein, dass der innere Frieden, den wir in Westeuropa seit 1945 verwirklichen konnten, eine direkte Folge unserer demokratischen Systeme ist. Die Debatte, also der Austausch und die gelebte Konkurrenz von Argumenten, Ideen und Positionen, mit dem Ziel der kollektiven Entscheidungsfindung, ist in meinen Augen eine der höchsten Errungenschaften, die die menschliche Zivilisation hervorgebracht hat. Dass sich gewisse Prozesse aufgrund einer Vielzahl an Stimmen ab und an in die Länge ziehen, ist nicht begrüßenswert, aber ein notwendiges Übel, wenn alle relevanten Meinungen in die Entscheidungsfindung mit einfließen sollen. Gerade weil sich unser Bundesstaat aus verschiedenen Kultur- und Sprachgemeinschaften zusammensetzt, hat die Debatte ein solch enormes politisches Gewicht. Debatten können Prozesse anstoßen, Klarheiten schaffen und Allianzen hervorrufen – und das ganz unabhängig von der schlussendlichen letztinstanzlichen Entscheidungsgewalt.

Das Bestmögliche für die DG erreichen?

OD: Was hätten Sie persönlich, wenn Sie bei den Verhandlungen über den Senat präsent gewesen wären, noch geändert, was nicht geändert wurde?

Der Palast der Nation in Brüssel, Sitz der Abgeordnetenkammer und des Senats. Foto: Wikipedia

Der Palast der Nation in Brüssel, Sitz der Abgeordnetenkammer und des Senats. Foto: Wikipedia

Siquet: Ich ziehe es vor, Politik nicht im Konjunktiv zu machen, sondern innerhalb der mir gegebenen Rahmenbedingungen das Bestmögliche für die Deutschsprachige Gemeinschaft und ihre Bevölkerung zu erreichen. Da bleibt wenig Zeit und Platz für politisches Wunschdenken.

OD: Welchen Einfluss hat ein Senator selbst heute noch?

Siquet: Eine Form des Einflusses eines Senators ist zunächst die konkrete parlamentarische Arbeit. In den Ausschuss- und Plenarsitzungen des Senats können Themen hinterfragt und bestehende Probleme direkt an die zuständigen Entscheidungsträger in der Regierung weitergeleitet werden. Hinzu kommt die Möglichkeit, Gesetze zur Abstimmung zu bringen und in freier Abstimmung über Gesetzesvorschläge und –entwürfe mitentscheiden zu können. Darüber hinaus ergeben sich im Senat natürlich auch Möglichkeiten des Austauschs außerhalb der Sitzungen. Dies ist sicherlich eine gute Plattform, um Lobbyarbeit für die DG zu leisten. Unabhängig davon ist eines jedoch klar: Je mehr Senatoren eine konkrete Initiative unterstützen, desto höher ist auch die Einflussnahme auf die letztendlichen Entscheidungsträger. Daher gilt es zu netzwerken und Allianzen zu schmieden, um eine größtmögliche Unterstützerfront der eigenen Initiativen zu erreichen. (cre)

26 Antworten auf “Herr Siquet, brauchen wir überhaupt einen Senat?”

  1. R.A. Punzel

    „Die Befugnisse des Senats werden sich jedoch größtenteils auf Empfehlungen und Überprüfungen beschränken.“

    Soso, auch die weiteren Aussagen des ehrwürdigen Montenauers, wozu dieser nutzlose „Ältestenrat“ benötigt wird, zeigen, dass die Daseinsberechtigung dieser Witzfiguren nur der eigenen Brieftasche, aber nicht dem finanzierenden Steuerzahler dient.

  2. Fritz Gardel

    R.A.Punzel.
    Der Mann ist aus Büllingen. Witzfigur trifft genau zu. Aber instessanter ist: Wozu brauchen wir in unserer Ecke überhaupt welche von den Typen? Wir müssen unglaublich reich sein um uns diesen ganzen Zirkus zu leisten. Früher ging das alles ganz gut, mit einem einzigen Parlament/Senat. Nun haben wir 7 verschieden Witzfigurenparlamente. Mit dem ganzen Paterklang hintendran. Und keiner von denen ist für nichts zuständig wenn es Ärger gibt.

  3. Ändern kann man nur etwas an diesem Irrsinn, wenn du als Wähler mal demonstrativ zu Hause bleibst.
    Das gilt für alle Wahlen, mit Ausnahme eventuell der Gemeinderatswahlen( in kleineren Gemeinden).
    Das Argument, durch das Nichtteilnehmen an Wahlen, würden gerade diejenigen an die Macht kommen, die man eigentlich nicht will, trifft nicht zu. Egal wer regiert, es sind so wie so immer die Falschen. Daher mal als Bürger ein Zeichen setzen!

    • Werner Pelzer

      „Das Argument, durch das Nichtteilnehmen an Wahlen, würden gerade diejenigen an die Macht kommen, die man eigentlich nicht will, trifft nicht zu.“

      Besser ist aber, massiv der Opposition die Stimme zu geben, wie zuletzt in Kelmis und Eupen geschehen. Dann ist ein Wechsel wahrscheinlich. Ob die es dann besser machen, steht auf einem anderen Blatt.

      • Nein, Nichtwählen ist besser. Weil man damit das System nicht auch noch legitimiert.
        Demokratie ist sowieso ein perfides Spiel. Für den Demokraten hat man auf jeden Fall zuzustimmen. Hat man eine Regierungspartei gewählt, hat man ja bekommen, was man wollte, hat man eine Oppositionspartei gewählt, hat man die Spielregeln der Demokratie zu akzeptieren und sich mit seiner Niederlage abzufinden. Hat man gar nicht gewählt, ja dann soll man doch den Mund halten! Man hätte ja wählen können.
        Als Nichtwähler stellt man wenigstens keinen Blankocheque zu seiner eigenen Entmündigung aus.

        • Vereidiger

          Du meine Güte, so viel großspurigen Unsinn auf einmal…

          Gerade der Weißwähler stellt doch einen Blankoscheck aus, da er damit ausdrückt: „Mir egal, seht zu, dass ihr fertig werdet!“

            • Vereidiger

              Ok, 2 verschiedene Begriffe, aber mit demselben Ergebnis. Ob ich mir die Mühe mache, weiß wählen zu gehen, oder von der Urne fernbleibe – unterm Strich ist das genau dasselbe. Der eine oder andere denkt sich dabei womöglich etwas anderes, aber Fakt ist, dass nur das Kreuzchen bei einer Partei bzw. bei einem Namen dieser Person (Partei) den (wenn auch kleinen) Vorteil gibt!

              Womöglich müsste man sich für das kleinere Übel entscheiden. Ist nämlich äußerst selten, dass sich ein alle Sorgen nehmender Helsbringer zur Wahl steht. Diejenigen, die so sehr die erlösenden Lichtgestalten vermissen, lassen sich leider kaum dazu bereitfinden, um sich persönlich für „ihre“ Sache zu engagieren…

              Diese Diskussionen aus dem dunklen Hinterhalt ähneln sehr dem Schimpfen auf Trainer, Fußballer oder Schiedsrichter. Jeder, der bei einem Spiel vor Entsetzen die Hände über den Kopf schlägt, glaubt, es schon immer besser gewusst zu haben. Naja, ist wohl menschlich…

            • karlh1berens

              @ Punzel : http://de.wikipedia.org/wiki/Lesekompetenz
              @Vereidiger : Weißwählen und Nicht-Wählen ist nicht das Gleiche und auch nicht das Selbe. Es kann andere Konsequenzen (fûr Punzel : http://de.wikipedia.org/wiki/Konsequenz) haben. Ich bin schon mal bestraft worden weil ich nicht wählen war. Das wäre mir nicht (zumindest nicht ursächlich) passiert wenn ich stattdessen weiß gewählt hätte. Ich war auch schon mal nicht wählen als ich selber kandidiert habe. Aber das hatte auch eine Konsequenz (für Punzel : http://de.wikipedia.org/wiki/Konsequenz) : ich hatte eine Stimme weniger.

    • R.A. Punzel

      @Patriot und sonstige „Bundschuh“ (einfach googeln, wem es nichts sagt) -Anhänger: Wählen oder nicht wählen gehen nutzt auch nichts, der Computer hat doch schon alles geregelt. Es sei denn, der Wahltag fällt mit Ostern und Weihnachten gemeinsam auf den 31. Februar.

      @Anonymous: Senatoren, aber auch andere politische Konsorten, verdienen kein Geld, sondern nehmen es sich ganz simpel.

  4. Ist doch ganz klar,das dieser Politclown uns weis machen will,“Das wir ihn brauchen“.
    Bei,dem Gehalt was dieser Rechenkünstler
    für seine „ARBEIT“ verdient,muss er so
    schwatzen.
    Fazit am Ende seiner Laufbahn:Ausser spesen NIX gewesen.
    Was,will dieser Mann:Viel Geld,für k(l)eine
    Leistung.

  5. Malnurso

    genau
    „außer Spesen nichts gewesen“ und im nachhinein noch eine dicke Rente kassieren…

    und dann wundern sich diese Politclowns, dass die Bürger von der Politik die Nase gestrichen voll haben

    • R.A. Punzel

      Dumm gelaufen. Anstatt ehrlicher Arbeit, hätte man ein politisches „Amt“ anstreben sollen. 70.000 Faulpelze verkraftet auch das EU-Parlament noch locker. Bewerben wir DGler uns doch einfach, die erforderliche Qualifikation liegt in unseren Genen. Korrupt sind wir nicht.

  6. Kommentator

    Weiß, ungültig oder gar nicht wählen, bringt überhaupt nichts. Wer glaubt, er könne einen Mehrheitswechsel herbeiführen, indem er weiß wählt oder gar nicht, der liegt daneben. Selbst wenn 90 % der DG-Bürger der Wahl fernbleiben würden, brächte das nichts. Die Politik wäre zwar blamiert. Die Politiker würden am Wahlabend salbungsvoll verkünden, man müsse dieses Zeichen des Protests aus der Bevölkerung ernst nehmen, aber in Wirklichkeit würden sie sich nach den offiziellen Statements krümmen vor Lachen.

  7. Wenn Hr. Siquet den Senat als „demokratisches Repräsenzorgan“ bezeichnet, dokumentiert er für mich ganz klar eine der großen Krankheiten unserer Politiker. Es ist die Tatsache, dass meiner Meinung nach, die Politik sich viel zu viel daran orientiert sich selbst darzustellen anstatt zu ‚regieren‘.
    Ein Parlamentsbau von 16,6 Millionen Euro für eine Bevölkerung von 73000 deutschsprachigen Belgiern ist da auch ein schönes Beispiel.

Antworten

Impressum Datenschutzerklärung
Desktop Version anfordern