Gerhard Richter ist wohl der berühmteste lebende Maler der Welt. Als „Picasso des 21. Jahrhunderts“ bezeichnen ihn Kunstkritiker. Er selbst will aber am liebsten keine Aufmerksamkeit – auch nicht zu seinem 90. Geburtstag.
Gerhard Richter wird am heutigen Mittwoch (9. Februar) 90 Jahre alt. Unglücklicherweise unterhält er sich nicht gern über solche Anlässe, weil ihm im Grunde jede mediale Aufmerksamkeit widerstrebt.
Kann man denn wenigstens so weit gehen zu sagen, dass er im kleinen Familienkreis feiern wird? Ja, das sei auf jeden Fall richtig, sagt der Jubilar im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Und Wünsche? Wünsche hat er nicht. „Das wäre peinlich. Ich habe alle gewarnt: Ich brauche nichts mehr!“ Dabei lacht er.
Er hat ja auch alles. Gerhard Richter gilt als der am höchsten dotierte lebende Maler der Welt und kann sich von daher jeden Wunsch erfüllen. Das Manager-Magazin schätzte sein Vermögen im Jahr 2019 auf 700 Millionen Euro. Er lag damit auf Platz 230 der „1001 reichsten Deutschen“.
Allerdings ist man als hochbetagter, nicht mehr ganz fitter Mensch seit Beginn der Corona-Pandemie weitgehend ans Haus gebunden. Auch schon vorher war Richter nie der Typ Malerfürst, der sich feiern lässt, durch die Welt jettet und mit Geld um sich schmeißt. Er ist eher der unermüdliche, nie mit sich zufriedene Arbeiter. Seine Kunst soll wahrgenommen werden, aber bitte nicht er selbst. Er ist auch wirklich nicht besonders interessant. Sagt er.
„Früher“, seufzte er vor Jahren einmal, „früher, da interessierte sich keiner für mich, und ich konnte in Ruhe malen.“ Mit wachsendem Ruhm hat er sich immer mehr zurückgezogen. Sein Wohnhaus im Villenviertel Köln-Hahnwald wird von einem bunkerartigen Atelierriegel abgeschirmt. Ein Schutzwall gegen die Außenwelt. Innendrin ist alles picobello aufgeräumt. Das Atelier wirkt fast so klinisch wie ein Labor. Auch das hat wohl etwas mit Kontrolle zu tun.
Das dahinter liegende Haus mit Garten ist für Richter ein „Paradies“. Man muss allerdings sagen, dass nicht jeder in Köln-Hahnwald wohnen wollte. Es ist das Viertel der ummauerten, eingezäunten und mit Überwachungskameras bewehrten Villen. Um ein Bier oder eine Tüte Chips zu holen, muss man sich ins Auto setzen. Dafür kann man relativ ungestört spazieren gehen.
Richter war hier früher immer mit seinem kleinen Hund unterwegs. Wenn man ihm begegnete, konnte man ihn für einen Ministerialdirektor im Ruhestand halten. Unauffällige Erscheinung, ordentlich gekleidet, zurückhaltendes Auftreten. Mit solchen Vergleichen macht man sich bei ihm allerdings nicht beliebt.
Gerhard Richter ist gebürtiger Dresdner und sächselt bis heute. Nicht stark, aber doch unverkennbar. Dabei ist er schon 1961 aus der DDR in den Westen geflüchtet. Nach Köln kam er eher durch Zufall: Lange in Düsseldorf gearbeitet, dann in der Nachbarstadt das richtige Grundstück gefunden. Seine Wahlheimat verdankt ihm unter anderem das Richter-Fenster im Kölner Dom. Das hat sich zu einer richtigen Touri-Attraktion entwickelt.
Richter ist sogar Ehrenbürger der Stadt, was bedeutet, dass er freien Eintritt zum Museum Ludwig hat. Dieses Privileg nutzt er aber nicht. Wenn er eine Ausstellung besucht, löst er immer ein Ticket, wie zu erfahren ist. Etwas anderes würde auch nicht zu ihm passen. Was ist denn eigentlich sein Lieblingsort in Köln? „Nicht so einfach.“ Kurzes Nachdenken. „Die Gegend um den Dom, da gehe ich ganz gern hin. Und die Kirchen in Köln, die sind auch sehenswert.“
Es muss ein merkwürdiges Gefühl sein zu wissen, dass sich alles, was man in die Hand nimmt, zu Geld machen lässt. Es ist wie in dem Märchen der Brüder Grimm, in dem die Müllerstochter Stroh zu Gold spinnt.
Das kann ein Fluch sein. In Köln kam vor einiger Zeit ein Mann vor Gericht, der weggeworfene Skizzen aus Richters Müll gefischt hatte. Er wollte sie verkaufen. Bei der Gelegenheit erfuhr die Öffentlichkeit, dass Richter seine Altpapiertonne mit misslungenen Werken immer selber rausstellt.
Von den großen Formaten hat sich der Maler mittlerweile verabschiedet. Wer mal gesehen hat, wie der schmale alte Herr noch vor einigen Jahren eine Klappleiter bestieg, um mit einem Rakel riesige Leinwände zu bearbeiten, wird das nicht überraschend finden. Eher beruhigend. Jetzt zeichnet er vor allem. „Nichts Besonderes.“
Was er selbst noch besitzt, hat er nach Berlin gegeben. Die rund 100 Arbeiten, darunter ein großer Teil des abstrakten Spätwerks, kommen in das derzeit entstehende Museum des 20. Jahrhunderts. Einen eigenen Raum wird es da für ihn geben, im Obergeschoss. Ob er das noch erlebt? Schön wär’s natürlich. Nur bitte ohne Rummel. (dpa)
Wenn das Kunst ist bin ich der König von Amerika
@Giebels: oder aber ein Prolet.