Der erste Präsident des Gerichts Erster Instanz in Eupen, Leo Stangherlin, ist am Mittwoch, 17. August 2016, im Alter von 65 Jahren in Petit-Rechain (Verviers) gestorben. Das wurde „Ostbelgien Direkt“ beim Eupener Gericht auf Anfrage bestätigt.
Leo Stangherlin stand vom 1. September 1988 bis zum 30. September 2010 der Eupener Justiz vor. Dass er der erste Vorsitzende des eigenen deutschsprachigen Gerichtsbezirks wurde, war von Beginn an selbstverständlich, denn kein anderer hatte sich in den Jahren zuvor so stark für die Schaffung dieses eigenen Gerichtsbezirks für das Gebiet deutscher Sprache engagiert wie Stangherlin.
Ebenso hatte sich Stangherlin stets für eine einheitliche deutschsprachige Rechtsterminologie eingesetzt.
Stangherlin war ein Original. Er besaß einen feinen Humor, begleitet von einem verschmitzten Lächeln. Auch ließ er es sich nicht nehmen, unverblümt seine Meinung zu äußern, wenn er dies für erforderlich hielt.
Auch nach der Gründung des eigenen deutschsprachigen Gerichtsbezirks blieb Leo Stangherlin in Verviers wohnen. Zwischen seinem Arbeitsplatz in Eupen und seinem Wohnort Verviers pendelte er mit dem Streckenbus oder sogar per Anhalter.
Leo Stangherlin, am 23. September 1950 in St.Vith als jüngstes von fünf Geschwistern und Sohn eines Frisörs geboren, habe stets „der Schlichtheit den Vorzug vor allem Teuren und Aufwendigen gegeben“, schrieb mal das Grenz-Echo über jenen Mann, der in Sachen Gerichtsbezirk Eupen Pionierarbeit leistete.
Für diejenigen, die ihn kennenlernten, als er noch Student in Löwen war, blieb er immer „Pius“. So lautete sein „Biername“ (!) bei der Studentenvereinigung Eumavia.
„Ich habe eine grüne Seele, ohne ein Parteisoldat zu sein“, hat Stangherlin mal über sich selbst gesagt. Ihm sei es beispielsweise nie in den Sinn gekommen, bei seinen Haushaltseinkäufen auf Produkte zurückzugreifen, „die zweimal um den Erdball geschickt worden sind“. (cre)
Noch einer worauf die Vegder stolz sein konnten! RIP!
HINWEIS: Ein Leser von „Ostbelgien Direkt“ schrieb uns, in dem Artikel über Leo Stangherlin stehe „Biername“, das sei bestimmt ein Fehler, denn es müsse „Beiname“ heißen. Nun, „Biername“ ist schon korrekt. Heute würde man von „Taufname“ sprechen, aber bei der (Neu-)Löwener Studentenvereinigung Eumavia bekam jedes neue Mitglied einen „Biernamen“. Leo Stangherlin erhielt den Biernamen „Pius“.
Ostbelgien darf stolz auf Leo Stangherlin sein. Sein Einsatz galt immer der Verteidigung der deutschen Sprache in Belgien und der Rechte der deutschsprachigen Rechtsuchenden. Er gehörte zu den Pionieren unseres Gerichtsbezirks und vereinte in sich Menschlichkeit und fundierte rechtliche Kenntnisse. Wenn er Fragen oder Bemerkungen in Akten hatte, kam es oft zu Diskussionen, die für die Rechtsanwälte nicht einfach, aber immer bereichernd waren.
Es wäre besser, wäre alles beim Bezirk Verviers gewesen.
geblieben statt gewesen
Ihre Meinung respektiere ich natürlich. Ob aber alle Deutschsprachigen mit einer Prozedur in einer Sprache (Französisch), die nicht ihre Muttersprache ist, glücklich geworden wären, muss auch berücksichtigt werden.
In Verviers hätten zweisprachige Juristen mit deutschsprachigen Prozeßbeteiligten Deutsch gesprochen, ansonsten hätte es einen Dolmetscher gegeben.
UTOPIE!
Hätte – hätte – Fahradkette
Lieber auf Französisch freigesprochen, als auf Deutsch verurteilt. Ich erinnere mich noch an eine der ersten Aktionen des neuen Gerichtsbezirks, man ging juristisch gegen einen Junggesellenverein vor der ein traditionelles Wettsaufen veranstaltete. Es war genau so wie von Evers vorausgesagt, ein so kleiner Bezirk, wo jeder jeden kennt, da kann Justizia nicht mit verbundenen Augen agieren….
Die belgischen Gesetze und die belgische Verwaltung sind etwas eigen, dafür wird alles etwas belgisch gehandhabt, wodurch alles wieder halb so schlimm ist.
In Ostbelgien, gerade im Bereich der Finanzämter, führt mancher Beamte sich gerne wie ein kleiner Nazi auf, der mit Wonne seine Mitbürger drangsaliert.
Französisch hätte nur Vorteile, man würde freundlicher und korrekter behandelt, ja man hätte sogar Vorteile gegenüber den Wallonen, weil man zur Not den Dummen spielen kann, der nichts versteht.
Ich glaube mich gut erinnern zu können, daß Leo Stangherlin mal (mit Ehefrau ?) einmal bei „Einer wird gewinnen“ in der ARD (mit H.J. Kulenkampf) teilgenommen hat. Er war damals der Kandidat aus Belgien. Auf den Straßen war es so ruhig, man hätte da gemütlich Karten spielen können, aber „ganz Eupen“ hatte „Fernsehabend“. Eine schöne Erinnerung. RIP.
Beileid den Angehörigen. Aber profitieren wir wirklich vom Gerichtsbezirk Eupen. Eher nicht! Wir mussten es leidvoll erfahren. Da der Gerichtsbezirk Eupen nicht gerade eine hohe Verbrechensrate verfügt, muss man eben anders sehen wie man die Statistiken voll bekommt. Wir hatten aufgrund von falschen „Indizien“ eine Hausdurchsuchung. Bis heute haben wir noch immer keine Akteneinsicht erhalten. Die Vorwürfe haben sich als haltlos erwiesen. Ich weiss nicht, ob das wirklich die Intention des verstorbenen Gerichtspräsidenten war, dass aus kleinen Sachen grosse Sachen gemacht werden. Wahrscheinlich wäre uns das uns bei einem Gerichtsbezirk Verviers nicht passiert. Der Gerichtsbezirk Eupen ist doch gar nicht ausgelastet. Sonst würde man nicht aus Mücken Elefanten machen.
Das klingt durchaus plausibel, was Sie schreiben. Umgekehrt ist mir passiert, dass sich ein banales Zivilverfahren über ein Jahrzehnt hingezogen hat, weil die in Eupen nichts, aber gar nichts auf die Reihe bekommen haben. In Albanien kann es nicht schlimmer sein als in Eupen.
Man muss schon wissen was man will: einerseits klagt man, dass die Staatsanwaltschaft, wie in Verviers, vieles nicht verfolgt, andererseits klagt man, wein die Staatsanwaltschft, wie in Eupen sehr gewissenhaft ihre Arbeit macht.
In einem Rechtsstaat sollte Letzteres die Regel sein.
Zu Leo Stangherlin: es war ein echter, aufrichtiger Mann des Rechts, der aber auch die Kirche in der Mitte des Dorfs lassen konnte und die Straftaten nicht gleich zu Verbrechen aufwertete.
Auch alsNordlicht (Schmaubär) muss ich sagen: chapeau !
…gewissenhafte Arbeit in Eupen, aha; Eupener Anwalt legt ungeprüfte Anklage vor und Gericht übernimmt
einfach so !!!!!!
Erscheine vor Gericht, Richter ! fragt mich ! ob ich die Klage aufrecht halten wolle !!!!
Es war ein VERSEHEN ! SO SO:
Nicht eine Entschuldigung, keinen Franken Kostenersatz.
Wer kann ähnliches melden?
Ein deutschsprachiger Gerichtsbezirk für nur 70.000 Einwohner, oder besser 50.000, wenn man die Minderjährigen abzieht, die ja wohl kaum vor Gericht stehen werden, kann einfach nicht funktionieren. Jeder ist hier mit jedem befreundet, verwandt, verschwägert oder hat berufliche Verbindungen. Wie kann da ein Gericht neutral, unbefangen oder unvoreingenommen sein. Die Mähr, dass Richter oder Staatsanwälte neutral seien, ist Quatsch. Beispiel: Ist es in Ordnung, dass ein Richter oder Staatsanwalt oder Gerichtspräsident Mitglied in einem Service-Club ist oder in Verwaltungsräten sitzt? Wie reagiert dieser dann, wenn einer seiner Clubkameraden ins Visier der Justiz gerät? Wird vertuscht oder nutzt man sein juristisches Amt um die Sache ein wenig zu negieren? Oder noch schlimmer, trägt dieser Amtsträger dazu bei, dem ins Visier geratenen Menschen zu schaden? Oder wie verhält es sich mit Familienangehörigen? Machen wir uns nichts vor, Gerechtigkeit sieht anders aus als das Eupener Gericht es sieht, Wenn man mal richtig recherchieren würde, käme so einiges ans Licht. Aber eine Krähe hackt der anderen ja bekanntlich kein Auge aus. Sicher ist, dass wenn aus jeder Kleinigkeit direkt ein Riesentheater gemacht wird, dann dient das in erster Linie dazu die Daseinsberechtigung des Gerichtsbezirks zu untermauern. Man fühlt sich dann eben noch ein bisschen wichtiger. Und Denunziationen oder ähnliches machen eine Gesellschaft nicht besser oder sicherer, sie schaffen nur Misstrauen, verpesten und vergällen das Zusammenleben der ostbelgischen Bürger. Fazit: es wäre besser gewesen die Zuständigkeit in Verviers zu belassen, wie bereits einige der vorherigen Schreiber bekundet haben.
Herr/Frau Schreiber,
vielen Dank.!!!!!!
Hoffe, einige Juristen mögen sich Gedanken machen.????!!!!!
Übrigens, Herr Stangherlin hatte sich bei mir einmal gemeldet; wollte klären, dann nichts mehr gehört.
Leider ist mein gestriger Beitrag über die Studentenzeit von Leo Stangherlin bis jetzt nicht erschienen. Schade, denn er beleuchtete meines Erachtens eine interessante Fassette seiner Persönlichkeit.
@Zaungast: Ich wüsste nicht, weshalb der Beitrag nicht erschienen sein soll. Am besten schicken Sie ihn noch einmal. Gruß
Einige Erinnerungen an Leo Stangherlin aus unserer gemeinsamen Zeit als Studenten in (Alt-)Löwen. Danach trennten sich unsere Wege.
Weshalb er den Biernamen „Pius“ erhielt, weiß ich nicht mehr. Gemeinhin sollte ein solcher Name, der bei der Aufnahme in die Eumavia von den älteren Semestern verliehen wurde, im weitesten Sinne eine Eigenschaft oder Vorliebe des Trägers ausdrücken… oder auch das Gegenteil.
„Pius“ war nämlich durchaus nicht „fromm“, handzahm oder angepasst. Er zählte schnell zum „linken“ Flügel derjenigen, die von der 68-er Studentenrevolte inspiriert waren und die die altehrwürdige „K.A.St.V. Eumavia Lovaniensis“ radikal entrümpeln wollten. Erbittert bekämpft natürlich von den Konservativen, die an Kommers und Comment, Couleurband und Tönnchen, „Gaudeamus igitur“ und Altheidelberg festhalten wollten.
In seinem Kot im Eumavenhaus hing ein Porträt Che Guevaras, und während einer Berlinreise der Eumavia kaufte er sich bei einem Besuch im Ostsektor die Gesammelten Werke von Karl Marx. Als er mit dem Buchpaket unterm Arm in den Westen zurückkehren wollte, erregte er am Übergang die Aufmerksamkeit der westlichen Beamten, die den Inhalt kontrollierten und die Einfuhr derartiger subversiver Literatur nicht erlauben wollten. Wie er es geschafft, sie zu überzeugen, ist nicht bekannt, aber er durfte seinen Marx mitnehmen.
Schon damals zeichnete er sich durch eine Geradlinigkeit der Ansichten aus, und diese Eigenschaft hat er wohl während seines späteren beruflichen und privaten Lebens beibehalten, wenn man den jetzt erschienenen Würdigungen glauben darf. Auch wenn seine Sturm-und-Drang-Zeit von damals einer abgeklärteren Sicht der Dinge gewichen war, so wie es uns allen ergangen ist.