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Nie mehr 1.000 Prozent plus? EU kann ab dem heutigen Mittwoch Gaspreisdeckel nutzen [Fragen & Antworten]

Illustration: Pixabay

Kaum ein EU-Projekt hat zuletzt so viel Streit verursacht wie die Deckelung des europäischen Gaspreises. Nun kann das Instrument endlich genutzt werden. Fragt sich nur, ob es jemals dazu kommt.

Mal eben 1.000 Prozent mehr: Infolge von Russlands Krieg gegen die Ukraine kam es in Europa im vergangenen Jahr zu einem drastischen Anstieg der Großhandelspreise für Erdgas mit noch heute spürbaren Folgen für Verbraucher und Wirtschaft. Die Wiederholung einer solchen Situation soll ab sofort ein flexibler EU-Preisdeckel verhindern. Seit diesem Mittwoch um Mitternacht ist das unter anderem von Belgiens Premierminister Alexander De Croo (Open VLD) händeringend geforderte und vor allem von Deutschland monatelang abgelehnte System aktiviert. Kann es funktionieren?

Eine Gasflamme erhitzt das Teewasser in einem Kochtopf. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Worum geht es?

Der sogenannte Marktkorrekturmechanismus soll Bürger und Wirtschaft vor überhöhten Preisen schützen. Konkret geht es darum, zu verhindern, dass die Großhandelspreise für Gas in der EU über längere Zeit deutlich über den Weltmarktpreisen liegen. Die EU-Verordnung zu dem sogenannten Korrekturmechanismus trat bereits am 1. Februar in Kraft. Eine Aktivierung ist allerdings erst seit diesem Mittwoch möglich.

Wie soll das Ziel erreicht werden?

Die EU wird künftig bestimmte Gashandelsgeschäfte verbieten, wenn ihr Preis ein vorab festgelegtes Niveau erreicht und der Preisanstieg nicht einem ähnlichen Preisanstieg auf regionaler Ebene oder auf dem Weltmarkt entspricht. Ausgelöst wird der Korrekturmechanismus, wenn der Preis der Produkte drei Arbeitstage lang 180 Euro pro Megawattstunde übersteigt und gleichzeitig 35 Euro über einem internationalen Durchschnittspreis für flüssiges Erdgas (LNG) liegt.

Greift der Mechanismus nun sofort?

Nein. Der relevante europäische Gaspreis lag zuletzt zwischen 50 und 60 Euro und damit sehr deutlich unter dem Grenzwert von 180 Euro pro Megawattstunde. Damit ist er meilenweit von den Höchstständen im vergangenen August entfernt, die den Anstoß zu einer Debatte über einen Preisdeckel gegeben hatten. Damals erreichten die europäischen Erdgaspreise nach Angaben der EU-Kommission ein Niveau, das 1.000 Prozent über den bis dato in der Union verzeichneten Durchschnittspreisen lag. Bewegten sich die Preise in den vergangenen zehn Jahren zwischen 5 und 35 Euro pro Megawattstunde, kletterten sie im vergangenen Sommer auf Rekordstände von deutlich über 300 Euro pro Megawattstunde.

03.05.2006, Thüringen, Eischleben: In einer Verdichterstation des Erdgasversorgers Wingas überwacht ein Mitarbeiter den Betriebsablauf. Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa

Wie kam es zu dem drastischen Preisanstieg?

Nach Analyse der EU-Kommission stiegen die Preise vor allem, weil Russland seine Gaslieferungen als Waffe einsetzte und durch vorsätzliche Unterbrechungen den Markt manipulierte. Im August war dann das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage besonders angespannt, weil zu einer Verringerung der Pipelineflüsse das Bestreben der EU-Staaten kam, vor dem Winter die Speicher zu füllen. Zudem spielte der Analyse zufolge die Angst vor weiteren Lieferunterbrechungen und Marktmanipulationen durch Russland eine Rolle – und auch der Preisbildungsmechanismus, der nicht auf solche extremen Nachfrage- und Angebotsveränderungen ausgerichtet war.

Wie sieht die Prognose für die Großhandelspreise aus?

Nach Einschätzung von Gasmarktexperten dürfte die Preisentwicklung in erster Linie vom Wetter im Rest der Heizsaison abhängen. Wenn es die Temperaturen zulassen, dass größere Gasreserven in den Speichern übrig bleiben, könnte es ein Sommerloch bei den Preisen geben.

Warum war Deutschland lange strikt gegen den Preisdeckel?

Deutschland befürchtete Versorgungsprobleme, weil die Bundestegierung das Risiko sah, dass Lieferanten den Preisdeckel nicht akzeptieren und einfach kein Gas mehr nach Europa liefern. Im Dezember stimmte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dann aber doch zu. Hintergrund waren vor allem strenge Sicherheitsregeln. Sie sehen vor, dass der Marktkorrekturmechanismus nur in Situationen ausgelöst wird, in denen die europäischen Preise erheblich und über einen längeren Zeitraum höher sind als die Preise auf den Weltmärkten. Zudem wird der Mechanismus deaktiviert, wenn sich der Unterschied zu den europäischen Preisen verringert oder wegfällt.

14.02.2023, Belgien, Brügge: Olaf Scholz (M), Bundeskanzler von Deutschland, Alexander De Croo (l), Premierminister von Belgien, und Pascal De Buck, CEO von Fluxys, besuchen das Fluxys-Gasterminal im Hafen von Brügge. Während De Croo immer schon einen Gaspreisdeckel forderte, war Scholz lange Zeit dagegen. Foto: Yves Herman/Reuters Pool via AP/dpa

Was ist der Unterschied zur deutschen Gaspreisbremse?

Die im März startende deutsche Gaspreisbremse betrifft direkt die Endverbraucher und soll die Folgen der rasant gestiegenen Energiepreise abfedern. Haushalte sowie kleine und mittlere Unternehmen bekommen für 80 Prozent ihres bisherigen Verbrauchs einen Gas-Bruttopreis von 12 Cent pro Kilowattstunde garantiert. Für die restlichen 20 Prozent soll der ganz normale Vertragspreis gelten – so soll ein Sparanreiz erhalten bleiben.

Wie sehen Energieunternehmen die europäische Preisbremse?

Sehr kritisch. „Auf europäischer Ebene gibt es die Illusion: Wir deckeln den Gaspreis. Und wenn der Preis zu hoch ist, darf kein Geschäft mehr abgeschlossen werden. Das wird nicht funktionieren“, sagte jüngst der Chef des Energiekonzerns RWE, Markus Krebber, im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ (WAZ).

Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hatte bereits vor Weihnachten den Beschluss für einen EU-Gaspreisdeckel als Risiko für die Versorgungssicherheit kritisiert. „Gaspreisdeckel lösen keine Versorgungskrise, sondern riskieren grundsätzlich die Versorgungssicherheit in Europa“, sagte Vize-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch damals. Gas gehe in die Regionen, die bereit seien, die durch die Gasknappheit hervorgerufenen Preise zu bezahlen. (dpa/cre)

4 Antworten auf “Nie mehr 1.000 Prozent plus? EU kann ab dem heutigen Mittwoch Gaspreisdeckel nutzen [Fragen & Antworten]”

  1. Eifel_er

    Die ganzen Energiekonzerne und Politiker verarschen uns doch nur. Gas und Strompreise fallen weiterhin, vor etlichen Monaten wurde man gebeten, die Vorauszahlung zu verdreifachen, heute, wo wir uns dumm und duselig zahlen, meldet sich niemand und sagt, hey, Preis sind stabil, ihr könnt weniger zahlen..

    Auf Stadtgas wird 6 % Mwst erhoben, auf Gas in Tanks fleissig 21 % . Und wir lassen uns den ganzen Mist weiter gefallen.

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